Race-Snowboard:Rennmaschine in der Google-sicheren Topfebene

Lesezeit: 3 Min.

Besser geht nicht: Ramona Hofmeister gewann im vergangenen Winter als erste Deutsche in einer Saison alle drei Gesamtwertungen. (Foto: Lukasz Gagulski/dpa)

Ramona Hofmeister ist vor dem Saisonstart am Wochenende in China die große Favoritin in allen Disziplinen und will ihre drei Kristallkugeln verteidigen. Das größte Ziel ist aber der WM-Titel im März.

Von Thomas Becker

Es gibt sie also doch noch: Orte, die nicht auf Google Maps zu finden sind. Erstaunlich, wo man doch längst sogar die eigenen Gartenstühle im Netz begutachten kann. Aber den Weg nach Mylin? Findet Google nicht. Was das Internet hergibt, sind ein paar dünne Daten zum Skigebiet dort: zwei Lifte, 480 Höhenmeter, zwischen 1180 und 1660 Metern Höhe. Dazu das Sijishan Hotel mit 194 Zimmern. Und sonst? Auf Facebook ein Video: 61 Minuten lang ist der topfebene Kinderhang zu sehen, bei Sonne, aber fast ohne Kinder. In diesem abstrusen Setting starten die weltbesten Race-Snowboarder in die WM-Saison, Samstag im Parallel-Riesenslalom, Sonntag im Parallel-Slalom.

In der Woche darauf geht’s nach Yanqing, Provinz Xiaohaituo, wo zuletzt die Alpinen um Olympia-Medaillen fuhren. Wie Ramona Hofmeister diese Reise in Nirgendwo findet? „Erst zwei Rennen in dem einen Ort, den ich nicht aussprechen kann, und dann zwei in dem anderen, den ich nicht aussprechen kann.“ Subtext: Mir doch wurscht, wo ich gewinne. Die seit Jahren dominierende Athletin drückt es so aus: „Ich kriege meinen Rennplan, und dann passt das schon.“

Es ist als Leistungssportlerin wohl kein Schaden, so gepolt zu sein wie die 28-Jährige aus Bischofswiesen. Bloß nicht zu viele Gedanken machen. Oder halt andere: Im Sommer bildet sich die Polizistin stets weiter, beschäftigt sich mit Spurensicherung, Tötungsdelikten, Rauschgift und Grenzschutz – was offenbar den Kopf frei macht.

Mit Erfolg: Im vergangenen Winter gewann sie als erste Deutsche in einer Saison alle drei Gesamtwertungen, Hashtag Globemeister. Von 13 Rennen hat sie fünf als Siegerin beendet, bei drei weiteren stand sie auf dem Podest. Nach dem vierten Triumph im Gesamtweltcup gewann sie zum fünften Mal die Disziplin Parallel-Riesenslalom und erstmals auch die Wertung im Parallel-Slalom. Macht summa summarum zehn Kristallkugeln.

Das übergeordnetes Saisonziel von Ramona Hofmeister ist der Weltmeistertitel, einer von wenigen, die ihr noch fehlen

Da stellt sich die Frage, wo sie die gläsernen Trophäen und die zwecks Verpackung nötigen, sperrigen Alu-Koffer daheim alle hinpackt? „Die Koffer auf den Dachboden“, erzählt Hofmeister, „die brauche ich ja nicht so oft, nur bei Terminen und Events sind die Kugeln immer mit dabei. Die anderen Pokale habe ich ein bisschen in der Familie verteilt. Aber die Kristallkugeln, der Bayerische Sportpreis und die Trophäen als Athlete of the year sind alle bei mir daheim.“

Erstmals zeichnete Michael Hölz, der Präsident von Snowboard Germany, heuer zwei „Athleten des Jahres“ aus: Der 20-jährige Leon Ulbricht vom SC Rötteln gewann als erster deutscher Snowboardcrosser zwei Goldmedaillen bei der Junioren-WM, landete in der vergangenen Saison den ersten Weltcupsieg und stand ein weiteres Mal auf dem Podium. Preisträgerin Nummer zwei: Ramona Hofmeister, klar. Auch der Titel „Coach of the Year“ ging an die Racer: Christian Hupfauer, bis vor drei Jahren selbst Weltcup-Athlet, unterstützt Cheftrainer Paul Marks, führt den Nachwuchs an den Weltcup heran und hat großen Anteil an Hofmeisters Erfolgen.

Die Seriensiegerin wurde auch in diesem Sommer wieder „sehr gequält vom Athletik-Trainer“, wie sie sagt: „Das war richtig gut. Im Kraftraum waren die Einheiten noch intensiver. Ich habe noch mehr Fokus auf Schnellkraft gelegt. Ich bin sehr zuversichtlich.“ Vor der vergangenen Saison hatte sie den Ausrüster gewechselt und die Abstimmung auf das neue Board nun abermals verbessert. Keine guten Nachrichten für die Konkurrenz. Und trotz all der Siege: keine Spur von Sättigung. „Das motiviert nur noch mehr, wenn man am Ende der Saison mit drei Kugeln nach Hause gehen darf. Man will zeigen, dass man es noch drauf hat und die Kugeln verteidigen will. Verzichten will ich jedenfalls auf gar nichts. Deshalb versuche ich, gleich einen guten Einstieg zu finden.“

Die Kristallkugel für den Gesamtweltcupsieg im Parallel-Riesenslalom ist eine der drei, die Ramona Hofmeister verteidigen will. (Foto: Olimpik/NurPhoto/Imago)

Eben in Mylin, dem Mini-Resort nordöstlich von Peking, nahe der Millionen-Stadt Chifeng in der Inneren Mongolei. „Totales Neuland“, sagt Sportdirektor Andreas Scheid. Neben Hofmeister gehen auch Melanie Hochreiter (Bischofswiesen), Cheyenne Loch (Schliersee) sowie Stefan Baumeister (Aising-Pang), Yannik Angenend (Lengdorf), Elias Huber (Schellenberg) und Ole Mikkel Prantl (Königssee) auf Punktejagd. In einem Kurzvideo beschreiben sie ihre erfolgreichste Athletin: „Rennsau“, „Rennmaschine“, „Der is alles egal. Die will einfach nur gewinnen.“

Die einzige Schwachstelle, die Hofmeister stoppen könnte, ist der Rücken, der hin und wieder Probleme bereitet. Auch die Terminierung des Saison-Höhepunkts ist nicht ideal: Die WM in St. Moritz findet von 16. bis 30. März statt – da muss man Form und Konzentration lange hochhalten. Doch Hofmeister hat längst ein Ziel formuliert: „Bei der WM fehlt mir noch eine Farbe.“ Bronze und Silber hat sie schon. Auch bei Olympia ist noch Luft nach oben: Da liegt bislang nur eine aus Medaille aus Bronze daheim.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Snowboarderin Hofmeister
:"Ich weiß auch langsam nicht mehr, was ich noch machen soll"

Ramona Hofmeister rast ins Geschichtsbuch: Die 27-Jährige ist die erste Snowboarderin, die alle drei Kristallkugeln in einer Saison holt. Dennoch hat sie Probleme, Sponsoren zu finden.

Von Thomas Becker

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: