RB Leipzig:Enttäuscht, verbittert, zornig

Union Berlin - RB Leipzig / 03.12.2021 Leipzig, 03.12.2021, Alte Försterei, Fussball Bundesliga, 14. Spieltag , 1. FC U

Tyler Adams stellte sich in Berlin dem Frust der mitgereisten Leipziger Fans.

(Foto: Roger Petzsche/Picture Point LE/imago)

Nach dem 1:2 bei Union Berlin droht Leipzig die Saison früh zu entgleiten. Klub-Boss Oliver Mintzlaff richtet drastische Worte an sein Team - und erhöht den Druck auf Trainer Jesse Marsch.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es gibt sie, die Fans der noch jungen Bundesliga-Unternehmung RB Leipzig, und so wie Fans an anderen Orten sehen auch sie ihre Mannschaft allwöchentlich in einer Bringschuld. Am Freitagabend, im Stadion An der Alten Försterei in Köpenick, konnte man das gut sehen; die Fans der Leipziger waren dort auf der Zinne. Zumindest im übertragenen Sinne. Im Wortsinn waren sie nach Ende der Partie bloß auf den Zaun des Gästeblocks geklettert, enttäuscht, verbittert, zornig. Und auch wenn man nicht hören konnte, was sie riefen, weil die Union-Fans den 2:1-Sieg gegen die Leipziger zu laut feierten, so konnte man ob ihrer Körpersprache sicher sein, dass sie mindestens so outspoken waren wie der Chef des Betriebs, Oliver Mintzlaff. "Das war ein beschissenes Spiel", wütete der sonst so fein artikulierende Geschäftsführer.

"Desolat", "katastrophal" - das waren andere Attribute, mit denen Mintzlaff die Leistung seiner Mannschaft bedachte. Sie trafen den Kern der Darbietung. Ins Spiel kamen die Leipziger aus einem einzigen Grund: Weil Unions Torwart Andreas Luthe sich einen brutalen Konzentrationsfehler leistete und beim Stand von 1:0 einen Schuss von Christopher Nkunku, der gar nicht so schwer zu halten zu sein schien, über sich hinweg hüpfen ließ (13. Minute). Zuvor hatten die Unioner, wie man so schön sagt, den Leipzigern den Schneid abgekauft, und waren nach einer wunderbar choreographierten Ecke in Führung gegangen - durch Taiwo Awoniyi (6.), der wie von einer höheren Macht gesegnet aufspielt; er hat nun schon neun Saisontore erzielt. Auch das Tor zum 2:1-Endstand folgte einer Ecke. Unions Linksverteidiger Niko Gießelmann passte in den Rückraum, die Leipziger Abwehr passte nicht auf, ein wahrlich nicht sonderlich einschüchternder Schuss von Max Kruse wurde von Konrad Laimer abgefälscht und schließlich von Timo Baumgartl aus kurzer Distanz ins Tor geschossen.

Bundesliga - 1. FC Union Berlin v RB Leipzig

Dirigiert sein Team zurzeit erfolgreich in die obere Tabellenregion: Unions Spielmacher Max Kruse.

(Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Ansonsten wirkte Union wieder wie eine Mannschaft, die weiß, was sie will und die klaren Ideen des Trainers - Urs Fischer - umsetzte und vor allem am Ende so viele Chancen erspielte, dass Leipzig mit der knappen Niederlagen richtig gut bedient war. Leipzig hingegen spielte neuerlich wie ein Team, das etwas anderes wollte als der Coach, in diesem Fall Jesse Marsch. Und da sich dieser Eindruck nicht zum ersten Mal in dieser Saison aufdrängte, konnte der Umstand, dass Marsch gerade wegen Corona in häuslicher Quarantäne ist, nicht als mildernd herhalten. In der Summe setzte sich Union mit nun 23 Zählern im oberen Drittel der Tabelle fest; Leipzig hingegen rutschte nach nur 18 Punkten aus 14 Spielen ins graue Mittelfeld ab. Mit einem "der drei, vier besten Kader der Liga", wie Mintzlaff bemerkte, fuhr Leipzig drei Niederlagen in Serie ein - in Hoffenheim, gegen Leverkusen, nun in Köpenick.

"Wir werden nicht bis Weihnachten warten", sagte Mintzlaff

"Wenn man Leipzig so bespielt, wie wir es getan haben, dann zeugt das davon, dass wir guten Fußball im Moment spielen. Wir stehen nicht zu Unrecht da oben", sagte Unions Spielmacher Max Kruse. Seine Mannschaft kann nun mit Selbstvertrauen in das letzte Conference-League-Gruppenspiel gegen Slavia Prag gehen (Donnerstag, 21 Uhr). Es geht dort um den Einzug in die K.-o.-Phase. Leipzig empfängt am Dienstag (18.45 Uhr) hingegen Manchester City in der Champions League - und muss da den dritten Platz sichern, um die Qualifikation für die Europa League zu sichern.

Ob mit oder ohne Marsch, ist eine Frage, die aktuell wohl nur an der noch nicht abgeklungenen Corona-Infektion des Trainers aus Wisconsin/USA hängt. Auch Assistent Achim Beierlorzer muss wie weitere Trainerteam-Mitglieder seit einigen Tagen auf Freitestung hoffen, am Freitag bedeutete dies, dass der dritte Coach, Marco Kurth, den Feldkommandanten geben musste. Ohne Fortune.

Von Oliver Mintzlaff kam in Sachen Marsch allerdings auch ein Satz, der hellhörig machte. "Das ist jetzt eine schwierige Phase", sagte der Boss, "aber wir werden jetzt auch nicht den Kopf in den Sand stecken und irgendwie warten, bis Weihnachten ist und hoffen, dass es im neuen Jahr dann wieder besser wird." Wackelt also Marsch? Gute Frage. Die Geschichte von RB Leipzig ist so kurz und war bislang sportlich so erfolgreich, dass es keine Präzedenzfälle für Krisen gibt. Es war Mintzlaff, der ihn als Coach ausgewählt hatte, nachdem Julian Nagelsmann für den FC Bayern freigegeben wurde. Den Gesetzen der Branche zufolge aber hat Marsch nicht mehr allzu viele Patronen im Gurt - wobei Mintzlaff ausdrücklich auch die Mannschaft in die Pflicht nahm. Es gehe nun darum, die "richtigen Schlüsse zu ziehen", sagte Mintzlaff. Doch am Freitag klang er arg danach, dass das die Konsequenzen allmählich zu einer Frage der Zeit werden.

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