RB Leipzig:Effizient durchgeschüttelt

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Leipzig gelingt erstmals ohne Naby Keita ein Bundesliga-Sieg - weil ein neues Duo glänzt: Es geht um zwei junge Stürmer aus Deutschland und Frankreich.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Die neue Saison ist erst sechs Spieltage alt. Doch wenn Leipzigs Kapitän Willi Orban, 24, über das redet, was seiner Mannschaft bislang widerfahren ist, klingt er fast so, als empfinde er Müdigkeit. "Mich überrascht das nicht mehr", sagte Orban, als er auf die Stilmittel angesprochen wurde, die Eintracht Frankfurt in Leipzig ins Feld geführt hatte: eine derart unangenehm defensive Gangart, dass man meinen musste, das Wappentier der Eintracht sei nicht der Adler, sondern die Fledermaus. Die ganz in schwarz gekleideten Frankfurter hatten sich 45 Minuten lang an die Querlatte des eigenen Tores gehängt. Er sei weitgehend unschuldig, ließ Eintracht-Trainer Niko Kovac wissen; seine Maßgabe sei gewesen, dass sein Team schon in der ersten Halbzeit "nach vorn präsenter" hätte sein sollen. Andererseits gestand er natürlich schon ein, dass man zunächst einmal um Deckung bemüht gewesen sei, wie ein Boxer. "Eines ist doch klar: Wir können nicht nach Leipzig kommen, die Handschuhe ausziehen und wegschmeißen, die Gesichtsmaske runterziehen, um dann mit Leipzig in den Ring zu gehen und zu sagen: Wir wollen das Spiel schon in der ersten Halbzeit entscheiden", sagte Kovac. Das Resultat: Die Eintracht konnte das Spiel auch in der späten - zu späten - Drangphase nicht mehr ausgleichen, geschweige denn entscheiden. RB Leipzig siegte verdientermaßen mit 2:1.

Bei Besiktas werde es "noch mal eine andere Hausnummer"

Es war der erste Dreier nach drei sieglosen Spielen für den Zweiten der Vorsaison; Leipzig ist durch den hart erstrittenen Triumph wieder im oberen Tabellendrittel angekommen. Dass die Bestätigung der bemerkenswerten Resultate des Bundesliga-Debütjahrs 2016/17 nicht einfach werden würde, war aufgrund von Erfahrungswerten zu erwarten; doch wie sehr sie darunter leiden, dass die Gegner höhere und dichtere Barrikaden bauen als im vergangenen Spieljahr, scheint die Leipziger noch ein wenig zu überraschen; zumindest klingt es so, als redeten sie über eine kopernikanische Wende.

Ein Habicht im Strafraum: Wenn Timo Werner eine Lücke sieht, schießt er – gegen Frankfurt traf er zum 2:0 per schönem Drehschuss. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Die Eintracht hatte sich in der ersten Halbzeit so tief in der eigenen Hälfte vergraben, dass Leipzig 75 Prozent Ballbesitz hatte. Es gelte "umzuswitchen", sagte etwa Stürmer Timo Werner. In der letzten Saison habe man viele Treffer "nach Kontern und durch Gegenpressing geschossen; jetzt müssen wir uns die Tore richtig herausspielen - ein bisschen wie die Bayern". Weil aber auch die Notwendigkeit besteht, die Kräfte zu dosieren, um der Doppelbelastung aus Bundesliga und Champions League Herr zu werden, sind die Möglichkeiten, sich auf die neuen Begebenheiten und Herausforderungen einzustellen, limitiert. Zwar schüttelte Coach Ralph Hasenhüttl sein Team am Samstag nicht so heftig durch wie in Augsburg, wo er neun Neue brachte. Sechs Wechsel wurden es aber auch gegen Frankfurt, mittlerweile ist Werner der einzige Leipziger, der alle sechs Saisonspiele bestritten hat. Trotz der hohen Wechselfrequenz vollbrachte Leipzig ein Novum: Erstmals holten sie ohne den derzeit gesperrten (und verletzten) Mittelfeldspieler Naby Keita einen Bundesliga-Sieg. Obwohl "noch nicht alles so locker ist, wie wir es in der letzten Saison gespielt haben, vor allem am Schluss", wie Werner bemerkte. Denn als die Frankfurter ihrem fossilen Fußball entsagt hatten, wären sie fast noch zum Ausgleich gekommen.

Am Ende siegte Leipzig auch deshalb, weil sich im Sturm ein Paar gefunden hat, von dem weniger geredet wird, als es angebracht wäre: Timo Werner und Jean-Kévin Augustin. Wie beim 2:2 gegen Mönchengladbach zeichnete das Duo beide Leipziger Treffer - Frankfurt konnte nur das Anschlusstor durch Ante Rebic (77.) entgegensetzen. Augustin traf in der 28. Minute zu seinem zweiten Saisontor; Werner erzielte mit einem Drehschuss ("Die Gewalt macht's manchmal") nicht nur seinen fünften Saisontreffer (67.), sondern machte auch endgültig vergessen, wie er nach einem Traumpass von Emil Forsberg in der ersten Halbzeit im Strafraum bloß in die Luft getreten hatte. "Die zwei verstehen sich wirklich gut, obwohl sie ähnliche Laufwege haben", sagte Hasenhüttl mit Blick auf Augustin und Werner: "Für mich ist das ein richtig gutes Signal, dass sie gut miteinander funktionieren."

Das gilt erst recht mit Blick auf die nächste Aufgabe. Am Dienstag wird Leipzig erstmals einen Champions-League-Auftritt im Ausland bestreiten, der Europa-Neuling tritt bei Besiktas Istanbul an. Von der Atmosphäre im Stadion her sei das "noch mal eine andere Hausnummer", sagte Abwehrchef Orban, und er klang dabei ehrfürchtig, obwohl er am Lauterer Betzenberg groß geworden ist.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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