Matthias Jaissle:Der nächste Salzburger Trainer steht bereit

Matthias Jaissle: Bald in Deutschland? Matthias Jaissle bei einem Champions-League-Spiel mit Salzburg gegen Sevilla.

Bald in Deutschland? Matthias Jaissle bei einem Champions-League-Spiel mit Salzburg gegen Sevilla.

(Foto: Mathias Mandl/GEPA pictures/Imago)

Matthias Jaissle hat in seinem zweiten Jahr als Coach bei RB Salzburg an Profil gewonnen - weil nicht alles glatt lief. Nun könnte sich die Gelegenheit für einen Wechsel in die Bundesliga ergeben.

Von Felix Haselsteiner

Es gäbe für Matthias Jaissle ausreichend Möglichkeiten, sich in der finalen Phase vom Kampf um die österreichische Meisterschaft ablenken zu lassen. Gespräche mit seinem Spieler Nicolas Seiwald, der gerade einen Umzug nach Leipzig plant, hat der Trainer von RB Salzburg zuletzt etwa geführt - darüber, ob die neue Wohnung schon gefunden ist. Am Handy tauscht Jaissle sich ab und an mit Karim Adeyemi aus, der seinen österreichischen Ex-Verein weiterhin verfolgt, auch wenn er inzwischen in Dortmund um Titel spielt. Da kämen auch mal "Glückwunsch-SMS", sagt Jaissle, der allerdings auf eine Form der Ablenkung bewusst verzichtet: auf den Blick in die Zeitungen.

Sein Name würde ihm dort aktuell häufiger begegnen als je zuvor. Jaissle nämlich steht nicht nur mitten in einem beachtlich engen Rennen um die österreichische Meisterschaft, sondern auch im Fokus als möglicher Nachfahre einer elitären Vorgängerschaft: Roger Schmidt, Adi Hütter, Thomas Letsch, Marco Rose, Jesse Marsch - die Liste der Salzburger Trainer, die es in die Bundesliga schafften, ist lang, die Aufmerksamkeit daher völlig logisch: Ein 35-jähriger Deutscher, geboren in Nürtingen in Baden-Württemberg, mit Bundesliga-Erfahrung als Spieler, der im nahen Ausland Titel gewonnen und in der Champions League trainiert hat, wie könnte der nicht auf Fahndungslisten von Bundesligavereinen stehen?

"Ich habe mir angewöhnt, wirklich alles auszublenden", sagt Jaissle dazu im Gespräch mit der SZ, mitsamt einer poetischen Begründung für den Verzicht auf die Medien: "Ich will den Versuchungen gar nicht widerstehen müssen."

Den ewigen Spagat zwischen Gegenwart und Zukunft lernt man in Salzburg ohnehin besser als anderswo in der europäischen Fußballwelt. An kaum einem anderen Standort geht es so häufig darum, wer wohin gegangen ist, gehen wird oder noch gehen könnte, ganz egal ob auf der Spieler- oder der Trainerposition. Im vergangenen Sommer allein verabschiedeten sich neben Adeyemi in Brenden Aaronson, Mohamed Camara, Rasmus Kristensen und Maximilian Wöber vier weitere Stammspieler der Mannschaft, die unter Jaissle gerade die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte gespielt hatte, mit einem Punktrekord in der Liga und dem österreichischen Double sowie dem ersten Achtelfinaleinzug in der Champions League.

"Das zu wiederholen, ist einfach extrem schwer", sagt Jaissle daher über sein zweites Jahr, in dem nicht alles so glatt lief: "Vom ersten Spieltag an ist es darum gegangen, zu bestätigen, und nicht mehr darum, eher ungewöhnliche Ausreißer nach oben zu haben." Jaissle spricht zwar von "positivem Druck", anders als an Standorten, an denen es gegen den Abstieg geht. Aber der Druck ist höher denn je im erfolgsverwöhnten Voralpenland, wo Salzburg im Pokal-Viertelfinale im Elfmeterschießen scheiterte, in der Europa League gegen die AS Rom ausschied und in der Liga in Sturm Graz und dem Linzer ASK zwei Konkurrenten eine so hervorragende Saison spielen, dass die Meisterschaft umkämpft ist.

Die aktuelle Saison nennt Jaissle "wichtig für meine persönliche Entwicklung als Trainer und Mensch"

Am Sonntag geht es für Jaissle im Spitzenduell gegen Graz um einen Meistertitel, mit dem er endgültig mehr wäre als bloß ein sogenanntes Trainertalent. Mit der richtigen Mannschaft können junge Trainer schnell erfolgreich sein, sie gelten dann als Taktikgenies und meisterhafte Menschendeuter, das alles wurde Jaissle schon bescheinigt. Aus seinem zweiten Jahr im Profigeschäft hat er andere Lehren gezogen: "Das Drumherum spielt eine große Rolle", sagt er: "Für mich war im zweiten Jahr wichtig, dass ich meiner Linie treu bleibe, auch wenn mal Kritik kommt. Ich glaube, das war sehr wichtig für meine persönliche Entwicklung als Trainer und Mensch."

Die familiäre Atmosphäre am Red-Bull-Heimatstandort Salzburg lobt Jaissle zwar, aber sie hat auch ihre Einschränkungen: Einerseits, weil der Kader unter keinen Umständen durch erfahrene Spieler ergänzt wird - "da brauche ich mit Christoph Freund (Sportdirektor; Anm. d. Red.) auch gar nicht darüber sprechen". Andererseits, weil die Meisterschaft als Mindestziel dennoch erwartet wird: "Wenn man im Alter von 18 Jahren vor voller Hütte gegen Sturm Graz um die Meisterschaft spielt, dann kann man daraus viel lernen - das ist eine einzigartige Situation, die wir hier in Europa bieten für junge Spieler."

Und für Trainer, könnte man anfügen. Jaissle hat in seinem zweiten Jahr an Profil gewonnen, auch deshalb wäre ein Wechsel nach Deutschland nun realistischer als noch im Vorjahr. Eine Ausstiegsklausel, über die immer wieder berichtet wird, bestätigt man bei RB zwar nicht. Die vergangenen Jahre lehren allerdings, dass die Salzburger weder Spielern noch Trainern allzu große Steine in den Weg gelegt haben.

Das dürfte auch bei Jaissle der Fall sein, sollte demnächst ein Angebot kommen: An Standorten wie Frankfurt oder Gladbach könnten sich Gelegenheiten ergeben, zu denen ein Trainer vom Profil des ehemaligen Hoffenheimers passen würde, der damals als Spieler von Ralf Rangnick lernte, wie man trainiert - aber auch aus seiner kurzen Karriere mitnahm, dass man sich nicht zu sicher sein sollte.

"Ich habe als Spieler die Erfahrung gemacht, dass ein Karriereplan in dem Job keinen Sinn macht", sagt Jaissle, der seine Laufbahn im Alter von 25 Jahren nach mehreren schweren Verletzungen beenden musste. "Sich mit der Frage zu beschäftigen, was vielleicht mal wäre und was kommen könnte, wäre für mich ein großer Energieverlust", sagt er.

Der Verzicht auf das Schmieden großer Pläne, er ist für Matthias Jaissle ein zentrales Credo. Es ist bloß eines, das in Salzburg oft schwer einzuhalten ist.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusManuel Neuer vor der Rückkehr
:Game of Goals

Thomas Tuchels Lobeshymne auf Manuel Neuer lässt keinen Zweifel daran, wer in der kommenden Saison im Bayern-Tor stehen wird. Die Debatte steht stellvertretend für einen Verein, der nicht nur im Tor schwierige Erbfolgefragen zu klären hat.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: