Champions League:Salzburgs wackliges Gerüst

SOCCER - BL, RBS vs Wattens SALZBURG,AUSTRIA,31.OCT.20 - SOCCER - tipico Bundesliga, Red Bull Salzburg vs WSG Tirol. Ima; rb salzburg, dominik szoboszlai

Dominik Szoboszlai sprintet noch im Trikot von RB Salzburg - könnte im Winter aber schon weg sein.

(Foto: imago images/GEPA pictures)

Die unerfahrene und wilde Elf des Bayern-Gegners kann auf allerhöchstem Niveau Fußball spielen. Doch der Aufwand dafür ist enorm - und im Winter droht erneut ein Personalabbau.

Von Felix Haselsteiner

Dass es am Ende Jakob Jantscher war, der RB Salzburg eine der empfindlicheren Niederlagen der vergangenen Jahre zufügte, lässt sich durchaus als Pointe des Fußballgeschäfts festhalten. Der ehemalige österreichische Nationalspieler, mittlerweile 31 Jahre alt und in Diensten von Sturm Graz, traf am vergangenen Samstag zweimal und war damit der entscheidende Mann auf Seiten der Grazer, die dem Branchenprimus aus Salzburg eine 1:3-Pleite zufügten. Es war die deutlichste Liga-Niederlage in der Amtszeit von RB-Trainer Jesse Marsch.

Das alles bekommt dadurch eine historisch pointierte Ebene, dass Jantscher und die Salzburger eine gemeinsame Vergangenheit haben, die ein wenig darüber erzählt, aus welchen Regionen der Champions-League-Gegner des FC Bayern eigentlich kommt - und wo er sich aktuell befindet. Jantscher nämlich wechselte 2010 für eine Ablösesumme von 1,3 Millionen Euro aus Graz zum damals von Huub Stevens trainierten Bullenklub, der in jenen Jahren eine recht simple Strategie verfolgte: alle österreichischen Talente aufkaufen, ein paar erfahrene Spieler dazu holen, die Liga gewinnen und international Jahr für Jahr eine Rolle spielen. Der Plan scheiterte an zu wenig Inspiration von namhaften Trainern, die Talente wie Jantscher nicht weiterentwickeln konnten - und auch ein wenig an Vereinen wie F 91 Düdelingen, die den erhofften Durchbruch der Mateschitz-Elf in die Champions League regelmäßig schon in der Qualifikation verhinderten.

Heute ist Salzburg in Europa eine der erfolgreichsten Talentschmieden, scoutet weit über die österreichischen Landesgrenzen hinaus, hat einen Trainer, der junge Spieler stets weiterentwickelt, die erst in der Akademie ausgebildet werden und später in der Champions League Erfahrungen sammeln können.

Es gibt Interessenten für Patson Daka und Dominik Szoboszlai

Und doch spielt Jakob Jantscher nun wieder eine Rolle, weil er die feinen Fehler des Konstrukts aufzeigt: Die unerfahrene, wilde, aber manchmal eben noch naiv wirkende Salzburger Elf hat in diesem Jahr mit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen, als ihr lieb sein dürfte. Marschs Salzburger können auf allerhöchstem Niveau Fußball spielen, das haben zuletzt vor allem die ersten 70 Minuten des Hinspiels gegen den FC Bayern (2:6 nach 2:2) bewiesen. Aber sowohl auf europäischer Ebene als auch in der Liga muss Salzburg extrem viel Aufwand betreiben, sodass dann manchmal bereits zwei Jantscher-Tore reichen, um das Gerüst ins Wanken zu bringen. Mit Dominik Szoboszlai, dem aktuell verletzten Torjäger Patson Daka und einigen anderen sehr talentierten jungen Spielern funktioniert das System zwar, doch die Frage ist mal wieder: wie lange noch?

Szoboszlai, 20, wird wohl in der Winterpause wechseln, auch für Daka gibt es Interessenten, er dürfte wohl eher wegen seiner Verletzung bleiben als aufgrund der Perspektive. Denn: Salzburg wird in der zweiten Saisonhälfte vermutlich erneut nicht mehr Champions League spielen - alles andere reicht Spielern der Kategorie Szoboszlai nicht.

Was den Salzburgern dann bleiben wird, ist wie schon im Januar 2020, nach dem Weggang von Erling Haaland (Dortmund) und Takumi Minamino (Liverpool), ein Konstrukt aus etablierten, aber eben nicht der europäischen Elite entsprechenden Spielern - wie Innenverteidiger Andre Ramalho oder Zlatko Junuzovic. RB wird dann vermutlich erneut die Liga gewinnen, aber mehr nicht. Der Plan, bester Ausbilderklub in Europa zu werden, hat funktioniert und Salzburg etabliert. Doch in Zeiten, in denen Talente ihre nächsten Schritte am liebsten schon nach einem halben Jahr auf hohem Niveau machen, dürfte es schwer werden, mit dieser Strategie auf Champions-League-Ebene irgendwann über die Kategorie "Teilnehmer" hinauszukommen.

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