Fußball:Rangnick verlässt sein Lebenswerk RB

Ralf Rangnick auf einem Fanfest von RB Leipzig

Jahrelang der prägende Fußballmacher bei Red Bull: Ralf Rangnick.

(Foto: imago images / opokupix)

Seit 2012 prägte Ralf Rangnick den RB-Fußball - nun hat er seinen Vertrag mit dem Konzern aufgelöst. Für seine Zukunft bei einem anderen Klub kann er sich viel vorstellen: Trainer. Sportdirektor. Oder beides.

Von Moritz Kielbassa

An warmen Sommertagen vor acht Jahren, im Juli 2012, fing alles an. Das erste Spiel, das Ralf Rangnick bei RB Leipzig miterlebte, war ein Testkick in Wittenberg - gegen Grün-Weiß Piesteritz. Und als der neue Sportdirektor das zweite Team kennenlernte, das ihm anvertraut wurde, schied Red Bull Salzburg in der Qualifikation zur Champions League gegen Luxemburger Fußballzwerge aus Düdelingen aus. Rangnick machte sich danach an die Arbeit. Er drehte alles auf links, er initiierte einen neuen Fußballstil, er holte vielversprechende junge Spieler, zu Beginn etwa Sadio Mane und Kevin Kampl. Seit 2014 ist Salzburg ununterbrochen Serienmeister in Österreich und inzwischen ein europaweit beachtetes Zentrum für Talente. Und Leipzig? Da wurde in acht Rangnick-Jahren aus einem Viertligisten ein Viertelfinalist der Champions League.

An einem sehr warmen Sommertag, dem 31. Juli 2020, ist diese Ära, die eine ganz spezielle Erfolgsstory war, zu Ende gegangen. Rangnick, 62, fuhr am Freitag nach Salzburg, in die Zentrale von Red Bull nach Fuschl am See. Er hat dort mit denselben Herren vom Konzern, die ihm schon 2012 bei seiner Verpflichtung gegenüber saßen, seinen Vertrag aufgelöst. Ihm war wichtig, dass es eine faire, einvernehmliche Trennung gibt.

Nach dem Gespräch ließ Red Bull offiziell verlauten, man "entspräche dem Wunsch von Ralf Rangnick", die Zusammenarbeit sofort zu beenden. Dietrich Mateschitz, der Chef des Energy-Drink-Herstellers, verabschiedete seinen einstigen Königstransfer herzlich: "Ich danke Ralf für seine außergewöhnliche Arbeit." Durch ihn gelte RB "heute weltweit als Vorbild für erfolgreiches Management im Fußball" - und er danke Rangnick auch, so Mateschitz, "für seine Freundschaft und Verbundenheit". Es soll ein Abschied ohne Misstöne sein, so ließ sich auch Rangnick selbst zitieren: "Es war mir eine große Ehre und erfüllt mich mit Stolz, einen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass Red Bull Soccer heute eine höchst erfolgreiche Organisation ist, die rund um den Globus sehr gut aufgestellt ist."

Rangnick kann Dreierlei sein

Ein Jahr wäre Rangnick noch als "Head of Sport and Soccer Development" angestellt gewesen, in jener Rolle als Globaldirektor des Fußballimperiums RB, in die er 2019 gewechselt war, als er sich aus dem Tagesgeschäft in Leipzig verabschiedete. Seine Jahre als Leitbulle hat er kürzlich als "Lebenswerk" bezeichnet. Jetzt sieht er dieses Werk als vollendet an. Er geht ohne Groll. Er glaubt, dass er für ihn an dieser Stelle einfach nichts mehr zu tun gibt.

