RB Leipzig:Leipziger Fans fürchten Stadion-Neubau

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Das ehemalige Zentralstadion im Jahr 2005 - damals noch ohne Red Bull

(Foto: Lutz Bongarts/Getty)

Bundesligist RB Leipzig erwägt aus Vermarktungsgründen, eine neue Arena zu bauen. Doch das Stadion mitten in der Stadt liegt vielen Zuschauern am Herzen.

Von Saskia Aleythe

Es war das erste Heimspiel gegen Borussia Dortmund, als sich eine riesige Plane über die Leipziger Fans zog. "60 Jahre bist du alt und endlich wieder erstklassig", wurde da in großen Buchstaben als Botschaft in die Bundesliga transportiert. RB-Gegner verhöhnten das als billigen Versuch, einem sieben Jahre alten Verein eine lange Tradition andichten zu wollen. Doch dahinter standen eine ganze Reihe besorgter Fans, die um die Identität ihres Vereins bangen.

Im Grunde hat es sich RasenBallsport Leipzig gerade so richtig schön gemütlich gemacht in der Bundesliga: Der Verein hat zwölf Punkte aus sechs Spielen, ist bisher ungeschlagen und auf Tabellenplatz fünf. Auch die aktive Fanszene holte sich ein paar Fleißbienchen ab, präsentierte sich nostalgisch verliebt in die neue alte Fußballstadt Leipzig. Doch aus Leipzig schwingen nun leichte Disharmonien in den Rest der Republik. Es geht um Banner, die umziehen müssen, es geht um Kommunikation zwischen Verein und Fans, aber noch viel mehr um die Frage: Will der Verein ein neues Stadion bauen?

Hinter der Choreographie zum 60. Geburtstag des ehemaligen Zentralstadions steht die neu formierte "Initiative 60plus", ein Zusammenschluss von bisher rund 200 Fans, denen der derzeitige Standort am Herzen liegt. "Das Stadion ist in der Stadt ein riesiger Identifikationsfaktor", sagt Mit-Initiator Konstantin Preißler, "die Geschichte spielt da eine große Rolle." Bevor das ehemalige Zentralstadion umgebaut wurde, spielte die Nationalmannschaft der DDR dort einst vor 100 000 Zuschauern. Der Verein zieht viele Leipziger nicht wegen Red Bull an, sondern weil er eben Fußball in der eigenen Stadt bietet. 30 Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof entfernt, liegt die Spielstätte so zentral wie wenige andere Bundesliga-Stadien.

Champions-League-Träume mit 70 000 Zuschauern

"Was es jetzt im Umfeld vom Stadion gibt, hat man an einem neuen Standort nicht", sagt Preißler, "alle treffen sich, laufen gemeinsam zum Stadion und danach noch in umliegende Kneipen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Infrastruktur woanders so gegeben sein wird." Die Initiative hofft, in der Problematik eine Stimme zu sein, die gehört wird. Geschäftsführer Oliver Mintzlaff sagte nun der Leipziger Volkszeitung: "Wir machen unsere Entscheidung nicht abhängig davon, ob es dem Trainer, den Spielern, den Fans oder mir in der Red Bull Arena gefällt, sondern welcher Standort gut für die weitere Entwicklung des Vereins ist. Wir müssen - wie jeder andere Klub - möglichst viele Einnahmen generieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben."

Der Verein will sich nach sechs Spieltagen gar nicht mehr mit Klassenerhaltsgedanken aufhalten, wie das Aufsteiger in dieser Saisonphase normalerweise tun. Er denkt größer, Leipzig will heute schon für morgen planen. Über den Tellerrand gucken, nennt man das im Verein und da lugen schon die internationalen Wettbewerbe hervor. Schon seit Monaten geistert das Thema Stadionneubau durch die Szene, Mintzlaff bezeichnete einen Neubau noch Ende September als "Tendenz". Man prüfe derzeit die Optionen, heißt es nun, entschieden sei noch nichts - theoretisch ist auch ein Ausbau des bestehenden Baus denkbar. Doch der gehört dem Unternehmer Michael Kölmel und man investiere "ungern in fremdes Eigentum", meint Mintzlaff. Noch vor dem Jahreswechsel soll der Beschluss verkündet werden.

