Eine Zeitenwende, die bereits im Januar auf dem Sportplatz des Viertliga-Vereins Busto Arsizio eingeläutet wurde, der den AC Mailand zu einem Freundschaftsspiel zu Gast hatte. Aber die Gäste verließen das Feld, nachdem die Fans von Busto Arsizio den Milan-Spieler Kevin-Prince Boateng mit rassistischem Gegröle überzogen hatten. Auf den Spielabbruch folgten Verhaftungen, und siehe da: Einer der wildesten Hooligans von Busto war ein Lokalpolitiker der Lega Nord.
Bei den Rechtspopulisten der Lega gehören Schmähungen gegen Menschen, die anders aussehen als sie selbst, zum guten Ton. Es ist gar nicht so leicht zu verstehen, wieso das im Stadion anders sein soll. Auch die Roma-Ultras dürften nur schwer begreifen, warum sie Bürgermeister Gianni Alemanno plötzlich als Schande für ihre Stadt bezeichnet. Alemanno war vor gar nicht langer Zeit noch Neofaschist und mischte mit beträchtlichem Körpereinsatz in der römischen Szene mit.
Es ist immer die gleiche Geschichte: Nicht der italienische Fußball hat ein Rassismus-Problem, sondern Italien tut sich schwer mit dem Wechsel vom Auswander- zum Einwanderland. Vor zwei Wochen wurde erstmals eine schwarze Ministerin vereidigt, die aus dem Kongo stammende Augenärztin Cecile Kyenge ist zuständig für das Ressort Integration. Einer ihrer ersten Gratulanten war Mario Balotelli. "Mit der Ernennung von Ministerin Kyenge ist Italien ziviler geworden", sagte er. Kyenge revanchierte sich, indem sie Balotelli als Werbeträger für ihren Vorstoß gewann, in Italien geborenen Kindern von Migranten die Staatsbürgerschaft zu gewähren.
Über diese Regelung wird außerhalb der Stadien vehement diskutiert. Politiker der Berlusconi-Partei PDL sind gegen die automatische Staatsbürgerschaft für die zweite Generation - obwohl die PDL neuerdings mit der linken PD in einer Großen Koalition regiert. "Was wird sich die Ministerin als nächstes einfallen lassen? Ein Gesetz zur Förderung der Polygamie, wie sie ihre Familie in Kongo praktiziert?" fragte etwa die PDL-Abgeordnete Elvira Savino.
Im italienischen Parlament darf man solche Fragen stellen, ohne dass der Schiedsrichter die Debatte unterbricht. Man darf auch, wie es einige Abgeordnete der Lega taten, Doktor Kyenge dafür verantwortlich machen, dass ein Mann aus Ghana in Mailand auf offener Straße zwei Menschen mit der Spitzhacke erschlägt.
So viel zum Geschehen abseits des Spielfelds. Sepp Blatter hat übrigens das Affengeheul von San Siro zu folgendem Twitter-Eintrag inspiriert: "Entsetzt über die rassistischen Beschimpfungen in der Serie A gestern Abend. Wir müssen handeln, nicht nur reden." Dass genau das schon längst passiert, kann der Fifa-Boss natürlich nicht wissen.