Ratloser Dortmund-Trainer Klopp:"Wir müssen endlich zurückschlagen"

Nach dem 0:1 gegen den FC Augsburg verlieren die Dortmunder nun auch noch ihre Zuschauer. Den Fußballern fehlen die spielerischen Argumente - und Trainer Jürgen Klopp findet nur Durchhalteparolen.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Es war schon fast rührend, wie sich Markus Weinzierl bemühte, Normalität zu suggerieren in einem Umfeld, das immer mehr aus den Fugen gerät. Soeben hatte Weinzierls Klub, der FC Augsburg, sein Gastspiel bei Borussia Dortmund 1:0 gewonnen, und der Trainer versicherte auf der Pressekonferenz, dies sei in der Tat ein "sensationelles Ergebnis". Um dann zufrieden in die Runde zu blicken und hinzuzufügen: "So etwas nennt man wohl einen Lauf."

Danach übernahm sein Kollege Jürgen Klopp, er wirkte leer und desillusioniert. Er sagte: "Wir haben auch einen Lauf, den wir durchbrechen müssen." Aber wie er das anstellen wolle? Schulterzucken. Der Dortmunder Trainer hatte schon so vieles probiert. Tiefer als der letzte Tabellenplatz kann es nicht mehr gehen, und doch warten auf den BVB immer neue Abgründe. Dabei haben sie in Westfalen während der Winterpause immer wieder betont, nun die Wende herbeiführen zu wollen. Die Zuversicht wird vor allem damit begründet, das kickende Personal befinde sich in einem körperlich wesentlich besseren Zustand als noch im Sommer.

Eine Einschätzung, die Klopp nun wiederholte, als er gefragt wurde, was ihn angesichts des desaströsen Ist-Zustandes überhaupt noch optimistisch stimme. Aber was nutzen Fitness und Laufbereitschaft, wenn der Kopf dermaßen schwach ist und die Spieler selbst in Überzahl verzagen und uninspiriert über den Platz irren? "Dass die Nerven eine riesige Rolle spielen, steht außer Zweifel", bekennt Klopp: "Das müssen wir in den Griff kriegen." Und weiter: "Wir müssen den Jungs den Glauben zurückgeben. Daran arbeiten wir."

Das klang nicht gerade überzeugend angesichts des blutleeren Auftritts gegen solide Augsburger, die genau wussten, was gegen einen verunsicherten Gegner zu tun war: Sicher stehen und auf die eine Chance warten, die Stürmer Raúl Bobadilla zu Beginn der zweiten Hälfte zum Tor des Abends nutzte. Was zuvor auf Seiten der Dortmunder ablief, war schon nicht ermutigend, was danach geschah, dürfte bei Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und seinen Vorstandskollegen noch tiefere Sorgenfalten verursacht haben. Kein Aufbäumen, kein Plan B, kein Willen, das Schicksal notfalls zu erzwingen, wenn schon die spielerischen Möglichkeiten dermaßen limitiert sind.

Selbst als Augsburgs Christoph Janker nach einer Notbremse gegen Aubameyang vom Platz flog und noch eine gute halbe Stunde blieb, die Dinge in Überzahl zurechtzurücken, passierte nichts. "Wir treffen die falschen Entscheidungen und werden hektisch", analysierte Nuri Sahin, "unsere Situation ist echt krass." Wie ein angeschlagener Boxer taumelt die Borussia durch die Bundesliga. Irgendwie ist das Bewusstsein da, dass es sich zu wehren gilt, aber sämtliche Schläge zielen ins Leere.

Selbst die treuen Zuschauer verweigern die Gefolgschaft

Auch Klopp hat beobachtet, dass seinen Spielern Fähigkeit und Instinkt abhandengekommen sind, das Richtige zu tun. "Wann schießt man, wann zieht man noch mal auf, wann musst du nur geradeaus laufen und bist durch", dozierte der Trainer. Ein Stürmer wie Ciro Immobile, der vergangene Saison in Italien noch als Torjäger gefeiert wurde, spielt und bewegt sich so, als habe man ihm auf dem Weg über den Brenner die fußballerische Festplatte gelöscht. Oder der bedauernswerte Neuzugang Kevin Kampl, der nach der Pause fast jeden Ball, den er sich mit hohem Aufwand erkämpfte, durch einen Fehlpass herschenkte. Oder Marco Reus, den sie zum Hoffnungsträger ausriefen, und der vor seinen Gegnern mutlos wie ein Mäuschen kapituliert.

Die Liste ließe sich ohne weiteres fortsetzen. Dortmunds Konstitution im Winter ist so labil, dass erstmals sogar die treuen Vasallen auf der Südtribüne die Gefolgschaft verweigern. Die Gelbe Wand, die in der Krise bis dato selbst nach desaströsen Auftritten wie in Frankfurt, Berlin oder Bremen hinter der Mannschaft gestanden hatte, reagierte auf die Niederlage gegen Augsburg mit gellenden Pfiffen. Es folgte die unmissverständliche Aufforderung: "Wir wollen euch kämpfen sehen!"

Klopp rettet sich in Durchhalteparolen

Dabei war es doch gerade diese Allianz, aus der sie bei der Borussia in Zeiten des Niedergangs Zuversicht schöpften. Doch nun bröckelt auch noch die letzte Bastion. Ein Umstand, für den Klopp Verständnis aufbringt. "Was sollen die Leute machen? Sie sind enttäuscht und haben Angst um die Zukunft des Vereins." Er habe nur dann "kein Verständnis für Pfiffe, wenn sie nicht gerechtfertigt sind".

Die Lage ist niederschmetternd, doch Klopp will weitermachen mit der Mission, einem komatösen Patienten neues Leben einzuhauchen. Ob er angesichts der gerade erlebten Darbietung verzweifele? "Nein, nicht 15 Spieltage vor Schluss." Am Samstag geht es nach Freiburg zu einem Verein, wo sie längst verinnerlicht haben, wie Abstiegskampf geht. Ganz im Gegensatz zum Standort Dortmund. Rezepte für eine schnelle Heilung gibt es keine. Was bleibt, sind Durchhalteparolen: "Wir müssen uns straffen und zurückschlagen", sagt Jürgen Klopp. Und nach einer Kunstpause: "Endlich."

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