Süddeutsche Zeitung

RB Leipzig:Mit produktiver Wut auf Bayern-Jagd

Lesezeit: 3 Min.

Der 3:2-Sieg von RB Leipzig gegen Gladbach folgt einer besonderen Dramaturgie: Das Siegtor in der Nachspielzeit hält den Titelkampf spannend.

Von Cornelius Pollmer, Leipzig

Man kann schnell die Orientierung verlieren in einer Welt, in der die Vereine RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach ihre jeweils letzten Heimspiele in Budapest ausgetragen haben, im Achtelfinale der Champions League. Die Ordnung beim 3:2-Heimsieg Leipzigs gegen Gladbach am Samstagabend war zunächst insofern wiederhergestellt, als immerhin dieser Heimsieg Leipzigs tatsächlich in der örtlichen Arena am wirklich schönen Waldstraßenviertel errungen wurde. Als überhaupt gar nicht geordnet hatte sich allerdings vorher die erste Halbzeit dieses Spiels erwiesen.

RB Leipzig war in der Liga zuletzt wieder auf zwei Punkte an den FC Bayern herangekommen, und obschon dieser FC Bayern am Nachmittag mit dem 5:1 gegen Köln vorgelegt hatte, begann Leipzig so, wie eine Mannschaft beginnt, die in dieser sonderbaren Saison noch Lust und Kraft für Größeres hat. Als umso tragischer durfte man deswegen die Tatsache einstufen, dass die zwischenzeitliche Unordnung aus Leipziger Sicht - das 0:2 zur Pause - von einem Spieler mindestens begünstigt wurde, der in dieser Saison noch in Sachsen und Ungarn seine Heimspiele austrägt, der sie in der nächsten aber in München austragen wird: Dayot Upamecano.

Auf den Banden des Stadions in Leipzig wurde am Samstagabend für die "Experience" eines gewissen Sportwagens geworben, Upamecano hatte dafür aber auch deswegen kein Auge, weil er schon in der 5. Minute mit der Experience Embolo zu tun hatte, Vorname Breel. Dieser Embolo zischte mit gewiss ordentlichem Antritt an der Grundlinie Richtung Leipziger Tor, er war dort allerdings in gar nicht so aussichtsreicher Position, weswegen der folgende Check Upamecanos das Prädikat "besonders unnötig" erhalten muss. Besonders wegen der Konsequenz des durch Jonas Hofmann etwas schludrig geschossenen und von Peter Gulacsi deshalb fast noch gehaltenen Elfmeters zum 0:1 (6.).

Eng am Mann und doch nur Staungast: Dayot Upamecano

Die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann war vor dem 0:1 überlegen gewesen, auf den Rückstand reagierte sie mit einer Art produktiver Wut. Es folgte recht unmittelbar eine Doppelchance durch Marcel Halstenberg und Dani Olmo (8.), es folgte ein Freistoß aus ordentlicher Position, und es folgte ein einigermaßen sehenswerter Abschluss von Tyler Adams (13.). Was aber vor allem auf diese erneute Druckphase Leipzigs folgte, war das zweite Tor für Gladbach.

Nachdem Hofmann im Mittelfeld sehr viel Platz gehabt und der Ball von dort den Weg nach rechts zu Valentino Lazaro genommen hatte, flankte dieser Lazaro auf Embolo, dessen Kopfball von Marcus Thurams Schulter ins Tor fiel (19.). Eng am Mann mit der goldenen Schulter und doch nur Staungast: Dayot Upamecano.

Upamecano war dieses aus Leipziger Sicht unglückliche zweite Tor sicher nicht anzulasten; ebenso wenig, dass Leipzig auch nach diesem zweiten Gegentreffer wieder viel Energie und viel Zorn zwar in schnelle Beine übersetzte, selten aber in kluge Aktionen im letzten Drittel. Als dies in der 33. Minute doch einmal gelang, als Yussuf Poulsen über rechts auf den am Hotspot Elfmeterpunkt freistehenden Marcel Sabitzer gab, machte dieser Sabitzer nicht, was er hätte machen müssen, nämlich ein Tor.

Das Tornetz sieht kurz nicht aus wie ein Tornetz, sondern wie ein einziger Hagelschaden

Ein Spiel solchen Verlaufs hätte in Hälfte zwei nun genauso auströdeln können: seriöse, glückliche Auswärtsmannschaft lässt bemühtes Heimteam auflaufen. Gladbach war aber dem immer weiter steigenden Druck Leipzigs am Ende nicht gewachsen, wobei aus einigermaßen objektiver Beobachterrolle vor allem die Dramaturgie dieses gedrehten Spiels zu würdigen ist.

RB Leipzig musste in Hälfte zwei noch ein wegen Handspiel annulliertes Tor verkraften (Alexander Sörloth, 51.), bis alle Energie sich in Zählbares übersetzte. Selbiger Sörloth gab in der 57. Minute gegen zunehmend passive Gladbacher über links herein, in der Mitte verwertete Christopher Nkunku so druckvoll, dass das Tornetz kurz nicht aussah wie ein Tornetz, sondern wie ein einziger Hagelschaden.

Keine zehn Minuten später arbeiteten Yussuf Poulsen und Dani Olmo sich sachlich Richtung Strafraum vor, und der gewohnt akrobatische Poulsen erzielte mit einer Mischung aus Schuss und Golfschlag sowie unter Bei- und Schützenhilfe des linken Innenpfostens das 2:2.

Selbst danach wurde es nicht ruhig, sondern das, was man früher vielleicht einmal "vogelwild" nannte. Wie Kreisläufer umspielte Leipzig jetzt den Strafraum Gladbachs, wobei es eine interessante Pointe dieses Anlaufens hätte sein können, wenn der eingewechselte Emil Forsberg in der 77. Minute mit seiner ersten Ballberührung einen Freistoß versenkt hätte. Der überzeugende Yann Sommer wusste dies aber zu verhindern und lenkte den Ball ans Lattenkreuz.

Sir Sörloth schwebt über allen

Aus Gladbacher Sicht zu beklagen ist zunächst, dass Sommer noch mehr Gelegenheiten erhielt, sein Können zu zeigen. Noch mehr aber war für Gladbach die dritte Minute der Nachspielzeit zu beklagen, in der Leipzig vielleicht auch zu Gute kam, dass es sein Champions-League-Heimspiel in Budapest schon in der Vorwoche abgehalten hatte, während Gladbach erst in dieser daheim in Budapest aufgelaufen war.

Nach fünf Wechseln im Spiel und sichtbar müde sah Gladbach in dieser dritten Minute der Nachspielzeit also Nkunku noch einmal über links flanken, und zwar auf Eure Lufthoheit Sir Alexander Sörloth, dessen Kopfball für Leipzig den Abstand zu den Bayern einen guten Monat vor dem direkten Aufeinandertreffen wieder auf zwei Punkte stellte.

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