Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Der 17. wird zum Vorbild für die Liga

Ralph Hasenhüttl kehrt als Leipziger Trainer nach Ingolstadt zurück - und verliert zum ersten Mal in dieser Saison. Ingolstadt-Trainer Walpurgis punktet mit einem besonderen Plan.

Von Sebastian Fischer, Ingolstadt

Ralph Hasenhüttl ist ein impulsiver Fußballtrainer, er neigt zum Hüpfen oder wilden Gestikulieren am Spielfeldrand, doch jetzt, in diesem Moment, der womöglich ein Wendepunkt dieser Saison sein könnte, verharrte er nahezu regungslos. Zwölf Minuten waren in Ingolstadt gespielt, da sah der Leipziger Trainer nicht nach links, da jubelten die Ingolstädter Fußballer an der Eckfahne; er sah auch nicht nach rechts, da jubelten noch mehr Ingolstädter auf der Auswechselbank. Hasenhüttl blickte stur nach vorne, er schüttelte kaum merklich den Kopf. Er wollte die Geister, die er gerufen hat, nicht sehen.

RB Leipzig hat am Samstag die Tabellenführung abgegeben und am 14. Spieltag erstmals verloren, mit 0:1 beim FC Ingolstadt. Die Niederlage begann in der 12. Spielminute: Ingolstadts Anthony Jung schlug einen Freistoß vors Tor, die Leipziger Verteidigung rückte zu weit auf, Ingolstadts Brasilianer Roger sprang allein im richtigen Moment hoch, verlängerte den Ball in die lange Ecke. Weil es den Leipzigern in der restlichen Spielzeit erstmals in dieser Saison nicht gelang, ein Tor zu schießen, ist nun der Tabellen-Siebzehnte Ingolstadt das Vorbild für die Liga, die den Aufsteiger RB Leipzig gerade zu fürchten begann. Und Ingolstadt, das ist noch immer ein bisschen Hasenhüttl.

Walpurgis wusste, wie Leipzig spielen würde

Er hatte sein Gesicht zu einer furchteinflößenden Grimasse verzogen, nachdem er vor dem Spiel zum ersten Mal aus dem Spielertunnel links in Richtung Bank der Gästemannschaft abgebogen war. Rechts, auf der Ingolstädter Bank, das war ja zweieinhalb Jahre lang bis zum Sommer sein Platz gewesen. Dort hatte er mit dem Bundesliga-Aufstieg und dem Klassenverbleib seine größten Erfolge gefeiert, dort hatte er am Ende geweint, als er sich im Sommer zur Enttäuschung seiner Vorgesetzten nach Leipzig verabschiedete.

Dort, auf der FCI-Bank, sitzt seit knapp einem Monat Maik Walpurgis, und der hatte sich in dieser Woche einen besonderen Plan ausgedacht. Anstatt wie üblich zwei, stellte der FCI-Trainer drei Innenverteidiger auf, Mittelfeldspieler Roger rückte als dritter Abwehrspieler nach hinten, manchmal spielte er eine Art Ausputzer. Er kenne Leipzig sehr gut, referierte der Trainer, der den Glauben an den Klassenverbleib nach Oberbayern zurückgebracht hat. Sowohl mit den Sportfreunden Lotte als auch mit dem VfL Osnabrück hatte er in der vierten und dritten Liga gegen die Emporkömmlinge aus dem Osten gespielt.

"Die Dreierkette lag sehr nahe", sagte Walpurgis. Tor-Vorbereiter Jung lobte, dass er selten so gut auf einen Gegner eingestellt worden sei, "wir wussten, wie sie spielen", sagte auch dessen Kollege Alfredo Morales. Walpurgis' Plan ging auf. Doch das war nicht das ganze Geheimnis des Spiels.

Dass auch noch ein etwas von Hasenhüttls Lehre in Ingolstadt geblieben ist, war gleich zu Beginn offensichtlich. Walpurgis hat ein paar der alten Qualitäten wieder etabliert, die in der Liga als "eklig" gefürchtet worden waren. Die Ingolstädter, dies nur eines, aber ein vielsagendes Beispiel, beginnen das Spiel, indem sie den Ball vom Anstoß ganz nach hinten zu Verteidiger Marvin Matip passen, der ihn für Roger auflegt. Und der schlägt ihn erst mal so weit vom eigenen Tor weg, wie er nur kann.

Ingolstädter Fußball, das ist unter Walpurgis wieder anspruchsvoller Zweitligafußball, der keinem Erstliga-Gegner gefällt. Hasenhüttl erklärte hinterher einsilbig Leipzigs Fehler: Der gestürzte Tabellenführer habe sich auf das niveauarme Spiel eingelassen, "der Gegner hat uns sein Spiel aufgezwungen". Das bedeutete: viel Leidenschaft und wenig Spielfluss.

"Jeder, der den FCI in den letzten Jahren ein bisschen verfolgt hat, weiß, dass sich jeder überall rein schmeißt", sagte Morales. Der Mittelfeldspieler behauptete zwar, es habe ihn "nicht gejuckt", wer der Trainer des Gegners am Samstag war. Doch es blieb der Eindruck, dass die Spieler des FCI mit noch ein wenig mehr Schaum vor dem Mund spielten, als es ohnehin ihre Eigenart ist. Sie blieben auch in Bedrängnis das konsequentere Team.

Hasenhüttl wollte die Dreierketten-Idee als so einzigartig nicht anerkennen, das hätte Freiburg ähnlich gespielt, sagte er; Freiburg hatten seine Spieler mit 4:1 geschlagen. Doch so ratlos wie in Ingolstadt wirkten die Leipziger noch nie in der Saison. "Wir haben viel den Ball gehabt, aber unser Spiel mit dem Ball war nicht gut genug", sagte Emil Forsberg. Der zuletzt so überragende Schwede litt besonders unter der Ingolstädter Taktik, die Mitte dicht zu machen.

Forsberg schoss einfach vorbei

Forsberg fand nicht ein einziges Mal die Spitzen Timo Werner und Yussuf Poulsen, und kurz vor Schluss vergab er eine von insgesamt zwei Torchancen. Er tauchte allein vor FCI-Keeper Örjan Nyland auf, der nach einer Stunde den verletzten Martin Hansen ersetzte, doch Nyland musste gar nicht eingreifen: Forsberg schoss einfach vorbei. "Kopf hoch", sagte er später, mehr zu sich selbst als zu den Journalisten.

Und Hasenhüttl? Der Österreicher erklärte trotzig, man werde schon nächsten Samstag sehen, ob die erste Niederlage seiner jungen Mannschaft zu schaffen machen werde. Das sollte Nein heißen. Über seine Gefühle, an den Ort seines Aufstiegs zurückzukehren, wollte er nicht so gerne sprechen. "Es war schon ein bisschen anders", aber: "Ich sehe das nicht als ein Spiel, das wir ausgerechnet hier verloren haben." Sagte der Mann, der ausgerechnet in Ingolstadt sein erstes Spiel als Leipziger Trainer verloren hat, und ging.

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Quelle:
SZ vom 11.12.2016/ska
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