Emil Forsberg bei RB Leipzig:Grandioser Fußballer mit Faible für Drecksarbeit

Club Bruegge - RB Leipzig / 24.11.2021 Brügge, 24.11.2021, Jan Breydelstadion, Fussball, UEFA Champions League, Gruppe

Geht auch beim Jubeln voran: Emil Forsberg (li.) gratuliert Christopher Nkunku zu seinem Treffer.

(Foto: Sven Sonntag /Picture Point LE/imago)

Im schwierigsten Moment der Saison klappt für RB Leipzig beim 5:0 in Brügge plötzlich alles - auch weil Emil Forsberg groß aufspielt, ist die Europa League noch greifbar nah.

Von Josef Kelnberger, Brügge

Eine gefühlte Ewigkeit war der Ball unterwegs, nachdem er die Stirn des Leipziger Stürmers André Silva verlassen hatte. Eine unendliche Qual für die Fans des FC Brügge, dabei hatte alles so stimmungsvoll begonnen. Auf den Tribünen fieberte eine im flämischen Abendnebel dampfende, in Schwarz und dunkles Blau gekleidete Masse aus 25 000 Menschen - dicht an dicht, als hätte es Corona nie gegeben - der Gelegenheit entgegen, einen favorisierten deutschen Klub aus dem europäischen Wettbewerb zu brüllen. Und dann waren erst 27 Minuten gespielt, und dieser Ball flog und flog, im wunderschönen hohen Bogen, und irgendwann landete er im Netz. Danach war eine ganze Weile lang nur noch das "Olé, olé" des Leipziger Fanhäufleins zu hören.

3:0 für RB Leipzig nach einer halben Stunde, alles gelaufen, 5:0 stand es am Ende für die Gäste, der höchste Champions-League-Sieg für den Verein. Die Aussicht auf das Achtelfinale ist längst perdu, aber die Europa League nun greifbar nah. Im letzten Gruppenspiel gegen Manchester City könnte sogar eine Niederlage für Platz drei in Gruppe A reichen, denn zeitgleich muss Brügge gegen den hohen Favoriten Paris Saint-Germain antreten. Den belgischen Zuschauern stand die Frage ins Gesicht geschrieben: Und das ist wirklich diese Mannschaft aus Sachsen, die bislang durch ihre Saison geirrlichtert ist und das Hinspiel gegen Brügge verlor?

André Silva zählte gewiss nicht zu den besten Spielern auf dem Platz, eher schon sein Nebenmann Christopher Nkunku, der das erste und das letzte Tor schoss. Aber dass ausgerechnet der Portugiese das schönste Tor des Abends erzielte, schien eines von vielen Zeichen und Wundern zu sein. Für mehr als 20 Millionen Euro aus Frankfurt geholt, hat er bislang so gar kein Bein auf den Boden gebracht. Und nun klappte plötzlich alles in der Leipziger Mannschaft, ein paar Tage nach dem desolaten 0:2 in der Bundesliga gegen Hoffenheim, im schwierigsten Moment der Saison.

Zehn Spieler fehlten in Brügge krank oder verletzt, das größte Thema war natürlich das Fehlen des Cheftrainers. Jesse Marsch steht nach wie vor tief im Schatten seines Vorgängers Julian Nagelsmann. Hatte die Mannschaft nun in Brügge geglänzt, obwohl Marsch fehlte, oder gerade weil die Mannschaft ohne Marsch-Gepäck antrat, mit Co-Trainer Achim Beierlorzer als Chef auf der Bank? Letzterer Vermutung trat der Mittelfeldspieler Kevin Kampl vehement entgegen. Vor dem Spiel, so sagte Kampl, habe er den Kollegen eingebläut: Sie müssten dem Trainer zeigen, dass er sich auf sie verlassen könne. Dass das gelungen war, fand er "wirklich befreiend".

Forsberg marschiert vorne weg - und macht auch die Drecksarbeit

Kampl hatte an diesem Abend der Befreiung gefühlt tausend Zweikämpfe gewonnen, sein Nebenmann Emil Forsberg, bester Spieler auf dem Platz, tausendundeinen.

Die Wege des 30-jährigen Schweden hatten sich im Spiel immer wieder mit jenen des 20-jährigen Belgiers Charles de Ketelaere gekreuzt. Der gilt als eines der ganz großen Talente des europäischen Fußballs, hat vor kurzem in der Nations League den italienischen Europameistertorwart Donnarumma dreist getunnelt und wird von europäischen Spitzenvereinen umworben. An diesem Abend musste er den Unterschied zwischen einem talentierten und einem erwachsenen Fußballprofi erkennen. De Ketelaere ging als Erster seiner Mannschaft unter. Forsberg marschierte vorne weg, verwandelte kühl den Elfmeter zum 2:0, hämmerte den Ball von der Strafraumgrenze zum 4:0 ins Netz, zeigte den belgischen Fans die Faust, war immer als Erster zur Stelle, wenn es irgendwo auf dem Platz Scharmützel auszutragen galt. Ein grandioser Fußballer, der sich für keine Drecksarbeit zu schade ist.

"Wie wir die Zweikämpfe gewonnen haben, wie wir uns reingehaut haben!", schwärmte Forsberg hinterher. "Wir wollten an diesem Abend für den ganzen Verein spielen. Ich bin stolz auf diese Mannschaft. " Seit 2015 steht er bei RB Leipzig unter Vertrag, er hat schon in der zweiten Liga für den Klub gespielt. So ein Mann ist in kritischen Momenten vielleicht wichtiger als der Trainer.

Achim Beierlorzer bedankte sich nach dem Spiel bei jedem einzelnen seiner Profis und übte sich in Bescheidenheit. Der Matchplan - zwei Stürmer, Mittelfeldraute - sei von Jesse Marsch entworfen worden, sagte er. Die Mannschaft sei zusammengerückt in der Stunde der Not und werde nun hoffentlich zu konstanten Leistungen finden. Am Sonntag kommt Bayer Leverkusen nach Leipzig, das Spiel wird wegen der Corona-Lage vor leeren Rängen ausgetragen. Dann wird zu sehen sein, ob das Gefühl der Befreiung in der Leipziger Mannschaft länger anhält als die vier Tage bis zum nächsten Spiel.

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