RB Leipzig in der Champions League:Jetzt können die Bayern kommen

Lesezeit: 3 min

Aus er trifft: RB-Abwehrchef Willi Orban (links). (Foto: AFP)
  • RB Leipzig besiegt Porto in der Champions League und fühlt sich bereit für den FC Bayern.
  • In den nächsten Wochen kommt es zu gleich zwei Duellen, in der Liga und im Pokal.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Der Mann, der für den größten Gesprächsstoff gesorgt hatte, obschon - beziehungsweise: weil - er nicht gespielt hatte, entschwand als Erster. Und die gar nicht mal langen Haare waren nach dem Duschen noch nicht trocken, als Iker Casillas in den Katakomben der Leipziger Arena den grauen Reisebus des FC Porto betrat, sich einsam in einen mittigen Sitz verkroch und aufs Handy stierte. Ein einziges Wort simste er einem Freund in Spanien, als dieser sich erkundigte, ob es einen tieferen Grund dafür gegeben hatte, weswegen Casillas nur auf der Bank gesessen hatte - er, der als Weltmeister von 2010 und größte spanische Torwartlegende seit Iríbar, wahrscheinlich sogar seit Zamora, der in den Zwanzigerjahren zu Weltruhm gelangt war, von Real Madrid nach Portugal ins Exil geschickt worden war.

"Descanso", Ruhe also, sei der Begriff gewesen, den ihm Portos Trainer Sérgio Conceição zugeraunt habe, ehe er Portugals dritten Nationaltorwart, José Sá, in Leipzig in Portos Startelf beorderte. Zur Überraschung aller, vor allem aber zum Nachteil seines Teams. Denn dass Porto am Dienstagabend bei RB Leipzig 2:3 verlor und dem Emporkömmling aus Sachsen zum ersten Champions-League-Sieg der Vereinsgeschichte verhalf, hatte auch damit zu tun, dass Casillas nur Statist war.

Offensiv brillante erste 45 Minuten

Eine Rolle spielte das insofern, als José Sá bei der Führung derart kräftig mithalf, dass er nach der Partie mit grimmigem Gesicht und Ohrstöpseln aus der Kabine kam, nach dem Motto: Sprecht mich ja nicht an! In der achten Minute hatte Leipzigs Offensivkraft Bruma aus der Distanz aufs Tor gezielt und José Sá den Ball so tollpatschig von der Brust abprallen lassen, dass sich die Diskussionen über die Frage, ob der Torschütze Willi Orban vor seinem Abschluss passiv im Abseits gestanden hatte, gar nicht erst stellten. Es sei eine "technische Option" gewesen, sagte Portos Coach Conceição nach dem 2:3, und wies den subtil vorgetragenen Vorwurf, er habe eine frivole Entscheidung getroffen, brüsk von sich: "Ich werde nicht für Überraschungen bezahlt, sondern dafür, die beste Elf aufzustellen, und das habe ich getan." Doch darüber konnte man geteilter Meinung sein.

Andererseits: Dass José Sá die Niederlagen einleitete, hieß nicht, dass die Verantwortung für die Niederlage allein in seinen Händen gelegen hatte. Vielmehr war es so, dass die Leipziger unter den rund 40 000 Zuschauern einen ähnlichen Enthusiasmus provozierten wie drei Tage zuvor bei ihrem 3:2-Sieg in Dortmund - wegen der offensiv brillanten ersten 45 Minuten.

"In der ersten Halbzeit haben wir Weltklasse gespielt", behauptete sogar Mittelfeldspieler Kevin Kampl, der zusammen mit Naby Keita im defensiven Mittelfeld den kreativen Nukleus des Leipziger Spiels bildete. Weltklasse war in jedem Fall der zweite Treffer der Leipziger, den der wieder einmal brillante Regisseur Emil Forsberg nach einem wundervoll routinierten Doppelpass mit Marcel Sabitzer erzielte (37. Minute). Und auch das dritte Tor, das Jean-Kévin Augustin (40.) erzielte, war als Frucht des unerbittlichen Pressings der Leipziger Offensivreihe überaus hübsch anzusehen. Jedoch: So ungetrübt, wie sich die Freude bei Kampl anzuhören schien, war die Freude nicht.

Auch er empfand die beiden Gegentore von Vincent Aboubakar (18.) und Iván Marcano (44.) als "kleinen, negativen Beigeschmack". Beim ersten Treffer konnten die Portugiesen gleich zwei Mal einen Einwurf im Strafraum per Kopf verlängern, beim zweiten Tor, das nach einer Ecke entstanden war, standen zwei Portugiesen völlig frei. "Man wird in der Champions League schneller bestraft als in der Bundesliga, daraus werden wir lernen", versprach Forsberg. Und Torwart Gulácsi tat den Wunsch kund, "die Spiele mal etwas ruhiger zu Ende zu spielen", obwohl er sich nach der Partie an keine klare Porto-Chance erinnern konnte. Denn es gab sie nicht.

Auch das half dabei, dass die Leipziger "vollgepumpt mit Selbstvertrauen" aus der Partie gingen, wie Trainer Ralph Hasenhüttl erklärte. Das gefiel ihm mindestens so sehr wie die Rückkehr von DFB-Stürmer Timo Werner, der nach seiner mysteriösen Verletzung der Halswirbelmuskulatur für 15 Minuten eingewechselt wurde - und sich immerhin noch wie ein wandelndes Emoji verabschiedete: mit einem nach oben gereckten Daumen.

Die gute Laune kommt gerade recht: Nach der Visite des VfB Stuttgart am Samstag spielen die Leipziger zwei Mal binnen drei Tagen gegen den FC Bayern, erst im DFB-Pokal (25.10.), dann in der Liga (28.10.). "Wir müssen den Fuß auf dem Gaspedal lassen, weil im Moment sehr viel richtig läuft. Ich habe keine Angst, dass wir auch nur einen Millimeter nachlassen", sagte Hasenhüttl nach einem Triumph, den er "historisch" nannte - und dem er weitere folgen lassen möchte, um die nun wieder große Chance aufs Achtelfinale zu nutzen. Der Trainer dürfte daher in den verbleibenden Champions-League-Spielen auf den Anzug verzichten, den er gegen Monaco und bei Besiktas Istanbul getragen hatte. Am Mittwoch trug er Pulli statt Sakko, er glaubt, dass ihm das Glück brachte: "Der Anzug hatte zwei Chancen, er hat sie nicht genutzt. Jetzt hängt er wieder im Schrank", berichtete Hasenhüttl. Schaden kann das nicht - zumal er kaum darauf bauen kann, dass Casillas beim Rückspiel in Porto (1. 11.) wieder auf der Bank sitzt.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Champions League
:Leipzig zeigt das nächste Spektakel

Und feiert beim 3:2 gegen den FC Porto in einem erinnerungswürdigen Spiel den ersten Sieg in der Champions League. Torwart-Legende Casillas wird überraschend ersetzt.

Von Javier Cáceres

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: