Süddeutsche Zeitung

LA Rams in der NFL:Wenn nicht jetzt, dann sehr lange nicht mehr

Lesezeit: 3 min

Die Los Angeles Rams haben die Zukunft geopfert, um in dieser Saison den Super Bowl zu gewinnen, der in ihrem neuen Stadion ausgespielt wird. Kann es mit ihrem "Finale dahoam" klappen?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

7500 Dollar. Das ist der Preis, der derzeit für das billigste Super-Bowl-Ticket ausgerufen wird. Völlig irre, natürlich, und doch irgendwie verständlich: Es gibt in Los Angeles nun mal genügend vermögende Leute, und für die gibt es die Aussicht auf einen "Super Bowl At Home". Finale daheim also, sollten die Rams das Endspiel der National Football League (NFL) erreichen; noch dazu in ihrem erst zu dieser Spielzeit eröffneten Tempel im Süden der Stadt, den sie direkt neben The Forum gebaut haben. Das ist jene legendäre Arena, in der die Showtime-Lakers in den 1970er- und 1980ern-Jahren Basketball-Titel gewannen; nun sollen - nein, müssen die Rams obsiegen. Die Los Angeles Times titelte, was jeder in der Stadt weiß: "Jetzt - oder sehr lange nicht mehr."

Der Druck ist immens gewesen vor dem Achtelfinale daheim am Montagabend gegen die Arizona Cardinals - auch weil die Football-Franchise tatsächlich ihre Zukunft geopfert hat, um in dieser Saison erfolgreich zu sein. Und so ist die Zusammenstellung des Kaders auch ein Lehrstück darüber, wie die NFL tickt, wie ein Verein dort erfolgreich sein kann - oder wie er all seine Chips zum falschen Zeitpunkt in die Mitte schiebt und pleitegeht.

Der amerikanische Sport ist, im Gegensatz zur investorengeprägten Monokultur in Europas Fußball, eine recht ausgeglichene Angelegenheit: Der Großteil der Einnahmen wird gleichermaßen auf alle 32 Franchises verteilt, es gibt eine Gehaltsobergrenze, und bei der Wahl der besten Nachwuchsspieler ist zuerst jener Verein dran, der in der Saison davor die schlechteste Bilanz verkraften musste. Es gibt also keine Möglichkeit, sich mit sehr viel Geld einfach eine Siegertruppe zusammenzukaufen (genauso wenig gibt es Klubs in finanziellen Nöten), die drei Strategien zur Verbesserung des Kaders sind also: Talentbörse, Tauschgeschäfte und cleveres Verhandeln mit vertraglosen Spielern.

Behutsames Basteln, umsichtiges Aufbauen? Nicht in Los Angeles!

Die Strategie der Rams, vereinfacht ausgedrückt: Pfeif auf diese Talentbörse und das Fördern junger Akteure! Sie haben, um Quarterback Matthew Stafford von den Detroit Lions zu erhalten, nicht nur ihren Stamm-Spielmacher Jared Goff (der sie 2019 noch ins Endspiel führte) nach Detroit geschickt, sie haben auch ihr Erstrunden-Wahlrecht in den kommenden zwei Jahren geopfert. Während der Saison holten sie noch Linebacker Von Miller von den Denver Broncos und gaben dafür ihren Zugriff auf die zweite und dritte Runde in der Talentbörse in der kommenden Sommerpause auf. Behutsames Basteln, umsichtiges Aufbauen? Nicht in Los Angeles, wo alles außer Titel und Spektakel nicht mit Pfiffen, sondern mit Desinteresse bestraft wird. Um morgen kümmern sie sich seit jeher erst morgen in dieser Stadt.

Kann das klappen? Nun, Stafford ist ein herausragender Spielmacher, er hat nach zwölf Jahren in Detroit eingesehen, dass die Lions das wohl einzige Team sind, das trotz mittelfristiger Chancengleichheit nicht einmal versucht, den Titel zu gewinnen. Nur stellt sich nach dieser Saison eine ähnliche Frage, die sich die Rams schon bei Staffords Vorgänger Jared Goff gestellt haben: Waren die Lions eigentlich trotz oder wegen Stafford so erfolglos? Stafford sagte am Donnerstag: "Ja, es ist ein Mannschaftssport. Ich weiß aber auch, dass ein Team eine größere Siegchance hat, wenn der Quarterback gut spielt."

Will heißen: Bei den zwölf Siegen der Rams in der Hauptrunde spielte Stafford sehr gut, sein sogenanntes Rating (die allgemein anerkannte Messzahl für die Leistung eines Spielmachers) lag im Schnitt bei 114. Bei den fünf Niederlagen: 83,5. Zwar beschäftigen die Rams noch weitere Ausnahmekönner, in der Verteidigung neben Miller noch Aaron Donald und Jalen Ramsey, in der Offensive zudem die grandiosen Passempfänger Cooper Kupp und Odell Beckham Jr., den sie im November nach dessen Rauswurf bei den Cleveland Browns geholt haben. Doch der Druck lastet auf Stafford, der in seiner Karriere bislang kein einziges Playoff-Spiel gewonnen hat.

"Ballverluste sind Berufsrisiko", sagt Trainer Sean McVay über Stafford, der in dieser Saison 41 Touchdown-Pässe geschafft, aber eben auch 17 Mal in die Arme der Gegner geworfen hat. McVay spürt den Druck ebenfalls, er muss heuer beweisen, dass er ein Team nicht nur im zarten Alter von 32 Jahren in den Super Bowl coachen kann, wie vor drei Jahren, sondern dort auch zu gewinnen imstande ist - insbesondere mit diesem Kader.

Durch die 24:27-Niederlage am vergangenen Wochenende gegen San Francisco rutschten die Rams in der Setzliste allerdings so weit nach hinten, dass Division-Rivale Arizona Cardinals nächster Gegner wurde, gegen den sie in dieser Saison daheim schon verloren haben. Bei einer Niederlage könnten die Rams wegen des Risikos, das sie eingegangen sind, auf Jahre in die Bedeutungslosigkeit rutschen.

Sie brauchen also einen Sieg, einen überzeugenden am besten, damit die Angelenos wirklich an die Finalteilnahme glauben - im Viertelfinale könnte es dann bereits zum Duell mit Tampa Bay kommen. Und sollten die Rams doch früh scheitern? Dann würden wohl zumindest die Preise für die Super-Bowl-Tickets drastisch sinken.

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