Real-Angebot für Gareth Bale:Das 100-Millionen-Euro-Baby

Gareth Bale

Der 100-Millionen-Euro-Mann aus Wales: Mittelfeldspieler Gareth Bale vom Premier-Klub Tottenham Hotspur könnte bald der teuerste Transfer der Fußball-Geschichte sein.

(Foto: Ian Kington/AFP)

Real Madrid braucht Gareth Bale, um mit dem FC Barcelona mitzuhalten. Doch ganz Spanien fragt sich: Ist der Waliser tatsächlich 100 Millionen Euro wert? Ist überhaupt ein Fußballer so viel wert? Der Transfer ist längst zum Politikum geworden.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Vernunft ist eine seltene Tugend. Im Falle der Königlichen des europäischen Fußballs aber, von Real Madrid also, würde Vernunft wohl an Selbstverleugnung grenzen. Vernunft, das wäre gewissermaßen die Antithese zum eigenen, kultivierten Habitus. Und so redet man in diesem Sommer in Madrid wieder exzessiv von Geld, obwohl man Schulden hat, hohe Schulden: etwa 590 Millionen Euro. Am meisten redet man dabei von einem Mann mit schnittigem Scheitel und kantigen Backenknochen, der zwar erstaunlich schnell rennen kann und die Außenbahnen dabei wie Schienen benutzt, aber unvernünftig teuer sein soll: Gareth Bale aus Cardiff, Wales, 24, noch in Diensten von Tottenham Hotspur. Man nennt ihn auch den "Express aus Cardiff".

Bale will bekanntlich mit Macht zu Real Madrid. Die spanischen Sportgazetten hatten ihn in den letzten Wochen schon mehrmals auf ihren Frontseiten, mit wechselnd ultimativen Titeln zu seinem Transfer. Oft zeigten sie ihn dazu in Jubelpose, die beiden Hände zum Herz geformt, manchmal auch mit hängendem Kopf. Wochenlang hängt der Deal schon, nun aber scheint er tatsächlich zustande zu kommen. "Wir würden ihn wirklich gerne behalten. Aber wenn ein Spieler die Absicht hat zu gehen, können wir ihn schlecht zwingen, bei uns zu bleiben, selbst wenn er einen Vertrag besitzt", sagte Klubdirektor Sir Keith Mills am Dienstag. Bale wird also wirklich zum teuersten Transfer der Welt werden: irgendetwas mit drei Ziffern - ab 100 Millionen Euro, vielleicht sogar 120 oder 140.

Rekordsummen trotz Krise und Schulden

Bale wäre dann noch teurer, als es damals Cristiano Ronaldo war, der 2009 für die Rekordsumme von 96 Millionen Euro von Manchester United nach Madrid gekommen war und den Bale im Sturm ergänzen würde. Natürlich ist auch Ronaldo wieder ein Sommerthema, wieder wegen des Geldes, das ja einen entscheidenden Einfluss auf seine Gemütslage zu haben scheint. Man hört, Real sei gerade dabei, Ronaldos zwischenzeitliche Schübe von tristeza ein für allemal zu beheben: mit 17 Millionen Euro Jahresgehalt, netto, bis 2018. Er würde dann endlich eine Million mehr verdienen als seine Nemesis vom FC Barcelona, als Lionel Messi.

Bale übrigens wäre, wenn sich die Prognose bewahrheiten sollte, auch etwa doppelt so teuer wie der Brasilianer Neymar, der für 57 Millionen Euro vom FC Santos zu Barça gewechselt ist. Die Verpflichtung Neymars war ein Paukenschlag. Er schreit förmlich nach einem Gegenschlag Madrids - nach Bale eben. Die Zeitungen fragen: Ist der Mann das Geld wert? Ist überhaupt ein Fußballer so viel wert?

