Rangnicks Rücktritt auf Schalke:Wenn der Speicher leer ist

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Seit Juli gab es Anzeichen, dass Ralf Rangnick überlastet sein könnte. In den vergangenen zwei Wochen wurde es so schlimm, dass er nun die Reißlinie zieht: Der Trainer tritt beim FC Schalke 04 zurück, weil er unter dem Burnout-Syndrom leidet. Die Fußball-Branche reagiert verständnisvoll.

Milan Pavlovic und Daniel Theweleit

Es ist selten ein gutes Zeichen, wenn im Bundesliga-Betrieb ein Mannschaftsarzt die Bühne betritt. Die Situation am Donnerstagmittag bei Schalke 04 ist aber noch eine Spur ungewöhnlicher, denn Thorsten Rarreck redet nicht über Dehnungen, Brüche oder Entzündungen, er spricht nicht mal über einen Spieler, als er erklärt: "Es handelt sich um ein vegetatives Erschöpfungssyndrom. Der Körper ist ausgelaugt, körperlich ist er am Ende. Er wird nach einer Pause zur alten Stärke zurückkommen."

Ralf Rangnick, von dem die Rede ist, wird dann nicht mehr Schalke-Trainer sein, zum zweiten Mal nach 2005 verlässt der 53-Jährige den Bundesligisten. Diesmal hatte er ihn erst im März übernommen - und sich selbst offenbar auch.

Neben Rarreck sitzt Schalkes Manager Horst Heldt auf dem Podium, wo eigentlich der Trainer über die anstehende Partie gegen Freiburg reden sollte. Heldt, 41, dreht sein Smartphone herum, nichts hilft auf der Suche nach Worten. "Wir haben das am Mittwoch erfahren. Das zieht uns den Boden unter den Füßen weg, denn das war nicht erkennbar, und in der Kürze der Zeit kann auch nicht an Lösungen gedacht werden", sagt Heldt, noch immer am Handy fingernd.

Er wirkt äußerlich gefasst, aber seine Formulierungen kommen längst nicht so flüssig wie sonst: "Wir mussten die Reißleine ziehen, denn es geht um die Gesundheit von Ralf Rangnick. Das war ein Schock, wir müssen das erst einmal sacken lassen."

Dem Mediziner Rarreck fällt das Reden leichter. "Ein Bayern-Trainer hat mal gesagt: Flasche leer! Das ist wirklich so." Der Arzt vergleicht Rangnicks Verfassung mit einem Spieler, "der übertrainiert ist und seine Leistung nicht mehr bringen kann". Seit Juli seien erste Anzeichen erkennbar gewesen, berichtet der Mediziner, "wir haben alles probiert, sanfte Methoden, Regulationsmedizin", alles erfolglos. In den vergangenen zwei Wochen habe der Trainer verstärkt über Schlafmangel, Ruhelosigkeit und wenig Appetit geklagt. Die jetzige Maßnahme gegen Rangnicks Burn-out-Syndrom sei präventiv, es sei wichtig, so Rarreck, "dass er die Speicher wieder auffüllt".

Wie wichtig, lässt sich an Rangnicks eigenem Credo ermessen: "Nur wer selbst brennt, kann Feuer entfachen." Das gelang ihm offenbar nicht mehr, deshalb ließ er auf der Homepage des Vereins verlauten: "Nach langer und reiflicher Überlegung bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich eine Pause brauche." Die Entscheidung sei ihm "unheimlich schwer gefallen. Doch mein derzeitiger Energie-Level reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein und insbesondere die Mannschaft und den Verein in ihrer sportlichen Entwicklung voranzubringen."

Am Morgen hatte sich Rangnick von der Mannschaft verabschiedet, "so etwas habe ich noch nie erlebt", berichtete Co-Trainer Seppo Eichkorn: "Ralf hat vor dem Team gesagt, dass er keine Kraft mehr habe, ihr das zu geben, was sie braucht. In der Kabine war es sehr emotional." Danach fuhr Rangnick in seinen schwäbischen Heimatort Backnang.

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