Rassistische Äußerungen im Fußball:Schwamm drüber - das darf es nie mehr geben

Tönnies, Owomoyela, Dickel - die rassistischen Entgleisungen machen klar: Der Fußball muss sich wieder mehr seiner gesellschaftlichen Rolle bewusst werden.

Kommentar von Hans Leyendecker

Im Fußball wird - wie auch sonst in der Gesellschaft - viel geschwätzt. Wenn beispielsweise die Selbstverkäufer des Weltverbandes Fifa über ihr Milliardengeschäft reden, greifen sie immer wieder zu gravitätischen Begriffen: Sie sülzen dann über "Integration", "Solidarität" und, vor allem: "Respekt".

"Meine Aufgabe ist erfüllt, wenn die Gesellschaft uns dabei unterstützt, mit dem Fußball zu einer besseren Welt beizutragen", erklärte der einstige Fifa-Patron Joseph S. Blatter einmal im Interview: "Fußball ist mehr als eine Religion, mehr als alle anderen Religionen zusammen."

So viel Heuchelei, so viel Schmonzes und Schmu wie bei der Fifa hört man auch anderswo im Fußball nicht oft.

Aber wahr ist: Der Fußball hat eine Bedeutung bekommen, die weit größer ist als vor Jahrzehnten. Was im Fußball gesagt, getan wird, kann für eine Gesellschaft wichtig sein.

Das hängt auch damit zusammen, dass andere Einrichtungen - wie Parteien, Gewerkschaften und Kirchen - an Einfluss verloren haben, und dass der Fußball tatsächlich ein Global Player geworden ist. Früher genügte in manchen Kreisen ein hüstelndes Degout, ein Verziehen der Mundwinkel, um das Gewese Fußball zu kommentieren. Das ist vorbei.

Dumm, idiotisch. Total daneben

Auch deshalb schafften es jetzt zwei Ereignisse in die Nachrichtensendungen:

Da war zum einen die rassistische Entgleisung des Schalker Aufsichtsratschefs und Fleisch-Unternehmers Clemens Tönnies. Der empfahl in einer Rede die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika und sagte: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel wird, Kinder zu produzieren." Tönnies bat danach um Entschuldigung und bezeichnete seine Aussagen als "töricht". Der Ehrenrat von Schalke 04 beschäftigte sich mit dem Thema, Tönnies lässt sein Amt nun ruhen - aber nur für drei Monate.

Und da waren die verbalen Entgleisungen zweier einstiger Profis von Borussia Dortmund, Patrick Owomoyela und Norbert Dickel, die Ende Juli ein Testspiel des BVB gegen Udinese Calcio im Vereins-TV kommentierten und dabei rechten Stammtisch spielten: Mehrmals fiel der Begriff "Itaker". Dickel, der gerne beim Italiener isst, fügte in der Sendung an: "Itaker ist ja auch keine Beleidigung." Und der ehemalige Nationalspieler Owomoyela imitierte den Tonfall von Adolf Hitler.

Dumm, idiotisch. Total daneben. Während der Sendung schon hatten die Kommentatoren erklärt, dass sie "neben der Spur" seien. Der BVB teilte mit, er habe beiden "unmissverständlich verdeutlicht", dass "ihr Versuch, witzig zu sein, vollkommen schiefgelaufen ist, absolut deplatziert war". Beide dürfen auf Sicht keine Spiele mehr kommentieren. Beide hätten bereits versprochen, dass sich so etwas nicht wiederholen werde.

Der mühsame Versuch, irgendwie aufzufallen

Warum schwätzt jemand wie Tönnies, der vorher nicht als Rassist aufgefallen ist, rassistisches Zeug? Warum will ein Owomoyela, der für sein Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit ausgezeichnet worden ist, ein simples Fußballspiel im Tonfall von Hitler begleiten?

Gaga. Das eine ist klassischer alter Rassismus, das andere ist Kulturrassismus.

Beide Fälle aus dem Revier liegen unterschiedlich, aber es gibt Gemeinsamkeiten. Die größte Gemeinsamkeit ist das penetrante Schwafeln. Der mühsame Versuch, irgendwie aufzufallen, irgendwie originell zu sein.

Dabei hat Fußball längst die Aufgabe, auf die Herausforderungen dieser Zeit angemessen zu reagieren. Der moderne Fußball ist in die Mitte der Gesellschaft gerückt, dessen muss er sich bewusst werden. Die Bekämpfung von jeder Form der Fremdenfeindlichkeit ist eine der Aufgaben, denen er sich sensibler als bislang stellen muss. Dafür braucht es Nachdenklichkeit, Engagement und etwas Wissen.

Für ihren Stammtisch brauchte es nicht viel

Die unsägliche "Itaker"-Geschichte ist entstanden, weil sich die Kommentatoren offenbar die Namen der italienischen Spieler nicht richtig gemerkt hatten. Für ihren Stammtisch brauchte es nicht viel.

Zur Tönnies-Entgleisung ist es vermutlich gekommen, weil sich der Funktionär keine großen Gedanken gemacht hatte und einfach mal was sagte - wie dies in anderen Zusammenhängen bei Tönnies schon häufiger mal der Fall war.

Um die Bedeutung des Fußballs in einer gereizten Gegenwart zu verstehen, braucht es nicht die Interpretationshilfen der notorisch größenwahnsinnigen Fifa. Beim Fußball ist es sehr viel einfacher, es ist so wie beim Menschsein überhaupt: Kein Fußballer hat sich den Ort, an dem er geboren wurde, ausgesucht. Jeder Fußballer darf den Anspruch haben, den Ort, an dem er spielen möchte, frei zu wählen. Das ist einfach und kompliziert zugleich.

Es gab eine Zeit im deutschen Fußball, da stand "Hipp, hipp, hurra" für "Heil Hitler" - und wenn einer über Kameradschaft redete, meinte er: "die Reihen fest geschlossen".

Schwamm drüber, macht nichts, kommt eh nicht darauf an - diese Sicht darf es nie mehr geben.

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