Reaktionen auf WM-Slalom:"Das Rennen des Jahrhunderts"

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Erlösung: Marcel Hirscher ist mit der schnellsten Zeit im Ziel angekommen.  (Foto: dpa)

Unter dem Druck eines ganzen Landes und vor 40.000 frenetischen Zuschauern gewinnt der Österreicher Marcel Hirscher WM-Gold. Die Branche reagiert beeindruckt. Nicht nur für Silbergewinner Felix Neureuther ist dieser Slalom von Schladming das vielleicht größte Ereignis des alpinen Rennsports.

Von Thomas Hummel

Wer wissen will, was dieser Sonntag für Österreich bedeutet hat, dem reichte ein Blick in die Kronenzeitung: "Das Rennen des Jahrhunderts" stand da in großen Buchstaben. Vor dem Slalom der Ski-Weltmeisterschaften in Schladming wohl gemerkt.

Viel größer geht es nicht, und auch Marcel Hirscher selbst sagte später während der Pressekonferenz auf Englisch (vielleicht, um der internationalen Presse die Bedeutung dieses Tages zu verdeutlichen): "Österreich hat acht Millionen Einwohner, vielleicht vier Millionen haben dieses Rennen gesehen, 40.000 hier in Schladming. Ich habe nur gedacht: Oh mein Gott, wenn ich jetzt einen Fehler mache, kommen die - und bringen mich um."

Marcel Hirscher
:Österreichs lässiger Slalomexperte

Ganz Österreich erwartet Gold, und Marcel Hirscher bleibt ganz entspannt: So wie vor zwei Jahren bei der WM in Schladming, will der Salzburger nun bei der Ski-WM in Beaver Creek glänzen. In der Super Kombi klappt es mit dem erneuten Titel.

Seine Karriere in Bildern

Lange ist es her in der Geschichte von Sportveranstaltungen, dass am Ende die Verlierer tatsächlich sterben mussten. Dennoch geriet der abschließende Slalom der Ski-WM zu einem extremen Beispiel dafür, wie schwer der Druck auf einem einzelnen Athleten lasten kann. Die Menschen trachten nach Helden, auch um ihr eigenes Selbstwertgefühl zu erhöhen. Und für Österreich, das kleine stolze Land in den Bergen, gibt es eben im Sport nichts Wichtigeres, als dass der beste Skifahrer einer der ihren ist.

Die Last dieser Erwartung fuhr an diesem Sonntag mit auf den Schultern des 23-jährigen Marcel Hirscher aus Annaberg-Lungötz, noch nicht einmal eine Fahrstunde vom Rennort entfernt. Und weil dieser Marcel Hirscher die Last schulterte, er das erste und einzige Einzel-Gold für sein Land im letzten Rennen der Heim-WM vor einer entfesselten Kulisse gewann, gehört er jetzt schon für viele zu den Größten seines Sports.

Auf Twitter gratulierten einige Kollegen: Maria Höfl-Riesch schrieb: "Einfach unglaublich, beeindruckend und außergewöhnlich: Gratulation an Marcel Hirscher! Das Rennen zu gewinnen mit diesem Druck." Ted Ligety, dreimaliger Goldgewinner in Schladming, schrieb: "Dass Marcel Hirscher den Slalom gewinnt, fühlt sich zwangsläufig an. So fährt man unter dem Druck der Heimat - beeindruckend." Immer wieder war von den brutalen Erwartungen die Rede. Silbergewinner Felix Neureuther kennt das ja, er war vor zwei Jahren in seiner Heimat Garmisch-Partenkirchen daran gescheitert.

Sprüche bei der Ski-WM in Schladming
:"Ich muss das jetzt runterwürgen"

Die Ski-WM in Schladming geht in ihre zweite Woche - was bleibt bislang hängen? Die Abfahrt der Frauen erlebt ein "Kreuzband-Podium", Felix Neureuther vergleicht sich mit Martina Ertl - und die Österreicher müssen ihre Misserfolge wortstark verdauen.

Die besten Zitate aus Schladming

Diesmal aber, da widerstand er dem Druck, der auf ihm lastete. Es war im Gegensatz zu Hirscher weniger der Druck eines ganzen Landes, eher der Druck, sich endlich selbst zu beweisen. Dass er nicht immer der Verlierer sein würde, wenn es um Medaillen ging. Diesmal stand der 28-Jährige als Zweitplatzierter des ersten Durchgangs vor seinem Lauf oben, als unten der Österreicher Mario Matt mit Bestzeit im Ziel ankam: "Da ist ein Begeisterungsschwall diesen Berg hochgekommen, der hätte mich fast wieder aus dem Starthäuserl rückwärts herausgehauen. Ich wusste: Neureuther, jetzt musst du Gas geben - und wenn sie leise sind, bist du gut gefahren. Und sie waren sehr leise. Das war die schönste Stille, die ich je erlebt habe."

Karriere von Neureuther
:Felix, einmal der Glückliche

Felix Neureuther ist der Sohn berühmter Skifahrer. Seine Karriere bietet alles: große Siege, herbe Enttäuschungen, emotionale Momente - nun tritt er vom aktiven Sport zurück. Seine Karriere in Bildern.

Felix Neureuther hat sich, den Deutschen Skiverband und auch seine Familie glücklich gemacht: "Das ist etwas sehr Spezielles, eine Wahnsinnsgenugtuung. Meinem Papa ist das immer verwehrt geblieben, eine Medaille zu gewinnen, das habe ich für die Familie Neureuther komplettiert und das ist etwas sehr, sehr Schönes." Sein Vater Christian gewann als Weltklasse-Fahrer keine Medaille bei Großereignissen, die Mutter Rosi Mittermaier gewann bei den Olympischen Spielen in Innsbruck 1976, die auch als WM gewertet wurden, zweimal Gold und einmal Silber sowie eine Goldmedaille in der nicht olympisch gewerteten Kombination.

Was das Ereignis für alle Beteiligten so groß machte, war auch die Atmosphäre in Schladming. Offiziell 38.000, inoffiziell wohl noch ein paar Tausend Zuschauer mehr, standen an der Strecke, und verwandelten den Berg Planai in einen Ort des Lärms und der Emotionen. Einige Fahrer der Spitzengruppe waren der Stimmung offenbar nicht gewachsen und schieden aus oder machten Fehler. Doch die letzten drei aus dem ersten Durchgang, Matt, Neureuther und Hirscher, bekamen ihre Fahrten nach unten. "Ich habe auch mit Trainerkollegen gesprochen, es war ein Rennen auf extrem hohem Niveau. Es war ein extrem geiles Rennen", sagte Österreichs Männer-Trainer Mathias Berthold.

Was alles auf Marcel Hirscher lastete, sah man erst im Zielraum, als er fast entrückt mit den Skischuhen durch den Schnee sprintete und auf dem Bauch landete. Schon vor der WM erklärte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Printausgabe), wie er mit dem extremen Druck zurechtkomme: "Ich habe schon sehr früh damit umgehen müssen, egal, auf welcher Ebene ich mich im Skisport bewegt hab'. Ich hab' im Bezirkscup jedes Rennen gewonnen, im Landescup auch, von mir ist immer schon erwartet worden, dass ich gewinne. Jetzt sind die Rennen größer, klar, aber früher war der Druck sogar höher: Als ich ein zehnjähriger Bub war, haben alle zugeschaut, die Freunde, die Familie, der ganze Ort, das war ein Riesending."

Sein Verband stellte ihm für diese WM einen eigenen Pressesprecher, einen eigenen Bodyguard (wenn er mal durch Schladming gehen musste), einen eigenen Chauffeur, sein Vater und Trainer Ferdinand funkte an der Strecke stehend bis Sekunden vor seinem Start fast sekündlich irgendwelche Details zu ihm nach oben. Österreich hat alles getan, damit dieser Marcel Hirscher die Nation glücklich machen konnte. Und der 23-Jährige machte sie glücklich. Noch einmal die Kronenzeitung, diesmal nach dem Rennen: "Hirscher rettet WM für Österreich."

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