Dass er bereit ist für etwas Neues, zeigten seit Herbst seine Gespräche mit dem AC Mailand, die bis zum Schluss auf eine Doppelrolle als Trainer und Sportchef ausgelegt waren. Eine unerwartete Erfolgsserie von Milan, mit Coach Stefano Pioli und Toren des rüstigen Sturmrentners Zlatan Ibrahimovic, ließ den Plan platzen. Für Rangnick käme künftig aber offenbar nicht zwingend nur eine Doppelfunktion in Betracht. Er ist zwar schon der Auffassung, dass er am besten im Paket als Trainer und Chefstratege zur Geltung kommt, zuständig auch für Transfers und Spielphilosophie. Dennoch sagt er nach Jahrzehnten im Fußball, in denen er alles erlebt hat - vom Jugend- und Bezirksligatrainer bis zum Generalintendanten von Spitzenklubs - dass er heute Dreierlei sein kann: Trainer. Sportdirektor. Oder beides. Je nach Reiz und den speziellen Bedürfnissen eines neuen Vereins, wären alle drei Varianten vorstellbar.

Rangnick fördert Spieler- und Trainertalente

Auch seine Zeit bei RB teilte sich in verschiedene Kapitel. Drei Jahre betreute Rangnick als Sportchef die Filialen Salzburg und Leipzig. Der Schwerpunkt lag auf der Aufbauarbeit in Sachsen, mit dem Durchmarsch von der Regional- in die Bundesliga. 2015 hörte Rangnick in Salzburg auf, auch weil die Uefa eine Trennung der Standorte für die Europacupzulassung vorschrieb. Während in der Mozartstadt Sportchef Christoph Freund das Projekt erfolgreich fortführte, coachte Rangnick, als er für ein Jahr auf die Trainerbank zurückkehrte, Leipzig zum Aufstieg in die erste Liga. 2018 sprang er erneut als Brückentrainer ein, für den mit langem Vorlauf verpflichteten Julian Nagelsmann. Nach einer starken Saison (Ligadritter, Pokalfinalist) kehrte Rangnick aber nicht mehr in die Solorolle des Leipziger Sportchefs zurück. Er wurde stattdessen Weltdirektor von RB, auch für die Standorte in Brasilien (Bragantino) und New York, deren Betreuung zuletzt durch die Corona-Krise erschwert wurde.

Rangnick scoutete für RB nicht nur unzählige junge Spieler, er hat auch eine verblüffende Anzahl aktueller Cheftrainer entdeckt oder gefördert: Nagelsmann, Roger Schmidt, Marco Rose, Adi Hütter, David Wagner, Oliver Glasner, Markus Gisdol, Achim Beierlorzer, Jesse Marsch - sie alle wurden bei RB oder zuvor in Rangnicks Kosmos bei Hoffenheim von ihm beeinflusst. Auch der neue TSG-Cheftrainer Sebastian Hoeneß war in Hoffenheim Drittligaspieler bei Rangnick, später U17-Coach in Leipzig; der neue Nürnberg-Trainer Robert Klauß fing in Leipzigs U14 an.

Rangnick hat eine besondere Passion für die Premier League

Rangnick und RB Leipzig, heute straff geführt von Klubchef Oliver Mintzlaff und mit Markus Krösche als Sportchef, sehen nach acht Jahren den Zeitpunkt gekommen, ohne einander klar zukommen. Ob Rangnicks Posten nachbesetzt wird, ist offen. Der Stil in Leipzig hat sich auch ein wenig verändert. Nagelsmann modifiziert den Tempofußball nach Rangnick-Art in Richtung Ballbesitz, es darf jetzt eher eine Prise mehr Guardiola sein.

Auch privat ist der Schwabe Rangnick seit fünf Jahren in Leipzig heimisch geworden. Er fühlt sich dort sehr wohl, Leipzig soll sein Lebensmittelpunkt bleiben, und er wird sich weiter um seine Stiftung kümmern, die sich auf Bildungsförderung für Kinder spezialisiert hat. Erst mal wird er jetzt in Mallorca Urlaub machen. Und wenn ein spannender Verein anruft, zum Beispiel aus Englands Premier League, für die er eine besondere Passion hat - dann wird er gerne abheben.

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