RB Leipzig in der Bundesliga:Ein Klub wird erwachsen

RB Leipzig: Willi Orban jubelt beim Bundesliga-Spiel gegen Werder Bremen

Defensivbeauftragter feierte gutes Gelingen in der Offensive: Willi Orban, Leipzigs Torschütze zum 1:0 bei Werder Bremen.

(Foto: Noah Wedel/imago)
  • RB Leipzig setzt die Ideen des neuen Trainers Nagelsmann immer besser um.
  • Das reife 3:0 in Bremen wirft bereits die Frage auf, ob die Rasenballer ein ernst zu nehmender Titelkandidat sind.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Zu später Stunde am Samstagabend, kurz vor Mitternacht im ZDF-"Sportstudio", hat auch ein früherer Leipziger Profi die Rasenballsportler in die Liste der Titelkandidaten aufgenommen. Joshua Kimmich, inzwischen meinungsstarker Angestellter des FC Bayern, sagte nach dem 3:0 seiner früheren Kollegen bei Werder Bremen: "Die können bis zum Schluss oben dabei sein." Damit gehört der aktuelle Tabellenführer Leipzig gewissermaßen offiziell zum Kreis der Meisterschaftsanwärter - neben Bayern und Borussia Dortmund.

Als Beleg für diesen neuen Status diente eine nicht unbedingt brillante Vorführung - gegen ein durch viele Verletzungen stark geschwächtes Bremer Team, das am Freitag auch noch wegen eines Trainingsunfalls den Stürmer Niclas Füllkrug (Kreuzbandriss) verlor. Es sei "nicht der größte Sahnetag gewesen, wir haben kein Feuerwerk abgebrannt", befand RB-Trainer Julian Nagelsmann blumig. Und er machte den besten Saisonstart der Leipziger in ihrer noch jungen Bundesligageschichte ein bisschen kleiner als nötig: Das sei bisher "noch keine Drohung an die Liga" gewesen. "Aber", betonte Nagelsmann zufrieden: "Wir haben erwachsen gespielt."

Ein großes Kompliment an seine Spieler

Das war ein großes Kompliment an seine Spieler. Leipzig agierte in dieser "englischen Woche" - trotz Champions-League-Belastung (2:1-Sieg bei Benfica Lissabon nach vorherigem 1:1 gegen die Bayern) - konstant wie ein Spitzenteam, das stets nur so hoch springt, wie es muss - und in Bremen sogar auf Stammspieler wie Yussuf Poulsen (wurde Vater), Marcel Halstenberg (Hüftprobleme) und Emil Forsberg verzichten konnte. Kapitän Willi Orban fasste zusammen: Man habe bei Werder "nicht optimal, aber effizient" gespielt.

Das hatte auch mit Orban selbst zu tun. Denn er und Marcel Sabitzer hatten mit zwei Standardsituationen relativ früh die Entscheidung zugunsten der Leipziger eingeleitet: Der offensivstarke Defensivspieler Orban schlich in der 13. Minute in den Werder-Strafraum und köpfelte einen Eckball von Zugang Christopher Nkunku (aus Paris) zum 1:0 ins Tor, weil Bremens Verteidiger Theo Gebre Selassie zu spät kam. Und in der 35. Minute zirkelte der Österreicher Sabitzer einen Freistoß aus gut 20 Metern über die Mauer (2:0). Das war ein ähnlich kunstvoller Treffer, wie es Sabitzer schon in der vergangenen Saison gegen Stuttgart und Leverkusen gelungen war.

"Wir sind noch nicht Bayern München"

"Wir sind noch nicht Bayern München", versuchte auch Sabitzer, den Ball verbal flach zu halten. Man müsse, ergänzte Orban, noch beweisen, ob man mehr als eine englische Woche erfolgreich bestehen könne. Aber besonders Sabitzer ist ein gutes Beispiel dafür, dass Nagelsmann als Nachfolger des anstrengenden Perfektionisten Ralf Rangnick das Team noch weitergebracht hat. Seine Strategie, mit den Spielern seit Beginn der Vorbereitung "kognitiv sehr anspruchsvoll" zu arbeiten, sie also manchmal auch bewusst zu überfordern, habe die Mannschaft noch einmal "auf ein anderes Niveau gehoben", urteilte Orban. Und wenn man Nagelsmann folgt, kam seine Methode bei Sabitzer besonders gut an. Der sei nicht nur fleißig, sondern könne auch besonders gut zuhören, lobte der Trainer. Zudem habe man für Sabitzer eine Position gefunden, in der er auch seine defensiven Qualitäten ausspielen könne.

Nagelsmanns Botschaften würde das Team von Woche zu Woche besser umsetzen, betonte auch Sportdirektor Markus Krösche. Dass der pfeilschnelle Stürmer Timo Werner diesmal kaum in die Tiefe starten konnte, weil Werder-Trainer Florian Kohfeldt seine Abwehr diesmal sehr zurückgezogen verteidigen ließ, fiel wegen der Standardeffektivität wenig ins Gewicht. Und dass der Leipziger Konrad Laimer in der 64. Minute wegen eines versehentlichen Handspiels die gelb-rote Karte sah, was nicht nur nach Nagelsmanns Absicht überzogen war, hat RB im Stile einer selbstsicheren Spitzenmannschaft verarbeitet. In Unterzahl wurde eben gekontert, und der eingewechselte Außenspieler Marcelo Sarracchi markierte in der 83. Minute sogar das 3:0. Für RB-Keeper Peter Gulacsi war dies der Beleg, dass dieses Team einen "großen Charakter" habe.

Den bescheinigte Werder-Coach Kohfeldt auch seinen eigenen Spielern ("Jetzt bildet sich eine Jetzt-erst-recht-Mentalität") - und dem Bremer Publikum, das die um zehn Profis dezimierte Mannschaft auch beim Stand von 0:3 noch anfeuerte. Wie ein Mantra sagte Kohfeldt nach diesem neuen Tiefschlag: "Wir werden Erfolg haben." Zumindest hat er in der misslichen Lage einen neuen Spieler entdeckt: Benjamin Goller, U20-Nationalstürmer und im Sommer aus dem Nachwuchs von Schalke gekommen, feierte ein beachtenswertes Debüt. Ob der Erfolg aber schon nächstes Wochenende zurückkommt, ist zumindest fraglich. Dann geht es nämlich zum nächsten sehr offiziellen Titelkandidaten: zu Borussia Dortmund.

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