RB Leipzigs Dani Olmo:"Ich habe das Spiel wie ein Kind genossen"

Eintracht Frankfurt v RB Leipzig - Bundesliga

Stark am Ball: Der in der Provinz Barcelona aufgewachsene Dani Olmo (re.) spielt seit Januar für RB Leipzig.

(Foto: Ronald Wittek - Pool/Getty Image)

Dani Olmo hat sich bei RB Leipzig und in Spaniens Nationalelf durchgesetzt. Ein Gespräch über eine Fußballjugend fern der Heimat, Julian Nagelsmanns Qualitäten und das 6:0 gegen die DFB-Elf.

Interview von Javier Cáceres

SZ: Herr Olmo, RB Leipzig tritt am Mittwochabend in der Champions League bei Basaksehir Istanbul an. Sie sind der Favorit, stehen aber auch unter Siegzwang, um die Chance auf die K.-o.-Runde zu wahren. Welche Lektionen nehmen Sie aus dem Duell gegen Basaksehir mit, das Sie Ende Oktober in Leipzig gewannen?

Dani Olmo: Basaksehir ist eine Mannschaft mit gefährlichen und qualitativ guten Spielern, vor allem im Angriff. Das haben sie bei ihrem 2:1-Sieg gegen Manchester United und auch bei uns in Leipzig gezeigt, auch wenn sich unser 2:0-Sieg am Ende recht ungefährdet anfühlte. Sie waren kompakter und stärker, als man meinen könnte. Klar ist: Wir müssen auf Sieg spielen. Uns helfen nur drei Punkte.

Im Hinspiel gegen Basaksehir lieferte Ihr Linksverteidiger Angeliño beide Treffer. Er ist, wie man in Ihrer beider spanischen Heimat sagen würde, zurzeit der "Pichichi" Leipzigs, der Torschützenkönig. Trainer Julian Nagelsmann hat soeben eine höhere Produktion der Offensivkräfte angemahnt. Warum fällt es den Stürmern zurzeit so schwer, Tore zu schießen?

Zunächst einmal freue ich mich wahnsinnig für Angeliño. Es ist schön und gut für die Mannschaft, dass er auf so einem Niveau spielt. Grundsätzlich finde ich, dass wir gut genug spielen, und auch Chancen kreieren. Wir müssen sie nur noch mehr in etwas Zählbares ummünzen. Die Stürmer sind naturgemäß die ersten, die nicht zufrieden sind, wenn sie nicht treffen: Sie leben vom Toreschießen. Aber wir haben großes Vertrauen in sie und in ihre Qualität. Die Tore werden schon fallen.

Es ist nun fast ein Jahr her, dass Sie in Leipzig unterschrieben. Ihre Ziele damals: sich bei RB und in der Bundesliga durchzusetzen - und sich in die spanische Nationalmannschaft zu spielen. Heute kann man sagen: Ziele erreicht. Oder?

Es läuft, ja. Ich wollte damals von Dinamo Zagreb in eine der großen Mannschaften der Top-fünf-Ligen wechseln, um zu zeigen, dass ich auf höchstem Niveau spielen kann - in der Bundesliga, in der Champions League und auch in der spanischen Nationalelf. Aber wir stehen erst am Anfang einer Saison, die noch richtig aufregend wird. Auf Klubebene, aber auch mit Spaniens Auswahlteams, es stehen ja die EM und die Olympischen Spiele an. Ich bin noch jung, und ich weiß: Ich muss weiter an mir arbeiten. Wenn ich das tue, werden sicher großartige Dinge passieren.

Großartige Dinge wie der 6:0-Sieg gegen das DFB-Team in Sevilla, das dazu führte, dass Bundestrainer Joachim Löw zwischenzeitlich wackelte?

Das war ein historisches Spiel. Es ist noch nicht lange her. Dieses Glücksgefühl ist immer noch da. Ich habe das Spiel wie ein Kind genossen - mit als auch ohne Ball.

Im Frühling konnte man damit nicht unbedingt rechnen. Sie waren nach Leipzig gekommen, bekamen das Vertrauen von Trainer Julian Nagelsmann und spielten - aber dann fanden Sie sich weitgehend unvermittelt auf der Bank wieder. Wie seltsam kam Ihnen das vor?

Jeder Fußballer will vor allem: spielen. Ich konnte mir tatsächlich nicht erklären, warum ich so viele Spiele hintereinander auf der Bank saß. Ich wusste nur, dass ich ein Ziel im Sinn hatte, und wusste, was ich dafür tun musste, um die Situation zu drehen: weiterarbeiten und hart trainieren. Dann kam die Corona-Pause, und ich wollte dem "Míster" beweisen, dass er auf mich zählen kann. Dass ich der Mannschaft Dinge geben kann, die anders sind. Und nach der Pause habe ich tatsächlich regelmäßig gespielt.

Der "Míster" machte zuvor öffentlich, dass Sie sich bei ihm darüber beklagten, nicht genug Einsatzzeit zu bekommen. Wie viel Mut gehört dazu, sich als junger Neuling beim Chef zu beschweren?

Er ist ein kommunikativer Trainer - nicht nur mir gegenüber, sondern gegenüber allen Spielern. Man kann mit ihm reden. Es stimmt, ich war damals nicht zufrieden mit meiner Einsatzzeit. Wir haben miteinander gesprochen, ja. Aber es war ein Gespräch, das so auch zu einem anderen Zeitpunkt hätte stattfinden können. Ich will gar nicht über den Inhalt reden. Ich finde grundsätzlich, dass Kabinenangelegenheiten intern behandelt werden sollten.

Wie nehmen Sie Nagelsmann wahr?

