RB Salzburg:Es fehlen 28 Tore

Lesezeit: 3 Min.

RB Salzburg verliert in Frankfurt mit 1:4. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • RB Salzburg verliert bei Eintracht Frankfurt mit 1:4. Es droht das Aus in der Europa League.
  • Im Winter verließ 28-Tore-Stürmer Erling Haaland den Klub - dazu zwei weitere Stammspieler.
  • Diesmal kann die Mannschaft die Abgänge offenbar nicht kompensieren. In der Liga steht Salzburg auf Platz zwei hinter Linz.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Jesse Marsch will jetzt nicht reden über den Mann, über den in Fußball-Europa gerade alle reden. Über den Mann, der in seinen vergangenen sieben Spielen elf Treffer erzielt hat, der soeben mit zwei Toren den Großklub Paris Saint-Germain frustrierte und der vor kurzem noch Stürmer in seiner, in Marschs Mannschaft war. Jesse Marsch will jetzt nicht reden über Erling Braut Haaland.

"Es geht nicht um die Spieler, die nicht hier sind", sagte der Trainer von Red Bull Salzburg am Donnerstagabend. Hier, das war in dem Fall das Stadion von Eintracht Frankfurt, in dem Marschs Mannschaft im Hinspiel der Europa-League-Zwischenrunde gerade 1:4 verloren hatte. "Es ist ein bisschen eine neue Gruppe, klar, und wir legen den Fokus auf diese Gruppe."

Jesse Marsch ist seit Sommer der Trainer des österreichischen Dauermeisters, und in dieser Funktion erlebt er nun eine merkwürdige Saison und Situation. Bis zur Winterpause galt RB Salzburg als die große Attraktion in Europa, die in der Vorrunde der Champions League beinahe den Titelverteidiger FC Liverpool eliminiert hätte. Jetzt ist RB Salzburg die Mannschaft, die nach einem 1:4 in Frankfurt sehr wahrscheinlich in der Zwischenrunde der Europa League ausscheidet - und die in Österreichs Liga nach dem 2:3 im Spitzenspiel gegen Linz vor einer Woche nur noch auf dem ungewohnten zweiten Platz liegt und Gefahr läuft, erstmals seit 2013 nicht den nationalen Titel zu erreichen.

Europa League
:Eintracht-Fans rufen "Nazis raus"

Weil die Schweigeminute zu den rassistischen Morden in Hanau gestört wird, setzen die Anhänger von Eintracht Frankfurt vor dem Spiel gegen Salzburg ein Zeichen.

Und bei diesem Negativtrend spielen natürlich ein paar Spieler eine zentrale Rolle, die nun nicht mehr bei Marsch sind. Gleich drei schmerzhafte Weggänge gab es im Winter: den von Innenverteidiger Marin Pongracic, 22, nach Wolfsburg, den von Mittelfeldspieler Takumi Minamino, 24, zu Liverpool und vor allem den von Angreifer Erling Braut Haaland, 19, nach Dortmund - nach 28 Toren für Salzburg in der Hinrunde. Somit ist der Klub ein prima Beispiel dafür, wie die Nahrungs- und Karriereketten des globalen Fußballs heutzutage funktionieren.

Nun ist es den Verantwortlichen von RB seit ein paar Jahren bewusst, wo sie in dieser Kette stehen. Dank der Millionen ihres Klubmäzens Red Bull können sie Talente anlocken, diese formen und veredeln, aber recht bald müssen sie diese auch wieder abgeben - weil natürlich kein Spieler, der etwas auf sich hält, auf Dauer gegen Altach oder St. Pölten spielen will. "Jeder Verein in Österreich ist ein Ausbildungsverein", hat Ralf Rangnick, früher selbst Sportdirektor in Salzburg und inzwischen oberster Fußballbeauftragter der Red-Bull-Gruppe, einmal ziemlich treffend gesagt.

So ging etwa 2014 der hochbegabte Angreifer Sadio Mané, 2016 der Stratege Naby Keita, 2017 der Verteidiger Dayot Upamecano. Alltag für Salzburg. Doch in den vergangenen Monaten wurde diese Schraube offenkundig überdreht. Xaver Schlager, Stefan Lainer, Hannes Wolf, Diadie Samassekou, Munas Dabbur - die halbe Achse war schon in der Sommerpause auf einen Rutsch weg, und nun im Winter eben noch einmal ein Trio. Das brachte zwar weit mehr als 100 Millionen Euro und eine weitere Stärkung der Spitzenplatzierung in der europäischen Verkaufstabelle. Aber binnen kurzer Zeit quasi eine komplette Elf inklusive des Frontrunners Haaland zu verlieren, das kostete offenkundig zu viel Substanz. Und vielleicht waren sie in Salzburg auch ein bisschen zu selbstsicher, das ausgleichen zu können, weil sie in den vergangenen Jahren stets neue Talente ausfindig machen konnten.

Salzburgs Trainer Jesse Marsch ist ein eher unkonventioneller und grundsätzlich sehr optimistischer Typ. Aber es ist ihm am Donnerstagabend anzumerken, dass es ihm schwerfällt, die jetzige Situation einzuschätzen. In den vergangenen Woche habe die Mannschaft gut trainiert und gespielt, sagt er, aber in Frankfurt jetzt eben nicht; kein Spieler habe seine Normalform erreicht. Frage: Ist das vor allem ein Kopfproblem? "Ich denke so." Warum ist das so? "Eine gute Frage, ich weiß es nicht." Hat das was mit dem Haaland-Wechsel zu tun? "Nein, und es ist auch nicht nur ein Kopf-Problem."

Es ließen sich auch in der Tat ein paar grundsätzliche Schwachstellen diagnostizieren bei diesem 1:4 gegen Frankfurt. Mehrmals ergaben sich gegnerische Chancen nach simplen Einwürfen in die Tiefe, so wie vor Wochenfrist schon gegen Linz. Und die nachrückenden Frankfurter Offensivspieler hatten recht viel Platz, was der Serbe Filip Kostic zu einem Treffer (56.) und der überragende Japaner Daichi Kamada sogar zu drei Toren nutzte (12./43./53.). Die Abwehrreihe ist traditionell der eher schwächere Teil im Salzburger Tempofußball, aber nun scheint ihr besonders die Stabilität zu fehlen.

"Das ist nicht einfach jetzt, aber das ist Profifußball", sagt Trainer Marsch also: "Für mich ist es wichtig, dass der Trainer am besten ist, wenn die Situation schwer ist. Wenn die Situation einfach ist, sind wir alle gute Trainer."

Das Elfmetertor zum 1:4 kurz vor Schluss hat immerhin etwas Hoffnung gegeben fürs Rückspiel in einer Woche in Österreich, und in der Liga sind auch noch ein paar Spieltage Zeit, um das erste meisterlose Jahr seit 2013 zu vermeiden. Aber eines weiß Marsch bereits: dass es auch im Sommer wieder Weggänge geben dürfte. Spieler wie den Angreifer Patson Daka oder den Mittelfeldmann Enock Mwepu sieht er schon bereit für den nächsten Schritt.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klaus Gjasula
:"Manchmal nennen sie mich Spartacus"

Paderborns Klaus Gjasula trägt seit Jahren einen Kopfschutz. Im Interview spricht er über befreitere Kopfballduelle und warum er glaubt, dass er wegen des Helms mehr gelbe Karten sieht.

Interview von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: