Randalierer bei Dynamo Dresden:Aufstand gegen die Freizeitgangster

Arminia Bielefeld v Dynamo Dresden - 2. Bundesliga

Fans von Dynamo Dresden werden von Polizisten zum Bielefelder Stadion geleitet.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

17 Polizisten und ein Pferd sind verletzt: Am Wochenende haben Anhänger von Dynamo Dresden in Bielefeld randaliert. Der Klub sagt ihnen nun den Kampf an.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Seit Jahren steht die SG Dynamo Dresden unter dem ständigen Verdacht, ihre größte Gefahr gehe nicht von ihren Stürmern aus, sondern von ihrer Fan-Szene. Teile dieser liefern für diesen Verdacht immer wieder rauchende und blutige Belege, und trüge nicht schon die Stadionzeitschrift diesen Namen, man könnte die zyklischen Fan-Exzesse und ihre Folgen als "Dynamo-Kreisel" bezeichnen.

Erst kracht es, dann kommt der Schock, dann das Ringen um Verbesserungen - gefolgt von einer vierten Phase, einer des Friedens. Und dann? Dann kracht es irgendwann wieder. So lief es bisher immer.

Gerade tritt der Verein wieder von Phase zwei in Phase drei über. Phase eins war von 200 bis 250 Krawallmachern am vorigen Freitag beim Zweitligaspiel in Bielefeld gestartet worden. 17 Polizisten und ein Pferd wurden verletzt, einige Angereiste marodierten in einem Supermarkt. Dennoch wurden nur fünf Personen vorläufig festgenommen, es gab 22 Strafanzeigen - ein Ausweis dafür, wie gering der Druck der Strafverfolgung bislang ist.

Marcus Uhlig, der Geschäftsführer von Arminia Bielefeld, forderte eine andere drastische Sanktion: den Liga-Ausschluss von Dynamo. So unrealistisch dieser Wunsch klang und so wenig seine Umsetzung Dresden helfen würde, das Gewaltproblem in den Griff zu bekommen, so sehr war er auch ein Ausdruck fehlenden Vertrauens in den Klub.

An diesem Vertrauen scheint es selbst in Dresden zu mangeln. Das zeigten die aufrichtigen, aber irgendwie hilflosen Reaktionen des Vereins am Wochenende ("zutiefst beschämt"). Und das zeigt auch eine Pressekonferenz am Montagnachmittag. Zu Beginn erinnert Sprecher Henry Buschmann für einen Moment daran, dass man gerade lieber über etwas anderes reden würde, zum Beispiel die erfolgreichste Hinrunde von Dynamo Dresden in der zweiten Liga. Stattdessen stehe "der Verein einmal mehr am bundesweiten Pranger".

Olaf Janßen hatte Dynamo nach sechs Spieltagen als Trainer übernommen, gerade mal drei Punkte waren bis dahin geholt worden. Nun sind es 20 - und das erwähnt Janßen nicht aus zufälliger Selbstzufriedenheit.

Er erwähnt es, weil er verdeutlichen will, dass auch der sportliche Erfolg angegriffen werde, wenn Freizeitgangster in Bielefeld Feuerlöscher aus einem Kino klauen oder die Geldkassetten von Cateringständen im Stadion. Auf zwei Prozent schätzt Janßen den Anteil der Kriminellen, aber diese fänden "Deckung in den Reihen unserer Fans" und seien dadurch "für die Behörden und die Polizei nicht zu greifen".

Dann krachte es wieder

Das sind denn auch die beiden wesentlichen Punkte von Janßens Argumentation. Erstens gebe es jene, die "Schande über diesen Verein" gebracht haben - und man werde "das Gefühl nicht los", dass die Krawalle von Bielefeld bewusst eine Woche nach dem von DFB, DFL und Dynamo ausgehandelten Kompromiss ausgebrochen seien - der Verein hatte seinen Verzicht auf eine Zivilklage gegen den Ausschluss aus dem DFB-Pokal dieser Saison erklärt und im Gegenzug eine Art Amnestie erhalten. Dynamos Vorstrafenregister sollte gelöscht werden, von Haulust zu Paulus, das war der Plan. Aber dann krachte es eben wieder.

Zweitens, sagt Janßen, seien nun aber vor allem die gefühlten "98 Prozent" der Fans gefragt. Er wolle den Finger in die Wunde legen, statt damit auf andere zu zeigen: "Schaut nicht weg. Gebt diesen Kriminellen keinen Unterschlupf. Erhebt euch und zeigt die Stirn. Schiebt die Vermummten in die erste Reihe, damit Gesetz und Justiz sie ermitteln können. Denn Hass und Gewalt werden den Fußball zerstören und (...) das, was ihr liebt: euren Verein."

Janßen will Fans erreichen, die keine Täter sind, aber von Taten wissen und etwa Tickets für Krawallbrüder besorgen. Mitgezeichnet wird sein Aufruf von stummen Beisitzern: von Hans-Jürgen Dörner (Aufsichtsrat) und den Spielern Benjamin Kirsten, Christian Fiel und Robert Koch.

Der Dynamo-Kreisel dreht sich weiter, aber was könnte Janßen machen, außer seine verbalen Mittel auszuschöpfen? Einen Fortschritt mag der Cheftrainer darin erkennen, dass Dresden die Verantwortung mal nicht bei Dritten sucht, sondern bei sich selbst. Auch das war ja ein Muster der vergangenen Jahre, und so ganz falsch lagen die Fans aus Cottbus mit ihrem Spott nicht, als sie in diesem Dynamo-Jubiläumsjahr ein Transparent hochhielten, auf dem stand: "60 Jahre - und immer sind die anderen schuld."

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