DFB-Pokal:Leipzigs bedrohliche Gier

DFB-Pokal: Stürmer Timo Werner (r.) und Trainer Ralf Rangnick könnten dem FC Bayern gefährlich werden.

Stürmer Timo Werner (r.) und Trainer Ralf Rangnick könnten dem FC Bayern gefährlich werden.

(Foto: AP)
  • RB Leipzig hat zuletzt siebten Auswärtssiege in Serie gesammelt und bereitet sich darauf vor, dem FC Bayern zwei­fach die Saison zu vermiesen.
  • In der Liga könnte das Team von Trainer Ralf Rangnick am 11. Mai entscheidend in den Titelkampf zwischen den Münchnern und Borussia Dortmund eingreifen, wenn es den FC Bayern zum Heimspiel empfängt.
  • Am 25. Mai steht dann das Pokal-Endspiel an, und - der Hamburger SV und Werder Bremen mögen verzeihen - die Prognose ist nicht allzu gewagt, dass Leipzig und der FC Bayern dann erneut aufeinandertreffen werden.

Von Milan Pavlovic

Ein Hauch von Missmut legte sich auf das Gesicht von Ralf Rangnick. "Es war nicht unser bestes Spiel", sagte der Trainer von RB Leipzig und schloss sich in die Selbstkritik mit ein, als er hinzufügte: "auch taktisch nicht". Andere Spieler und Verantwortliche stimmten ins Lamento ein. "Wir sind eine Halbzeit hinterhergelaufen", bilanzierte Co-Trainer Robert Klauß, 34, trotz Halbzeit-Führung. Und Mittelfelddynamo Marcel Halstenberg sprach davon, dass man sich vorgenommen habe, in der zweiten Halbzeit unbedingt zuzulegen und forscher zu agieren. Er setzte das dann schnell selbst vorbildlich in die Tat um, indem er eine feine Kombination mit Emil Forsberg zum zwischenzeitlichen 2:0 in Mönchengladbach abschloss. Zur Belohnung bekam der hungrige Doppeltorschütze von einem Betreuer eine halbe Banane zugesteckt.

Im Gefühl des sicheren Sieges ließ die Spannung bei den Gästen ungewohnterweise ein paar Minuten nach, aber vielleicht war es gerade dieser Wackler, der Rangnick bald wieder grinsen und loben ließ: "Was die Jungs heute von der Einstellung abgeliefert haben, wie sie gefightet haben, wie sie trotz der nicht ganz einfachen Umstände dieses Spiel energetisch bewältigt haben, einfach Hut ab."

Es ist keine gute Nachricht für den Rest der Liga, dass RB Leipzig gelernt hat, auch an mittelprächtigen Tagen Wege zum Sieg zu finden. Wobei "mittelprächtig" vor allem charakterisiert, welche Ansprüche dieser Klub inzwischen an sich selbst hat; die meisten Liga-Konkurrenten würden gerne so mittelprächtig spielen wie Leipzig beim 2:1-Sieg in Mönchengladbach, nicht zuletzt die Borussia selbst. Es ist gerade einmal zehn Spieltage her, da hatte sie als Zweiter fünf Punkte Vorsprung auf die Sachsen. Inzwischen beträgt das Polster zehn Zähler für RB, die zweite Teilnahme an der Champions League ist in der dritten Erstliga-Saison zum Greifen nah. "Das lassen wir uns nicht mehr nehmen, da können Sie fest von ausgehen", sagte Rangnick, der Feierlichkeiten nicht verbot, aber kleinhalten wollte. "Wir feiern vielleicht ein bisschen, aber wir spielen am Dienstag das nächste brutal wichtige Spiel", beim Hamburger SV im Pokal-Halbfinale. "Wir wollen unbedingt (zum Pokalfinale) nach Berlin, und mit dem Sieg heute im Rücken werden wir sicherlich auch am Dienstag alles raushauen."

Rangnicks Ehrgeiz dürfte geweckt sein

Leipzigs Form und Gier ist in erster Linie keine gute Nachricht für den HSV - und mittelfristig auch nicht für den FC Bayern. Dem Tabellendritten ist es am ehesten zuzutrauen, dass er dafür sorgt, dass der Rekordmeister am Saisonende kein Double, ja nicht einmal ein Single feiern kann. Am 11. Mai empfängt RB die Münchner am vorletzten Spieltag - und könnte die Dortmunder Borussia in einen lachenden Dritten mit Meisterschale verwandeln. Am 25. Mai steht dann das Pokal-Endspiel an, und - der Hamburger SV und Werder Bremen mögen verzeihen - die Prognose ist nicht allzu gewagt, dass Leipzig und der FC Bayern dann erneut aufeinandertreffen werden. Rangnicks Ehrgeiz dürfte in diesen Partien besonders geweckt sein, denn gegen keinen anderen Klub hat er so viele wichtige Spiele verloren. (Als Trainer bezwungen hat er die Münchner zuletzt 2005 mit Schalke 04.)

Wohl noch nie standen die Chancen für Rangnick besser. Das Spiel seines Teams wirkt oft wie aus einem Guss, und wären Timo Werner (dreimal), Halstenberg und Yussuf Poulsen nicht so verschwenderisch mit ihren Chancen umgegangen, hätten die Beteiligten noch weniger Grund zur Selbstkritik gehabt. Seit dem unglücklichen 0:1 gegen Dortmund am 18. Spieltag hat der Klub in 14 Pflichtspielen nicht mehr verloren; seit dem ersten Spieltag (1:4 in Dortmund) hat er nach eigener Führung keinen Punkt mehr abgegeben. Und unter dem kommenden Trainer Julian Nagelsmann soll das alles ja noch besser werden.

Aus dieser Selbstsicherheit heraus lässt das Team in der Fremde zurzeit nichts mehr an sich heran, zuletzt gab es sieben Auswärtssiege in Serie. Schmähungen des oft angefeindeten Klubs bringen die Spieler längst nicht mehr aus dem Takt. In Gladbach versuchten es die gegnerischen Fans zunächst mit einem fiesen Geräusch, wann immer die Gäste den Ball hatten. Das klang dann so, als würden Kreaturen des Dschungels gleich den Rasen entern - aber weil die Leipziger ungerührt weiterspielten, als wären sie gegen alles geimpft, wurde es im Stadion für eine Weile erstaunlich ruhig. Die Unbelehrbaren auf den Rängen griffen zum geschmacklosen Mittel der Plakat-Beleidigungen gegen Rangnick. Aber das hatte außer Kopfschütteln und Verhaftungen nur zur Folge, dass sich die vernünftigen Borussia-Fans schämten und entschuldigten. Rangnick reagierte souverän: "Diese Leute wird es auch nicht interessieren, dass ich zwischen meinem sechsten und 18. Lebensjahr in Gladbach-Bettwäsche geschlafen habe."

Um RB Leipzig 2019 zu treffen, bedarf es längst anderer Methoden. Nämlich sportlicher Bestleistungen.

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