Die Champions League meint es gerade nicht gut mit RB Leipzig, im Gegenteil. Sie ist nun sogar dazu übergegangen, das Konstrukt ironisch zu verhöhnen.
Ausgerechnet Nicolas Kühn war am Dienstagabend so frei, den Untergang der Leipziger bei Celtic Glasgow (1:3) mit zwei Toren für die Schotten in die Wege zu leiten. Kühn dürfte der breiten deutschen Fußball-Öffentlichkeit unbekannt sein – zu Prominenz brachte er es aber nicht nur in seinem niedersächsischen Geburtsort Wunstorf. Sondern einst auch in jener Nachwuchsabteilung von RB Leipzig, die Ende September vom faktischen Klub-Boss Oliver Mintzlaff in einem Kicker-Interview mehr oder weniger als unproduktives Millionengrab abgekanzelt wurde.
Kühn, 24, war in der RB-Akademie von 2015 bis 2018 in den Leipziger Mannschaften der U17 und U19 aktiv – und damals als „neuer Mario Götze“ auffällig genug geworden, um für sich Anschlussverwendungen bei den Reserveteams von Ajax Amsterdam und dem FC Bayern zu finden, ehe er über Erzgebirge Aue und Rapid Wien sein persönliches Nirwana im Celtic Park fand. Und nun, nach der Hälfte der Vorrundenspieltage der Champions League und trotz der demütigenden 1:7-Pleite unlängst bei Borussia Dortmund, hat er mit Celtic sogar gute Chancen, die Gruppenphase zu überstehen.
Ganz im Gegensatz zu RB Leipzig - einem ambitionierten Klub, der in der Champions League „die Phase (…), nur am Wettbewerb teilzunehmen“, schon vor geraumer Zeit hinter sich gelassen hatte, wie es Mintzlaff im erwähnten Interview formuliert hatte. Nach null Punkten aus vier Spielen läuft RB nun aber ernsthaft Gefahr, sich Ende Januar aus Europa zu verabschieden. Denn bis zur letzten Vorrundenpartie bei Sturm Graz stehen noch herausfordernde Spiele bei Inter Mailand, gegen Aston Villa und Sporting Lissabon an.
Mintzlaffs Worte dürften RB wie ein Fluch durch diese Saison begleiten
Wie diese Partien ausgehen, ist ungewiss. Gewiss ist, dass die – von teilweise bemerkenswerter Selbstgerechtigkeit getragenen – Töne des Konzern-Sporthäuptlings Mintzlaffs nachhallen. Zu vermuten steht, dass sie RB Leipzig wie ein Fluch durch die Saison begleiten werden. Mit jeder Niederlage, ob klein oder groß, werden die Urteile des RB-Bosses aufpoppen wie lästige Werbefenster aus dem Internet, die erst mal wieder weggeklickt werden müssen. Klagte Mintzlaff nicht, dass RB Leipzig „noch nie da“ war, „wenn sich eine Lücke auftat“, weil Titelkonkurrenten schwächelten? Korrekt, und siehe, diese Worte scheinen nun zur selbsterfüllenden Prophezeiung zu mutieren: Am vergangenen Wochenende verlor Leipzig trotz 1:0-Führung beim gerade elend kriselnden BVB aus Dortmund 1:2 – und verpasste damit (Achtung, Lücke!) den möglichen vorläufigen Sprung an die Tabellenspitze.
Apropos Dortmund: Sagte Mintzlaff nicht auch, dass die Borussia vorige Saison gezeigt habe, dass man es bis ins Champions-League-Finale schaffen kann, „wenn du an dich glaubst, Mentalität hast und auch den richtigen Kader“? Tja: Celtic 3, Leipzig 1. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Mintzlaff am Bau des Leipziger Kaders zweifelt – als RB-Aufsichtsrat ist er ja eine Art Kaderbauherr –, blieben als mögliche Erklärungsmuster Fragen der Mentalität. Und ein paar prominente Weggänge (z. B. Dani Olmo) und aktuelle Ausfälle (z. B. Xavi Simons) haben gereicht, um zu zeigen, dass die kickende Belegschaft in Sachsen vielleicht doch nicht so überragend ist, wie man am Konzernsitz in Fuschl am See meint.