Ralf Rangnick bei Österreichs Nationalteam:Volksfeststimmung im Kurort

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Taktikschulung in Bad Tatzmannsdorf: Ralf Rangnick nimmt vor dem Nations-League-Spiel gegen Kroatien seine Arbeit als österreichischer Teamchef auf. (Foto: Christian Walgram/Gepa Pictures/Imago)

Österreich wundert sich, dass ein Trainer, der vor Kurzem Cristiano Ronaldo gecoacht hat, nun für ihre Nationalmannschaft zuständig ist. Mit dem Antritt von Ralf Rangnick steigen die Erwartungen - die er selbst auch befeuert.

Von Felix Haselsteiner, Bad Tatzmannsdorf

Ein wenig Zeit ließ sich Ralf Rangnick, dann gab er seine Rolle als stoischer Beobachter doch noch auf. Seine erste Trainingseinheit als österreichischer Teamchef hatte der 63-Jährige am Montag größtenteils mit verschränkten Armen verbracht, beobachtend, ohne allzu viel sichtbaren Einfluss auf das Training zu nehmen. Dann hatte er seine Mannschaft zu den wartenden Fans geschickt.

Und schließlich, als sich der Rummel etwas gelegt hatte, griff er auch selbst zum Stift und stand bereitwillig für Autogramme und Fotos zur Verfügung, was die zahlreichen Schulkinder, die extra frei bekommen hatten, gerne annahmen - auch wenn noch nicht alle von ihnen den Namen des neuen Trainers kannten, wie sich bei Nachfrage herausstellte.

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Es herrschte an Tag eins unter Ralf Rangnick fast schon so etwas wie Volksfeststimmung in Bad Tatzmannsdorf, einem kleinen Kurort im Burgenland, wo das Ortsbild von meist älteren Menschen in Bademänteln auf dem Weg zu Thermalbehandlungen geprägt wird. Dieser Tage bereitet sich dort allerdings die österreichische Nationalmannschaft auf eine Serie von vier Länderspielen in der Nations League vor, mit den namhaften Gegnern Frankreich, Dänemark und Kroatien. Aber es geht natürlich um mehr als das: Auf dem kleinen Trainingsplatz in Bad Tatzmannsdorf hat im besten Fall auch eine neue Ära im österreichischen Fußball begonnen.

Rangnicks Verpflichtung wurde von den erwarteten kritischen Kolumnisten-Stimmen begleitet, vor allem aber auch von überraschend großer Begeisterung für einen deutschen Trainer. Dass jemand wie er, der bis vor Kurzem noch Cristiano Ronaldo trainierte, sich nun auf Österreich einlässt, nehmen sowohl die Experten als auch die Fans nicht als selbstverständlich hin. Die Erwartungen sind dementsprechend hoch, Sportdirektor Peter Schöttel etwa leitete die Pressekonferenz am Sonntag gleich einmal mit den Worten ein, Rangnick solle ja nicht nur dem Nationalteam, sondern dem "ganzen österreichischen Fußball" guttun.

Rangnick selbst bewies im Angesicht dieser hohen Ansprüche, dass er ein Meister seines Fachs ist, nicht nur wenn es ums Fußballtraining geht. Es dauerte jedenfalls nur wenige Worte, bis man einen klaren Bruch erkennen konnte zwischen der Art und Weise, wie sein Vorgänger Franco Foda gegenüber den anwesenden Journalisten sprach - und wie es Rangnick tut.

Souverän erklärte er seine Ansprüche und seine Philosophie, die im Wesentlichen von zwei Elementen geprägt sei: Zum einen müsse die Mannschaft stärker sein als die Summe der Einzelspieler. Zum anderen müsse der Fußball, den eine österreichische Nationalmannschaft spiele, unterhaltsam für die Zuschauer sein. Und, die Ansprüche: "In der Weltrangliste sind Länder vor uns, bei denen ich nicht weiß, ob das so sein muss", sagte Rangnick - die entsprechenden Kandidaten wie Schweiz, Iran, Marokko und Nigeria zählte er gleich noch auf.

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Das Potenzial für eine solche Entwicklung ist aus seiner Sicht vorhanden, so wie es damals schon in Salzburg der Fall gewesen sei: Rangnick übernahm den Red-Bull-Kosmos im Jahr 2012, damals habe Österreich im Uefa-Koeffizienten-Ranking auf Platz 19 gestanden, referierte er: nun sei die Liga auf Platz acht und habe einen fixen Champions-League-Startplatz.

Auch Rangnick selbst befeuert die Erwartungshaltung

"Ich wüsste nicht, warum mit der Nationalmannschaft nicht auch eine ähnliche Entwicklung möglich sein sollte", sagte Rangnick, der auch nicht davor zurückschreckte, dem selbstverliebten Land einen Spiegel vorzuhalten: "Es ist schon lange her, dass Österreich mit Heldentaten auf sich aufmerksam gemacht hat" dürfte einer der Sätze werden, an denen er sich in den kommenden Monaten und Jahren messen lassen muss.

Kein Faktor mehr ist unterdessen die Diskussion um eine Doppelrolle: Seinen Berater-Vertrag mit Manchester United habe er nach dem letzten Ligaspiel gegen Crystal Palace "im Einvernehmen" aufgelöst, sagte Rangnick und beseitigte damit österreichische Sorgen, er werde sich nicht zu einhundert Prozent auf seine Rolle als Teamchef konzentrieren.

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Manchester liegt damit in der Vergangenheit, manche Parallele bringt aber auch die Aufgabe in Österreich mit sich: Dem talentierten Kader fehlt es für Rangnick-Perfektion möglicherweise etwas an Stürmern, die bereit sind, in vorderster Reihe anzulaufen. Marko Arnautovic und Sasa Kalajdzic jedenfalls zählen nicht zu den Prototypen des laufstarken Pressing-Stürmers, genauso wenig wie Cristiano Ronaldo bei United.

Eine von Rangnicks Aufgaben: Die beste Position für David Alaba finden

Rangnicks elementare Aufgabe dürfte zudem sein, die optimale Rolle für David Alaba zu finden: Weder unter Marcel Koller noch unter Foda hatte das Nationalteam ein festes, geordnetes Konzept, in dem Alaba seine Stärken ausspielen konnte, die - inzwischen ist das auch mit drei Champions-League-Titeln untermauert - in der Zentrale liegen.

Rangnick hatte Alaba einst als Leihspieler zu Hoffenheim holen wollen, letztendlich scheiterte es damals im ersten Versuch auch daran, dass er schon als 18-Jähriger in der Zentrale spielen wollte, Rangnick allerdings einen Linksverteidiger brauchte. Ähnlich gestaltet sich die Situation aktuell, auch in Österreich wäre die Linksverteidiger-Position noch zu besetzen. Es ist allerdings durchaus vorstellbar, dass Alaba diesmal in einer Dreierkette zur Geltung kommt.

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Am Mittwoch wird er nach den Feierlichkeiten in Madrid am frühen Nachmittag in Bad Tatzmannsdorf erwartet, dann stehen die finalen Trainingseinheiten vor dem Spiel gegen Kroatien am Freitagabend (20.45 Uhr) an. Dass unter dem stoischen Beobachter und seinem Trainer-Team andere Ansprüche gelten als zuletzt, dürfte Alaba dann ebenso schnell mitbekommen wie seine Mitspieler. "Intensiv" und "sehr, sehr anstrengend" sei das erste Training gewesen, sagte ein etwas überraschter Kalajdzic, der vor Publikum mit einer entspannten Einheit zum Reinkommen gerechnet hatte. Entspannung, so der erste Eindruck aus dem Kurort, steht unter Ralf Rangnick in Österreich aber nicht im Vordergrund.

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