Rassismus-Eklat um Fifa-Chef Blatter:"Ignoranz eines Neandertalers"

Auf welchen Spielfeldern ist dieser Schweizer eigentlich unterwegs, der indirekt sagt: Wenn jemand rassistisch beleidigt wird, auf dem Rasen, Schwamm drüber, ist doch nur ein Fußballspiel? Den Opfern solcher Verbalattacken empfiehlt Blatter die Strategie: Hände schütteln, vergessen. Es stellt sich die Frage: Wie naiv darf der Präsident des Weltfußballverbandes sein?

Klaus Hoeltzenbein

Wie naiv darf der Präsident des Weltfußball-Verbandes sein? Wie wenig lernfähig? Wie lange darf dieser mächtige Mann in der Debatte über die Themen dieser Zeit ohne Konsequenz gefährlich lavieren?

Sepp Blatter

Fifa-Präsident Joseph Blatter hat mit seinen verharmlosenden Aussagen zu Rassismus auf Fußballplätzen für Wirbel gesorgt.

(Foto: dpa)

Solche Fragen begleiten jetzt eine der größten Rückruder-Aktionen in der Geschichte der schönfärbenden PR-Arbeit. Diese Arbeit findet ihren Ausdruck darin, dass am Donnerstag auf der deutschsprachigen Internetseite www.fifa.com der Präsident Joseph S. Blatter zu sehen ist, wie er einen dunkelhäutigen Mann umarmt. Überschrift: "Blatter: ,Ich kämpfe gegen Rassismus'". Ist es dann ein Lapsus, eine Unhöflichkeit oder doch Ausdruck einer Haltung, dass dieser lächelnde Mann, den Blatter umarmt, nicht namentlich vorgestellt wird?

Kein Wort darüber, wen Blatter im großflächigen Bild so demonstrativ umarmt. Wird dieser Mann, bei dem es sich um Tokyo Sexwale handelt - einen Südafrikaner, der die WM 2010 organisieren half, und der zu Zeiten der Apartheid auf Robben Island inhaftiert war - nicht hier wieder nur für PR-Zwecke instrumentalisiert? Um Blatters jüngste Botschaft zu entschärfen: "Im Fußball gibt es keinen Rassismus."

Auf welchen Spielfeldern ist dieser Schweizer eigentlich unterwegs, der indirekt sagt: Wenn jemand rassistisch beleidigt wird, auf dem Rasen, Schwamm drüber, ist doch nur ein Fußballspiel? Den Opfern solcher Verbalattacken empfiehlt Blatter die folgende Strategie: Hände schütteln, vergessen. Es geht nicht darum, ob Blatter ein Rassist ist oder nicht, es geht darum, dass der Welt-Fußballchef eine Problematik kleinredet, wegen der an jedem Wochenende Hunderte von Fußballspielen gestört und abgebrochen werden müssen. In denen Mitspieler verletzt, beleidigt, gedemütigt werden. In einem Revier, dessen Chef er ist.

Vor einem Jahr hatte Blatter ähnlich plump reagiert. Auf die Frage einer Journalistin, ob homosexuelle Fans auf die Reise zur Weltmeisterschaft 2022 verzichten müssten, weil in Katar gleichgeschlechtlicher Sex verboten sei, kalauerte er: "Ich denke, dann sollten sie jegliche Sexualität unterlassen." Der schwule Basketballer John Amaechi kommentierte dies als die "epische, archaische Ignoranz eines Neandertalers".

Die Engländer, die jetzt Blatters Rücktritt fordern, haben in der Fifa keine Macht. Die Deutschen, die mehr Macht haben, halten sich aus heiklen Themen chronisch heraus. Und so sind die jüngsten Ausführungen zunächst nur eine weiteres Beispiel der unendlichen Geschichte: Von der archaischen Ignoranz, mit der Blatters Fußball im realitätsfernen Raum zu überleben versucht.

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