RB Leipzig:Leipzigs böse Jungs sind bereit für Europa

RB Leipzig - Bayer 04 Leverkusen

Nach der jüngsten Formkrise wieder da: RB Leipzig (hier mit seinem Top-Stürmer Timo Werner)

(Foto: dpa)

Von Sebastian Fischer, Leipzig

Vorige Woche hat der Milliardär Dietrich Mateschitz ein Interview über die Weltenlage gegeben; kaum ein Thema, das der Red-Bull-Gründer im Gespräch mit der Kleinen Zeitung aus Österreich nicht streifte. Für Flüchtlinge hätten die Grenzen geschlossen werden müssen, sagte er zum Beispiel. Sie passen wohl nicht in die Zielgruppe fürs Limonaden-Marketing.

Auch zum Thema Fußball hielt er eine These bereit: Der von ihm finanzierte Bundesligist RB Leipzig sei im Vergleich mit dem FC Bayern "wie ein Rekrutenbataillon gegen römische Söldner in ihrer vorletzten Schlacht". In Leipzig mögen sie solche ambitionierten Sätze. Sie passen ja nun auch wieder zum sportlichen Geschehen.

Am Samstag, nach dem 1:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen, stand der RB-Sportdirektor Ralf Rangnick mit der Gelassenheit eines Siegers in den Katakomben des Leipziger Stadions, und weil er mit der Gegenwart derart zufrieden war, sprach er schon mal über die Zukunft. Er redete über das von den Young Boys Bern verpflichtete Torwarttalent Yvon Mvogo und sagte, ihm würden demnächst weitere Neue folgen. Für die Ansprüche der kommenden Saison sei der Kader zu dünn besetzt: "Es geht darum, dass wir den einen oder anderen mehr brauchen, wenn wir international spielen."

Es war ja so: Der Jubel nach dem Schlusspfiff, nach dem späten Siegtreffer von Yussuf Poulsen in der dritten Minute der Nachspielzeit, klang schon sehr nach Champions League. Und auch die Erklärungen des Ergebnisses, die Rangnick und Trainer Ralph Hasenhüttl vortrugen, sollten die Fähigkeiten der Mannschaft unterstreichen, den begehrtesten aller Wettbewerbe im Fußball zu erreichen. Freilich ohne diesen Wettbewerb beim Namen zu nennen.

Einige Leipziger haben sich zu Bad Boys auf dem Platz entwickelt

Hasenhüttl sagte, dass die Mannschaft ein Tal durchschritten habe, wie es ihr niemand zugetraut hätte - nach drei Spielen ohne Sieg in Serie im März hat Leipzig nun innerhalb von sieben Tagen drei Spiele gewonnen. Macht sieben Punkte Vorsprung auf den Dritten Hoffenheim. Das Siegtor zu einem Zeitpunkt, zu dem er sich bereits mit einem Nullnull abgefunden hatte, verdeutliche den Willen der Mannschaft, sagte Hasenhüttl. Und Rangnick erklärte, das Team habe eine neue Entwicklungsstufe erreicht: "Auch wenn sie gute Jungs sind, haben sich einige auf dem Platz zu Bad Boys entwickelt. Sie lassen sich nichts gefallen."

Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Uefa die Europapokalteilnahme der Leipziger an ein paar Bedingungen knüpft, auch wenn sie das bei RB routiniert abmoderieren. Dabei geht es um Mateschitz' Millionen und die Financial-Fairplay-Regelung. Laut Jahresabschluss 2015 hat der Verein gegenüber Red Bull Verbindlichkeiten in Höhe von 52,38 Millionen Euro. Und es geht um die Nähe zum Red-Bull-Klub aus Salzburg. Ein Rechtsanwalt und Lizenzierungsexperte sagte dem WDR, eine Zulassung beider Klubs zur Champions League wäre ein sportpolitisches Desaster.

Leipziger Choeografie gegen Diskriminierung und Homophobie

Klar ist jedoch die sportliche Eignung der Leipziger. In der ersten Viertelstunde spielten sie Leverkusen - zwar in der Bundesliga nur Mittelmaß, aber immerhin Achtelfinalist in der Champions League - an die Wand. Den Schweden Emil Forsberg dabei zu beobachten, wie er sich an seinen Gegenspielern vorbei wand und mit tiefen Pässen neue Räume erschloss, war mal wieder ein Genuss. Und die Leistung des Mittelfeldspielers Stefan Ilsanker als Rechtsverteidiger stand beispielhaft für Hasenhüttls Konzept, seinen Spielern das Leipziger System so zu lehren, dass sie darin mehrere Positionen bekleiden können.

Die Mannschaft profiliert sich in der entscheidenden Saisonphase; ähnlich übrigens wie die oftmals belächelten Leipziger Fans, die mit einer regenbogenfarbenen Choreografie gegen Diskriminierung und Homophobie im Fußball protestierten.

Nach der fulminanten Anfangsphase von RB fingen sich die Leverkusener, weshalb ihr Interimstrainer Tayfun Korkut hinterher sagte, er lasse sich die gute Leistung durch das Ergebnis nicht schlechtreden. Bayer, in einer verkorksten Saison noch nicht frei von Abstiegssorgen, machte eines seiner besten Spiele, Leipzig verteidigte konzentriert. Doch als Leipzigs Willi Orban nach wiederholtem Foulspiel in der 88. Minute mit Gelb-Rot vom Platz musste, wandelte sich der Leverkusener Mut in Übermut. Die Verteidiger rückten zu weit auf, und Forsberg, der mit 14 Vorlagen beste Torvorbereiter der Liga, spielte einen letzten Pass in die Mitte zu Poulsen.

Irgendwann wieder Bayern-Herausforderer

Der Stürmer ist der für Leipzigs Pressing unerlässliche Dauerläufer und Zweikämpfer. Im Spiel unter der Woche gegen Mainz hatten ihn Ganzkörperkrämpfe geplagt, die Folgen einer langen Verletzungspause. Nun reichte es für zwanzig Minuten und die entscheidende Grätsche, mit der er Forsbergs Pass an den Innenpfosten und ins Tor lenkte. Es folgte die bereits wie eingeübt wirkende Leipziger Jubel-Ekstase.

Es gab mal eine Zeit, erinnerte Hasenhüttl am Samstag, in der er auf Niederlagen des FC Bayern gehofft habe. Er meinte die Hinrunde, als Leipzig Tabellenführer gewesen war. Doch es sieht so aus, als würden diese Zeiten wiederkommen, irgendwann, vielleicht bald. Oder wie es der Kosmopolit und Hobby-Historiker Mateschitz ausdrücken würde: Die Rekruten sind bereit für die nächste Schlacht. Man darf davon ausgehen, dass er sie dafür wappnen wird.

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