Ratlosigkeit beim TSV 1860:Die Ballade von Hasan und Hamada

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Hasan Ismaik, Investor des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, und sein Münchner Statthalter Hamada Iraki waren lange unzertrennlich. Nun haben sie sich offenbar zerstritten - ob es dabei nur um Trainerkandidat Eriksson ging, ist zweifelhaft. Die 1860-Verantwortlichen rätseln weiter: "Da ist nichts, was plausibel klingt".

Markus Schäflein

Unzertrennlich? Offenbar nicht. Investor Hasan Ismaik (l.) und Statthalter Hamada Iraki haben sich wohl entzweit. (Foto: dapd)

Es passt natürlich zum Genre, dass Sven-Göran Eriksson den Spitznamen "geiler Sven" trägt. Durch eine Affäre mit einer Sekretärin des englischen Fußball-Verbands hat sich der frühere Nationaltrainer Englands diesen Kosenamen erarbeitet, der wie gemacht ist für eine Seifenoper, wie sie der TSV 1860 München mal wieder zur Aufführung bringt.

Die neueste Folge heißt: "Die Ballade von Hasan und Hamada." Genregemäß geht es um Lügen, gekränkte Eitelkeit, Ausgebootete - und um eine einst unzertrennliche Freundschaft, die dramatisch zerbrochen ist. Die Verantwortlichen des TSV haben das Drehbuch längst aus der Hand gegeben - weil sie sich weigern, daran zu schreiben, und stattdessen einfach zuschauen.

Die Vertreter des Fußball-Zweitligisten behaupten nämlich weiter eisern, über die Motivlage bei Investorenvertreter Hamada Iraki, der sich aus seinen Ämtern mit einen paar dürren Worten zurückgezogen und sich dann nach Abu Dhabi abgesetzt hat, im Unklaren zu sein. In den vergangenen Tagen hatte sich verdichtet, dass Eriksson eine wichtige Rolle in dem seltsamen Wirrwarr einnimmt - er war der Wunschkandidat Ismaiks für den Trainerposten.

Der Jordanier hatte sich beim Investor von Manchester City erkundigt und offenbar festgestellt, mit Eriksson in seinen Kreisen - unter international tätigen Investoren und in arabischen Königshäusern - mehr Eindruck schinden zu können als mit Alexander Schmidt. Und tatsächlich, Eriksson weilte am Freitag beim Spiel gegen Köln (0:2) und hätte den Job beim deutschen Zweitligisten gerne angenommen.

Mit einem schönen millionenschweren Darlehen von Ismaik wäre er ja finanzierbar gewesen. Doch gegen diese Idee bildete sich eine breite Front - nicht nur, weil Ismaik über seine Vorstellungen einer Finanzierung gar keine Angaben machte, sondern auch, weil Eriksson unter den derzeitigen Rahmenbedingungen als ungeeignet gesehen wurde. Nicht nur der Verein, der 51 Prozent der stimmberechtigten Anteile an der Profifußball-KGaA hält, war dagegen, sondern auch KGaA-Geschäftsführer Robert Schäfer und Sportdirektor Florian Hinterberger. Und offenbar, wie nun der Münchner Merkur berichtete, eben auch Iraki.

Dabei hätte sich der als Statthalter bzw. "Bruder" (Ismaik) ja für die Interessen des Jordaniers einsetzen sollen. Doch Iraki soll sich derart prima mit den 1860-Verantwortlichen verstanden haben, dass er sich auf die Seite von Schäfer, Schneider und Hinterberger stellte - und gegen seinen Auftraggeber Ismaik. Weil Eriksson nicht 1860-Trainer wurde, soll Ismaik Irakis sofortigen Rücktritt gefordert haben und in einem von vielen zornigen Telefonaten gesagt haben: "Das will ich morgen in der Zeitung lesen." So sei es zu der überstürzten Pressemitteilung gekommen. Und mit einem Zerwürfnis erklärt es sich auch, dass Iraki danach umgehend zu seinem wichtigen Kunden aufbrach und ratlose Sechziger hinterließ.

Die Geschichte dieser Männerfreundschaft, die gute Zeiten, schlechte Zeiten erlebte und nun an Ismaiks verbotener Liebe zum geilen Sven zerbrach, wäre im Rahmen einer Vorabendserie relativ schlüssig. In der Realität ist sie aber auch so bizarr, dass die Frage nach weiteren Gründen für ein Zerwürfnis zwischen dem umstrittenen Investor und dem erfolgreichen Banker bleibt. "Da ist nichts, wo man sagt, es klingt für mich plausibel", sagte 1860-Präsident Dieter Schneider, der weiter behauptet, die wahren Gründe noch nicht zu kennen. "Diese Version ist in dieser Ausführung für mich absolut neu."

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Iraki war schon vor einer Woche gegenüber der Bild-Zeitung demonstrativ auf Distanz zu Ismaik gegangen, indem er im Gegensatz zu allen bisherigen Beteuerungen langjähriger Freundschaft erklärte: "Ich kenne ihn auch erst seit 1860."

Am liebsten sagt Schneider gar nichts, er befürchtet offenbar, Ismaik zu verärgern, der in den kommenden zwei Spielzeiten ja noch je drei Millionen Euro zur Verfügung stellen soll: "Es ist viel zu gefährlich, hier Spekulationen in die Welt zu setzen. Wir wollen uns aus erster Hand sagen lassen, was passiert ist." Dies wird an diesem Freitagnachmittag passieren. Nachdem Iraki am späten Donnerstagabend von seiner Reise zurückgekehrt ist, trifft er sich endlich mit Klubvertretern.

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Dass er mit ein paar dürren Zeilen plötzlich verschwand, findet auch Schneider "unglücklich, denn jetzt spielt die ganze Welt verrückt". Von Iraki erhoffen sich die Löwen laut Aufsichtsratschef Otto Steiner Hinweise, "wie die Kooperation mit Ismaik nun weiter gestaltet werden kann". Aus seiner Sicht ist "ein direkter Draht von e. V. zu Ismaik ohne Mittelsmänner" notwendig.

Der neue Trainer Alexander Schmidt - ohnehin schon unter Druck durch die Ankündigung des Vereins, im Winter seine Arbeit zu bilanzieren - arbeitet nun bizarrerweise im Schatten des berühmten Sven-Göran Eriksson. Hat Schmidt keinen Erfolg, werden sich im traditionell latent größenwahnsinnigen 1860-Umfeld bald Stimmen häufen, der Verein hätte sich die vermeintliche Chance mit dem geilen Sven nicht entgehen lassen dürfen.

© SZ vom 23.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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