Süddeutsche Zeitung

RB Leipzig:Ausgetrickst vom zukünftigen Chef

Gegen Leipzig scheitert der Plan von Hoffen­heims Trainer Nagelsmann - und nun kommt Guardiola.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

"Wenn wir in der ersten Halbzeit in Führung gehen, gewinnen wir." Man kann diesen Satz von Julian Nagelsmann als Trotz eines Trainers abtun, der eine der bittersten Niederlagen seiner noch jungen Karriere erklären musste. Aber neben all dem Frust über das 1:2 gegen RB Leipzig war der Coach der TSG Hoffenheim auch überzeugt von seinen Worten. Ein anderer Spielverlauf hätte seiner Elf gerade an diesem Tag geholfen - kurzfristig war die gesamte erste Abwehrreihe ausgefallen.

Auf der Tribüne saßen der Langzeitverletzte Benjamin Hübner sowie die über Nacht nicht einsetzbaren Ermin Bicakcic (Wadenprobleme), Havard Nordtveit und Kevin Vogt (beide Oberschenkelprellung). Stattdessen verteidigten in der Dreierabwehrkette der TSG also Kevin Akpoguma, 23, Justin Hoogma, 20 und Stefan Posch, 21. Hoogma bestritt am Samstag sein erstes Bundesliga-Spiel - und das gleich als Vertreter von Kapitän Vogt.

Diese Konstellation wäre vielleicht im Pokal gegen einen Zweitligisten gut gegangen, nicht aber gegen RB mit dem schnellen Timo Werner und dem wuchtigen Yussuf Poulsen im Angriff. Leipzigs Stürmer spielten an diesem Tag einfach auf einem anderen Niveau als die Abwehrspieler der TSG. Die Tore von Poulsen (53., 73.) waren Ausdruck der Überforderung der Hoffenheimer Defensivtalente. Der Anschlusstreffer durch Andrej Kramarics verwandelten Elfmeter in der Nachspielzeit kam zu spät.

Mit dieser Aufstellung stieß die TSG an eine Grenze, die auch für den pfiffigen und nie jammernden Trainer nicht zu überwinden war. An der Seite von Vogt zeigten Posch und Akpoguma vergangene Saison erstaunliche Leistungen, alleine auf sich gestellt aber sind sie auf Spitzenniveau noch nicht konkurrenzfähig. Die Not in der Abwehr war aber nicht der einzige Grund für die Niederlage. Wohl noch nie ist ein Plan von Nagelsmann in der Liga so fundamental gescheitert wie diesmal. Der Trainer erwartete den Gegner laut eigener Aussage aggressiv pressend, stattdessen zog sich RB in die eigene Hälfte zurück und wartete auf Konter. Auch die Vermutung Nagelsmanns, dass den Leipzigern mit zunehmender Spieldauer die Luft ausgehen würde, erwies sich als Fehleinschätzung. Nach der Führung der Gäste schienen eher den Hoffenheimern die Kräfte im fünften von sieben Spielen in 22 Tagen zu schwinden. Dass Leipzig am Mittwoch gegen Stuttgart gewonnen hatte, Hoffenheim in Hannover aber schon am Dienstag, spielte am Samstag keine Rolle.

Der Plan von Leipzigs Trainer Ralf Rangnick ging hingegen voll auf. Aus der Erfahrung der beiden deutlichen Niederlagen gegen die Badener in der vergangenen Saison (2:5, 0:4) stellte Rangnick in der Abwehr erstmals von einer Vierer- auf eine Dreierkette um, um den Hoffenheimer Achtern im Zentrum und den "Schienenspielern" auf den Außenbahnen die Räume zu nehmen. "Wenn wir ehrlich sind, dann hat uns Hoffenheim in der letzten Saison mit unserer eigenen Taktik geschlagen - das wollten wir nicht ein drittes Mal zulassen", erklärte Torwart Peter Gulasci.

Der Mann mit dieser Idee war vergangenes Jahr noch Sportdirektor von RB. Das ist Rangnick weiterhin, aber zusätzlich fungiert er bis zum Ende dieser Spielzeit auch wieder als Trainer. Nach der Trennung von Ralph Hasenhüttl spielt er den Platzhalter für Nagelsmann, der RB ab der nächsten Saison trainieren wird. Diese Konstellation herunterzuspielen, gelang den beiden Protagonisten schon vor dem Anpfiff nicht. Auf die harmlose Frage zwei Tage vor der Partie, ob er am Samstag gegen seinen kommenden Chef antreten werde, antwortete Nagelsmann, sein Chef in Leipzig sei künftig Geschäftsführer Oliver Mintzlaff. Er glaube nicht, dass der Sportdirektor der Chef sei, vielleicht ein Vorgesetzter.

Dass Rangnick die flapsigen Anmerkungen seines künftigen Trainers umgehend kommentierte, verwundert nicht, wenn man den Machtmenschen Rangnick kennt. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem "außergewöhnlichen Trainertalent", erklärte Rangnick, aber selbstverständlich sei der Sportdirektor derjenige, der über die weitere Zusammenarbeit mit dem Trainer entscheiden müsse. Den Boulevard bedienten die beiden eindrucksvoll.

Die drei Punkte aber tun nicht nur dem Ego des ehemaligen Hoffenheimer Trainers Ralf Rangnick gut. Nach der bitteren Pleite zum Auftakt der Europa League gegen den Bruderklub aus Salzburg sammelten die Ostdeutschen nun sieben Punkte in drei Spielen und schafften den Sprung in die Spitzengruppe der Liga. Hoffenheim dagegen hängt mit nur sieben Punkten im Mittelfeld fest und sehnt angesichts der Verletztenliste die Länderspielpause herbei. Doch zuvor steht am Sonntag das richtungsweisende Ligaspiel gegen Frankfurt an. Auch das Timing für das erste Heimspiel in der Champions League am Dienstag gegen Manchester City könnte besser sein. Sergio Agüero, Raheem Sterling und Leroy Sané gegen Akpoguma, Hoogma und Posch? Er hoffe zumindest auf die Rückkehr von Vogt, sagte Nagelsmann. Er klang zerknirscht.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2018
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