Er ist ein junger Trainer, der auch lernen und besser werden will, obwohl er schon viel erreicht hat. Man muss sich nur die Ergebnisse anschauen: In der vergangenen Saison waren wir im Halbfinale der Champions League, jetzt haben wir den besten Saisonstart hingelegt. Er wächst mit jedem Tag, jedem Monat, jedem Jahr. Ich bin sicher, er wird ein großer Trainer, eine Referenz werden.

"Das Spiel beginnt beim Spiel ohne Ball"

Sie sind als 16-Jähriger aus Ihrer Heimat Barcelona nach Kroatien zu Dinamo gewechselt, ehe Sie fünf Jahre später, im Januar 2020, nach Deutschland kamen. Was sind die größten Herausforderungen, denen sich ein junger Mann wie Sie bei solchen Veränderungen stellen muss?

Ich war schon ein wenig daran gewöhnt, mich allein zurechtzufinden, wegen meiner beiden Jahre in der Masía (das Internat des FC Barcelona; d. Red.). Aber das Ausland ist noch einmal etwas anderes. Ich habe gelernt: Das Umfeld ist sehr wichtig. Nach Kroatien hat mich meine Mutter begleitet, und ich hatte das Glück, dass die Mannschaftskameraden mir Halt gegeben haben. Ich bin da sehr gereift, als Fußballer und als Mensch, und das hat mir geholfen, nach Leipzig zu kommen. Alle Welt glaubt ja, dass man nach fünf Jahren in einem anderen Land nur zurück will ...

Das wäre möglich gewesen. Sie hatten aus der spanischen Liga ein Angebot von Atlético Madrid - und auch der FC Barcelona hatte Interesse ...

Ich kann mir vorstellen, eines Tages auch in Spanien zu spielen. Aber ich fühle mich hier in Leipzig überaus wohl. Das hat auch mit der menschlichen Qualität dieser Mannschaft zu tun.

Sie sprechen vor allem von fußballfernen Dingen. Ist es so einfach, sich an eine neue Liga, eine neue Mannschaft zu gewöhnen?

Am Ende geht es natürlich darum, zu arbeiten. Und dich auf dem Platz, im Training, in der Liga zu beweisen. Der Unterschied zwischen Kroatien und der Bundesliga ist ohne Frage groß, aber ich finde, dass ich mich gut zurechtgefunden habe. Vielleicht auch, weil ich mich immer mit der Bundesliga befasst habe. Sie war ein Wettbewerb, der mich sehr gereizt hat. Und ich fühlte mich bereit, denn ich hatte schon auf einem gewissen Niveau gespielt - mit der spanischen U21-Nationalelf, mit der wir in Italien Europameister wurden, in der Europa League und in der Champions League.

Sie haben in der Jugend als Außenstürmer und auch als Mittelstürmer gespielt. Sie selbst definieren sich als 'mediapunta', als Halbstürmer. Wie umschreiben Sie Ihre Rolle?

Ich fühle mich auf allen Angriffspositionen wohl. Auf der linken wie auf der rechten Bahn, vorne drin oder hinter den Spitzen. Aber es stimmt: Am wohlsten fühle ich mich als Halbstürmer, mit einem Vollblutstürmer vor mir, so wie in Leipzig. Das ist das, was der Trainer von mir haben will.

Bei RB Leipzig kreist viel um Automatismen. Was verstehen Sie darunter?

Es geht vor allem um die richtigen Bewegungen zur richtigen Zeit. Wer geht wo hin, wenn ein Spieler sich mit dem Ball in eine bestimmte Richtung bewegt. Aber es geht auch darum, die Qualitäten der Mitspieler richtig zu kennen - und sie zur Entfaltung zu bringen. Wenn ein Spieler schnell ist, geht es darum, ihm den Ball in den Raum zu servieren. Wenn ein Spieler körperlich stark ist und den Ball festmachen kann, kannst du dich auf ihn stützen, wenn du selbst in einer komplizierten Situation unter Druck bist. Der Schlüssel unseres Erfolges liegt darin, dass wir uns alle mit diesen Ideen identifizieren.

Sind bei diesen Automatismen die Spieler ohne Ball wichtiger als derjenige, der den Ball führt?

Es geht darum, durch Bewegung Räume zu schaffen, richtig, und das ist natürlich extrem wichtig. Der Spieler mit Ball wird immer die beste Entscheidung suchen, aber wenn keiner Passwege öffnet, wird es schwierig. Das Spiel beginnt beim Spiel ohne Ball.

Haben sich die Automatismen bei Leipzig ohne Timo Werner geändert, der in den vergangenen Spielzeiten der Torgarant bei Leipzig war, aber im Sommer zum FC Chelsea abgewandert ist?

Timo ist ein sehr schneller Spieler, den wir so nicht mehr im Kader haben. Timo hat uns sehr, sehr viel gegeben. Unser Spiel ist insofern anders geworden, als wir mittlerweile mit mehr "Zehnern" spielen, um es mal plastisch auszudrücken. Aber die Grundidee ist die gleiche geblieben.

Am Horizont scheint schon das Spiel gegen den FC Bayern auf, das Topspiel am Samstag. Leipzig war im Vorjahr Herbstmeister, dann holte der FC Bayern den Titel. Was haben Ihnen die Bayern voraus?

Bayern ist eine großartige Mannschaft, sie zeigen das jedes Jahr. Sie sind kompakt, offensiv wie defensiv. Am Samstag steht nun das erste von zwei Saisonspielen gegen den FC Bayern an. Wir sind in einer guten Verfassung, und bei uns steht unser Spiel, unsere Leistung, unsere Idee im Vordergrund. Es wird kompliziert, keine Frage. Aber wir wissen, dass wir unsere Chance haben werden.

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