Aktuell fasst das Stadion knapp 44 000 Zuschauer, gegen Dortmund war es ausverkauft, gegen Gladbach auch, gegen Augsburg schon nicht mehr. Auf etwa 55 000 Plätze wäre die Arena ausbaubar, doch in den Champions-League-Träumen von Red Bull geistern wohl eher Zahlen wie 70 000 oder 80 000. Der Verein hält sich über genaue Probleme und Vorstellungen bedeckt. Aber die Einrichtung von Business Logen und sonstigen VIP-Plätzen ist ein recht gewichtiges Thema. "Wir sind da in der Vermarktung schon limitiert", sagt Mintzlaff. Und die liegt ihm und Red Bull wiederum besonders am Herzen. So sehr, dass man auch 300 Millionen Euro für einen Neubau locker machen würde? "Wenn die Wasserhähne aus Gold sind vielleicht. Wenn wir bauen, bauen wir günstiger", meint er.

Fanszene entdeckt Kräftemessen mit dem Verein

Vermarktung ist gerade ein kleines Reiz-Thema geworden in der Anhängerschaft. Im A-Block, wo früher die Banner bestimmter Fangruppen angebracht waren, soll künftig Werbung hinkommen, die Planen müssen umziehen, entschied die Klubführung. Alternativ-Angebot: der C-Block. Machbar für einen Großteil der Fans. Blöd aber für die rund 80 Mitglieder eines Fanclubs mit recht eindeutigem Namen: A-Block-Bullen.

Eine Fanszene, die sich erst seit ein paar Jahren selbst kennenlernt, entdeckt gerade das Kräftemessen mit dem Verein. Sven Jahn, Mitbegründer der A-Block-Bullen, wurde per Telefon darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Banner seiner Fangruppe weichen muss. 15 Meter lang ist die LKW-Plane, die seit drei Jahren am gleichen Ort in der Red-Bull-Arena hängt. Der Vorschlag, das Spruchband doch auf der anderen Stadionseite aufzuhängen, ist für ihn keine Alternative. "Das ist logistisch viel zu aufwändig, da muss man mindestens zu dritt sein. Und es ist ein Zeitfaktor, wenn man erst ums halbe Stadion rennen muss", sagt Jahn. Zumal die Anhänger ja weiter in ihrem üblichen Bereich der Mannschaft zujubeln wollen - und sich die Botschaft auf dem Banner eindeutig auf ihren Fanclub-Namen bezieht. "Wir werden uns weder umbenennen, noch umziehen", sagt er.

Einen Austausch im Fanverband gab es nicht, obwohl man sich dort regelmäßig auch mit Vorstandsmitgliedern trifft und gerne mal Imbissbudenwürstchen testen lässt, um die Wünsche beim Catering zu erfüllen. "Das ist ein bisschen unglücklich gelaufen", findet Jahn, der noch auf einen Termin mit einem Vereinsverantwortlichen hofft, um eine Lösung zu finden. Generell sei die Kommunikation mit dem Verein bisher gut verlaufen. "Das wurde sauber besprochen", sagt Mintzlaff, "operative Entscheidungen trifft auch in Zukunft der Verein und teilt diese entsprechend mit." Viele Anhänger sehen das durchaus anders.

Gut für den Verein, dass es nun erstmal sportlich weitergeht. Das Auswärtsspiel gegen Wolfsburg steht an am Sonntag, 3000 Leipzig-Anhänger wollen mit in die VW-geprägte Stadt reisen. Vom Wolfsburger Hauptbahnhof bis zur Volkswagen Arena sind es 20 Minuten zu Fuß. 30 000 Plätze sind dort zumeist ausreichend. Bei Tabellenplatz 13 und gerade mal einem Sieg denkt man eher nicht an Größeres.

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