Österreichische Liga:Ein Jäger, der gejagt werden möchte

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Auf dem Weg in die Champions-League-Gruppenphase: Maurits Kjaergaard (rechts), Schütze zum zwischenzeitlichen 2:0, und die Salzburger setzten sich 2:1 gegen Twente Enschede durch. (Foto: Wassmuth/Fotostand/Imago)

Nach über einem Jahrzehnt der Salzburger Dominanz hat sich in Österreich etwas verschoben: Hoffnungen auf den Meistertitel können sich in dieser Saison mehrere Klubs machen – außer RB findet in seine alte Rolle zurück.

Von Felix Haselsteiner

Erstaunlich wohl fühlten sie sich, die Salzburger, in ihrer eigentlich über lange Jahre verhassten Position. Die Champions-League-Qualifikationsspiele zählen nicht zu den ruhmreichen Kapiteln der Vereinsgeschichte, weil in der Bilanz der vergangenen 15 Jahre eher berühmt-berüchtigte Niederlagen gegen Vereine wie F91 Düdelingen vermerkt sind. Auch gegen HNK Rijeka und zweimal gegen Malmö FF wurde die Qualifikation einst verspielt, bevor eine neue Serie begann, eine aus Salzburger Erfolgen in der Königsklasse, die sie sogar in den Rang der Mannschaften brachte, die sich ein Ticket für die große Klub-WM der Fifa im kommenden Jahr erspielten.

Weil der Meistertitel in Österreich inzwischen eine garantierte Einladung in die Gruppenphase der Champions League beinhaltet, hatten die Salzburger in den vergangenen Jahren deutlich weniger Sorgen zu Beginn der Saison. Sie hatten nichts mehr zu tun mit Düdelingen und Rijeka – bis sie auf einmal nicht mehr Meister wurden.

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Am Dienstagabend konnte sich nun aber die Mannschaft von Sturm Graz einen entspannten Fernsehabend machen. Die Champions-League-Hymne, sie wird in Österreich dieses Jahr ganz sicher im Klagenfurter Wörthersee-Stadion laufen, was damit zu tun hat, dass der Steirer Meister seine Heimspiele aufgrund der Uefa-Regularien nicht in Graz spielen kann. Gewisse Indizien – wie ein 2:1 im Hinspiel gegen Twente Enschede – sprechen zwar auch für eine Salzburger Teilnahme, doch in erster Linie bedeutet die Saison 2024/25 einen Rollentausch im österreichischen Fußball: Aus Gejagten sind wieder Jäger geworden – und andersrum.

Die Salzburger Übermacht, sie ist beendet worden von einem Grazer Sturmlauf, der eine Konstellation hinterlassen hat, die mit der der Bundesliga in Deutschland vergleichbar ist. So wie sich Leverkusen mit einer kaum verschlechterten Mannschaft fragt, warum man nicht eigentlich noch eine Schale holen sollte, so fragen sich auch die Grazer, ob sie nicht noch einmal dem finanziell übermächtigen RB-Fußball eins auswischen können, der mal wieder mit ein paar Fragezeichen in die Saison startet.

Trainer Pepijn Lijnders soll dem RB-Fußball wieder frisches Leben einhauchen

In Graz hat sich – bis auf den vor Kurzem zu Hoffenheim gewechselten linken Außenbahnspieler Alexander Prass – im Wesentlichen nichts verändert, vor allem nicht auf der Trainerposition, wo in Christian Ilzer einer der Hauptarchitekten des Erfolgs geblieben ist. Nach Salzburg haben sie stattdessen einen Hauch von Jürgen Klopp geholt: Pepijn Lijnders heißt der Mann, der dem RB-Fußball nach einem Krisenjahr – eingeleitet vom sehr kurzfristigen Abschied des Trainers Matthias Jaissle nach Saudi-Arabien und dem eher mittelfristigen Abschied von Christoph Freund nach München – wieder frisches Leben einhauchen soll.

Lijnders war ein hervorragender Co-Trainer in Liverpool, nun hat er Chefaufgaben zu erfüllen, in einem Verein, dessen Ansprüche gerade national schwer zu erfüllen sind: Salzburg hat sich als Standort der Mission verschrieben, Generation um Generation an Spitzenfußballern zu entwickeln – und gleichzeitig Meister zu werden und in der Champions League zu spielen. Dass diese beiden Missionen nicht immer miteinander zu verbinden sind, zeigte die vergangene Saison.

Es waren schließlich nicht nur die Grazer, die näher gekommen sind. Der Linzer ASK, Rapid Wien, Austria Klagenfurt – zahlreiche Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte schafften in der vergangenen Spielzeit Erfolge gegen den Branchenprimus, die ein Jahrzehnt lang nur äußerst selten gelungen waren. Und das knappe Salzburger 3:2 gegen den frisch aufgestiegenen Grazer AK vom vergangenen Freitag – dem ersten Spieltag der neuen Saison in Österreich – hat nicht unbedingt dazu beigetragen, dass Lijnders’ neue Mannschaft sich wieder den Ruf der Unnahbarkeit an der Spitze erarbeitet.

Österreichs Liga hat in den vergangenen Jahren immer wieder danach gestrebt, kompetitiver und unterhaltsamer zu werden – nun scheint es so weit zu sein. Die Salzburger Hegemonie wurde sogar mit einer Reform des Modus bekämpft (im Winter wird die Liga geteilt, die Punkte werden halbiert, das Feld rückt näher zusammen), und am Ende gelang es dem Konkurrenten aus Graz, das RB-Konzept mit hungrigen Talenten so gut zu kopieren, dass sie sogar das Original übertrumpften. Ansätze dieser gesamtösterreichischen Einsicht, dass die Kopie des Besten vielleicht doch der richtige Weg sein könnte, gibt es inzwischen ligaweit, unter anderem bei den stolzen Wienern von Rapid.

Wer allerdings den Salzburgern auf der europäischen Bühne gegen Enschede zusah, erkannte auch eine Mannschaft, die sich ihre Dominanz zurückerarbeiten möchte. Die bestrebt ist, unter neuen Einflüssen den alten Gedanken vom intensiven Fußball noch einmal neu zu erfinden, und dafür die spielerischen und personellen Voraussetzungen hat. So wie es durchaus möglich ist, dass die berühmte Hymne im Jahr 2024 noch im Walser Stadion außerhalb von Salzburg erklingt, so ist Lijnders als Cheftrainer sein erstes Meisterstück durchaus zuzutrauen: um die Rolle des Gejagten, der zum Jäger wurde, zu revidieren.

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