Reaktionen auf Hoeneß-Urteil:Seehofer zeigt sich "menschlich betroffen"

Bayerns Ministerpräsident Seehofer verweist auf die persönlichen Konsequenzen für Uli Hoeneß. Die FC-Bayern-Aufsichtsräte Stadler von Audi und Winterkorn von VW brechen nach dem Urteil abrupt eine Konferenz ab und verschwinden durch den Hintereingang.

Reaktionen im Überblick

Die Fußball-Profimannschaft des FC Bayern hat an diesem Donnerstag frei. "Heute kein Training", steht auf der vereinseigenen Internetseite. Auch am Freitag wird die Öffentlichkeit keine Übungseinheiten sehen, dann trainiert der Tabellenführer der Bundesliga ohne Zuschauer. Mit dem Prozess gegen den Präsidenten des Klubs und Vorsitzenden des Aufsichtsrats Uli Hoeneß hat das nicht zwingend etwas zu tun: Trainer Pep Guardiola übt gerne im Geheimen. Allerdings kommt es sicherlich nicht ungelegen.

Aus dem Verein ist nach dem Urteilsspruch gegen Hoeneß erst einmal nichts zu hören. Drei Jahre und sechs Monate Haft, der Klubchef muss also ins Gefängnis. Die Verteidigung kündigte Revision an. Wie der Klub mitteilte, werden Präsidium, Verwaltungsbeirat und Aufsichtsrat "kurzfristig zu Beratungen zusammenkommen und anschließend entsprechend zeitnah", aber nicht mehr am Donnerstag, über mögliche Entscheidungen informieren.

Am Abend spielt die Basketballmannschaft des FC Bayern zu Hause in der Euroleague gegen Real Madrid. Normalerweise sitzen Hoeneß, Aufsichtsratskollege Edmund Stoiber und einige Fußballer auf der Tribüne. Ob das auch an diesem Abend so sein wird?

"Möchte das als Ministerpräsident nicht begleiten"

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verwies in seiner Reaktion auf die menschliche Dimension der Verurteilung hin. "Ich bin zuallerst menschlich betroffen, weil eine Freiheitsstrafe natürlich für jeden Menschen, und damit auch für Uli Hoeneß, ein gravierender Eingriff ist", sagte Seehofer am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin. Als Politiker und Ministerpräsident habe er das Ergebnis eines rechtsstaatlichen Prozesses zu respektieren. Auf die Frage, ob Hoeneß als Präsident und Aufsichtsratschef von Bayern München noch tragbar sei, betonte Seehofer, nun werde der Verein erst einmal selbst diskutieren und entscheiden. "Ich möchte das als Ministerpräsident nicht begleiten."

Am Vormittag waren Audi-Chef Rupert Stadler und VW-Chef Martin Winterkorn, beide Aufsichtsratsmitglieder der ausgegliederten Profiabteilung FC Bayern München AG, zur Causa Hoeneß befragt worden. Ob er Bayern-Präsident bleiben könne, ob das alles noch mit den Compliance-Regeln des VW-Konzerns vereinbar sei, wie der Aufsichtsrat nun weiter vorgehe. Dazu immer der gleiche Standardsatz als Antwort: Erst einmal werde man das Urteil abwarten.

Als es dann gegen 14 Uhr kam, beendeten Winterkorn und Stadler abrupt eine Analystenkonferenz am alten Flughafen Tempelhof in Berlin und verschwanden durch den Hintereingang. Kein Kommentar, finstere Mienen, große Eile. Die FC-Bayern-Aufsichtsräte beraten nun, wie es weitergehen soll. Halten sie weiterhin zu Hoeneß bis auch die Revision vor dem Bundesgerichtshof entschieden ist, was einige Monate dauern wird? Oder drängen sie den Vorsitzenden zum Rücktritt?

Politik lobt Entscheidung des Gerichts

Anton Hofreiter, der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, lobte die Entscheidung des Gerichts. "Es war absolut richtig, dass das Gericht schnell und fair geurteilt hat. Uli Hoeneß hat versucht, sich als Opfer zu stilisieren, er war allerdings ein Täter. Denn an die 27 Millionen Euro Steuern zu hinterziehen, ist keine Kleinigkeit. Daher halte ich das Urteil für ganz klar und richtig. Man darf eines nicht vergessen: Auch die großen Konzerne wie Audi, VW und Adidas stehen nun blamiert da, denn er hätte längst vom Aufsichtsrat gezwungen werden müssen, als Präsident zurückzutreten."

Sahra Wagenknecht von der Linken erklärte: "Es hätte das Rechtsempfinden der Bevölkerung erheblich verletzt, wenn die großen Fische immer davon kommen, während kleinen Selbständigen wegen einer verspäteten Umsatzsteuerklärung saftige Strafen drohen."

Betroffene Stimmen aus der Bundesliga

Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), sagte: "Die Dimension des gesamten Vorgangs, wie er in den letzten Tagen publik wurde, hat auch uns als DFB überrascht." Die großen Verdienste von Hoeneß für den FC Bayern und den gesamten deutschen Fußball blieben unabhängig von diesem Prozess bestehen.

Christoph Daum, nach einigen Scharmützeln in der Vergangenheit in inniger Abneigung mit Hoeneß verbunden, gab sich versöhnlich: "Ich denke nur an den Menschen Uli Hoeneß und seine Familie. Ich wünsche ihnen allen viel Kraft. Die werden sie nun brauchen, um diese schwierige Zeit gemeinsam gut durchzustehen", sagte der derzeitige Trainer des türkischen Fußball-Erstligisten Bursaspor dem Sport-Informationsdienst. Mit Daum war Hoeneß regelmäßig aneinandergeraten. Höhepunkt war, dass Hoeneß im Jahr 2000 Daums Kokainaffäre öffentlich machte, was diesen den sicher geglaubten Bundestrainerposten kostete.

Mitarbeit: Thomas Fromm

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