Der Transfer steht quer in der Zeit, er ist ein Politikum. In Spanien sind alle zum Sparen angehalten, vorab der klamme Staat: Er hat die Gesundheits- und Bildungsbudgets zusammengestrichen, dafür die Steuern, die Strompreise, die Buspreise angehoben. Die Wirtschaftskrise geht schon ins fünfte Jahr, und noch immer ist nicht absehbar, wie Spanien aus diesem Tunnel finden soll. Ausgerechnet in dieser Phase also klotzt der Fußball mit neuen Rekordsummen, obschon die meisten Vereine der spanischen Profiligen selber auch hoch verschuldet sind: mit 3,6 Milliarden Euro insgesamt, inklusive enormer Steuerschulden beim Finanzamt.

Zwischen Baby-Real und Star-Appeal

Wäre der Staat nicht so nachsichtig mit den Klubs, wäre so mancher Verein bereits bankrott. Und längst nicht alle spanischen Wirtschaftszweige können auf solche Staatshilfe zählen. Unlängst beklagte sich der Drei-Sterne-Koch Sergi Arola, man habe sein Madrider Lokal wegen 148.000 Euro Steuerschulden über Nacht geschlossen, während den Fußballvereinen immer neue Gnadenfristen eingeräumt würden.

Bei Real hatte es zunächst so ausgesehen, als wollte man diesmal knapp wirtschaften, um den Schuldenberg etwas abzutragen, um der Uefa und ihrem Gebot des Financial Fairplay ein bisschen zu entsprechen. Der Verkauf einiger prominenter Akteure, vor allem jener des argentinischen Stürmers Gonzalo Higuaín zu Napoli, brachte eine schöne Stange Geld ein.

Man gab zwar auch einige Dutzend Millionen aus, doch achtete man darauf, vor allem spanische Spitzentalente zu verpflichten: den europaweit umworbenen 21-jährigen Mittelfeldspieler Isco vom FC Malaga, den baskischen Sechser Asier Illarramendi, 23, und den rechten Außenverteidiger Dani Carvajal, 21, der bei Bayer Leverkusen zuletzt auffallend gut gespielt hatte. Der Altersschnitt des Kaders sank deutlich. Die Medien hatten schnell einen schönen Namen gefunden: "Baby-Real". Es war auch schon die Rede von einer Españolizacíon, einer Hispanisierung des Vereins, der ja bisher immer mit vielen ausländischen Promi-Spielern auftrat.

Antwort auf Neymar-Transfer des FC Barcelona

Die Strategie wurde Carlo Ancelotti zugeschrieben, dem neuen Coach der Madrilenen, der von José Mourinho übernommen hat und sich wohl gleich beliebt machen wollte bei den Fans. Man nennt ihn auch El pacificador, den Friedensstifter. Er soll die vielen Polarisierungen aus der Zeit von Mourinho überwinden. Die Politik kündigte sich also kostenneutral an, man rechnete gar mit einem Überschuss von etwa 20 Millionen Euro. Dank der Investition in die eigenen Talente hätte man erst noch ein Versprechen an die Zukunft abgegeben, ein Signal ans Land.

Nun, der Transfer von Bale würde die Tendenz brechen. Real würde erneut Schulden machen, um mit dem Star-Appeal des Rivalen aus Barcelona mithalten zu können. Das ist sich Florentino Pérez, der Präsident Reals, wohl schuldig. Er hatte einst, in den Jahren des Baubooms, von 2000 bis 2006, die Ära der Galácticos begründet, eines Ensembles aus sündteuren Assen. Da spielten die Besten zusammen: Zidane, Figo, Beckham, die Brasilianer Ronaldo und Roberto Carlos. Die Karteikarte Gareth Bale hört sich da im Vergleich zwar etwas bescheidener an, dennoch: Ein Clásico mit den Sturmduos Messi & Neymar und Ronaldo & Bale - sportlich hätte das schon etwas. Mit der Vernunft ist es eben so eine Sache: Auch bei den Fans ist sie nur schwach ausgebildet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: