Süddeutsche Zeitung

RB Leipzig:Die Traditionalisten können kommen

Lesezeit: 3 Min.

Der als Retortenverein verhöhnte RB Leipzig steigt in die Bundesliga auf. Mit viel Geld, aber auch mit einer behutsamen Strategie.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Aus der Sicht von Holger Nussbaum hätte das Szenario kaum besser sein können. Niemandem konnte es besser passen, dass RB Leipzig am Sonntag durch einen von Emil Forsberg (52. Minute) und Marcel Halstenberg (87.) herausgeschossenen 2:0-Sieg (0:0) gegen den Karlsruher SC direkt in die Bundesliga aufstieg - als Tabellenzweiter hinter dem SC Freiburg und mit einer Bierduschen-Zeremonie, die Ralf Rangnick eine Oberschenkelverletzung einbrachte.

Auf der Flucht vor Stürmer Davie Selke stürzte der Trainer böse. Nussbaum war 2009 entscheidend daran beteiligt, dass RB den Weg ins Fußball-Oberhaus beginnen konnte. Dass er gegen den KSC vollendet wurde, hatte eine aparte Note: Nussbaum ist KSC-Fan.

Nussbaum war im Jahr 2009 Team-Manager des SSV Markranstädt, jenem Verein, der fünf Kilometer vor den Toren Leipzigs beheimatet ist - und der RB Leipzig die Oberliga-Lizenz abtrat, ohne die der Aufstieg im Parforce-Ritt nicht möglich gewesen wäre. Für wie viel Geld die Lizenz übertragen wurde, ist bis heute ein gut gehütetes Geheimnis, aber dass der SSV Markranstädt profitierte, ist Fakt, die Sponsorensuche war auf Jahre hinaus kein Thema mehr. Und der Verein wurde in den Medien wahrgenommen, "positiv wie negativ", wie Nussbaum sagt.

Das Negative ist schnell erzählt, es wurde ja schon oft erzählt. Bis heute scheiden sich die Geister an einem Klub, der nur deshalb Rasenballsport Leipzig heißt, weil sich so einigermaßen elegant das Akronym "RB" konstruieren lässt, das auf den Geldgeber aus Salzburg verweist: Red Bull. Gut 100 Millionen Euro soll der österreichische Getränkehersteller des Milliardärs Dietrich Mateschitz, der am Sonntag im Stadion saß, bereitgestellt haben.

Geld verschafft Wettbewerbsvorteile: In den beiden Transferperioden des Jahres 2015 gaben nur je zwei Fußball-Bundesligisten mehr Geld aus als RB Leipzig. Borussia Dortmund und Wolfsburg im Winter, der FC Bayern und Borussia Mönchengladbach im Sommer. Für die kommende Saison wurde der Ingolstädter Trainer Ralph Hasenhüttl verpflichtet, weil der bisherige Coach, Ralf Rangnick, lieber Sportdirektor sein möchte. Der Personaletat soll verdoppelt werden, Stürmer Breel Embolo (FC Basel/19) und Kevin Volland (1899 Hoffenheim/24) sind als Zugänge im Gespräch.

Doch das Geld aus Österreich potenziert auch Vorurteile, insbesondere unter den Anhängern von Vereinen, die sich mit Recht als traditionsreicher fühlen dürfen. Dass sie als Vertreter einer überraschend reinen Lehre auftreten, steht auf einem anderen Papier. Sollte, wer etwa in Braunschweig über die totale Kommerzialisierung à la Leipzig herzieht, tatsächlich zur Trikotwerbung schweigen und sein Vintage-Jägermeister-Shirt verbrennen? Müssten die Hamburger nicht mit der gleichen Verve auf die Zuwendungen von millionenschweren Pfeffersäcken an den Liga-Dino verzichten wie Schalke 04 auf die Putin-Gazprom-Kohle?

In jedem Fall ist man in Leipzig die Debatten über das Engagement aus Österreich satt. Voller Sarkasmus merkte Rangnick dieser Tage an, dass es schon beeindruckend sei, welch Unterstützung ein "Kunstprodukt und Retortenverein" vom Publikum erhalte. Das Spiel gegen Karlsruhe war am Sonntag mit 44 000 Zuschauern ausverkauft. Und es blühte, erstmals bei einem RB-Spiel, auch der Schwarzmarkt.

Nussbaum, den Markranstädter aus Karlsruhe, verwundert das nicht. RB sei nicht mit dem Holzhammer daher gekommen, sondern sei den Aufstieg "behutsam angegangen". Der Leitgedanke sei gewesen: "Wie nehme ich die Leute mit?" Er klingt nicht viel anders als Heiko Rosenthal, der vor Monaten davon schwärmte, wie gut sich der RB in die Stadtgesellschaft eingebunden habe, dass er "ein wesentlicher Baustein" sei, "um Leipzig wirtschaftlich zu repräsentieren".

Kurios ist an dieser Einhelligkeit, dass Nussbaum zwar als Geschäftsführer einer interkontinental aufgestellten Parksystem-Firma im Arbeitgeberlager zu verorten ist. Rosenthals Schwärmereien hingegen stammen aus der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland. Rosenthal ist Sportbürgermeister Leipzigs - und Mitglied der Linken.

Auch jenseits der Stadtgrenzen freut man sich, Leipzig sei "eine Fußballstadt", sagt DDR-Stürmerlegende Joachim Streich, "man kann die Länderspiele vor 100 000 Leuten, die wir im alten Leipziger Zentralstadion ausgetragen haben, kaum zählen". Euphorie habe geherrscht, und ein bisschen davon war auch am Sonntag bei der Partie gegen Karlsruhe zu spüren. In der zweiten Liga rangiert RB Leipzig nach Zuschauerzahlen laut kicker-Statistik an dritter Stelle, vor Düsseldorf, Kaiserslautern oder 1860 München.

Vor ein paar Monaten war Streich bei einem Veteranen-Treffen einstiger DDR-Fußballstars in Leipzig und besuchte auch die neue Anlage, die RB Leipzig für mehr als 30 Millionen Euro baute - "vom Feinsten", lobt Streich. Derartige Anlagen seien in Kombination mit einer Erstliga-Perspektive auch für die Jugendlichen wichtig, die von einer Profikarriere träumen - und nun nicht mehr in den Westen ziehen müssen. Die Bedenken der Traditionalisten habe er nie geteilt. "Ich empfand das (Engagement von RB in Leipzig) als eine große Chance, eine Mannschaft aus der Region ganz nach oben zu bringen." Nun ist es vollbracht.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2016
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