Ralf Rangnick arbeitet wieder:Leitbulle für zwei Städte

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Erst Burn-Out, jetzt "voller Energie": Ralf Rangnick kehrt zum Fußball zurück - als Sportchef in Doppelfunktion bei Red Bull Salzburg und RB Leipzig hat der Trainer ambitionierte Ziele. Um diese zu erreichen, suchte er sich seine Vereine gut aus. Im Vordergrund stehen vor allem finanzielle Möglichkeiten.

Moritz Kielbassa

Ralf Rangnick hat dem Fußball schon einige historische Episoden beschert. Er war der erste deutsche Trainer, der im Farbfernsehen die Raumdeckung erklärte (ZDF, 1998). Als erster deutscher Trainer führte er einen Klub von der dritten Liga auf Platz eins der ersten (Hoffenheim). Und im Herbst 2011 legte er als erster Bundesliga-Coach wegen eines Burn-outs die Arbeit nieder (bei Schalke 04).

Einmal Burn-Out und zurück: Ralf Rangnick arbeitet wieder. Diesmal als Sportchef bei Red Bull.  (Foto: dapd)

Sein historisches Vorhaben, als erster deutscher Cheftrainer in England zu arbeiten, hat er nun jedoch vertagt. Neun Monate nach seiner Krankmeldung trat er am Montag überraschend den Dienst bei Red Bull Salzburg an, als Sportchef, zuständig auch für die Filiale in Leipzig. Rangnicks wichtigste Nachricht: "Mir geht es so gut wie ewig nicht mehr. Ich bin voller Energie."

Der 53-Jährige wechselt erstmals ins Direktoren-Büro. Den neuen Trainer für Salzburg suchte er bereits selber aus: Roger Schmidt, 45, zuletzt beim Zweitligisten SC Paderborn erfolgreich, löst Ricardo Moniz ab, er soll den österreichischen Meister mit Rangnick auf ein neues Niveau heben. Die Pläne des mit Dosenlimonade reich gewordenen Konzernchefs Dietrich Mateschitz, im Fußball eine Marke zu werden wie in der Formel 1, schreiten bisher zähflüssig voran.

Salzburg gewann soeben zwar erstmals das nationale Double, doch das lag eher am Rest der Liga. Die eigene Leistung war oft mäßig, die Tribüne leer: "In Salzburg gilt es, die Zuschauer zurück ins Stadion zu bringen. Bei der EM bin ich manchmal auf dem Sofa eingeschlafen. Bei Red Bull wollen wir in beiden Städten attraktiven Fußball bieten", sagte Rangnick forsch.

Die wahre Sehnsucht von Bullen-Boss Mateschitz, mit Salzburg erstmals in die Champions League einzuziehen, erfüllte sich bisher noch nie, trotz renommierter Trainer wie Stevens oder Trapattoni. Dieser Punkt reizt Rangnick, da decken sich die Interessen. Er selbst stand mit Schalke im Halbfinale von Europas Bestenliga, und in Hoffenheim ging es auch deshalb zu Ende, weil Rangnicks internationale Ambitionen dem Mäzen nicht geheuer waren. Mateschitz schweben Prestigeerfolge in Europa vor, wie sie zuletzt dem Schweizer Meister Basel gelangen.

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Die einen werden ausgelacht, andere dürfen ordentlich blechen: Bei der EM ist wahrlich nicht jeder ein Gewinner. Die Holländer müssen wegen ihres frühen Scheiterns Witze über sich ergehen lassen, einem Russen droht gleich das Exil - und sogar Jürgen Klopp hat wenig Grund zur Freude.

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Vor allem aber muss - und kann - Rangnick bei Red Bull ein Projekt anschieben, das ihn an die Anfänge in Hoffenheim erinnert. Es ist erneut die Kombination aus viel Geld - und der Freiheit des fachlich fundierten Gestaltens, mit langfristiger Perspektive. Die Millionen von Mateschitz sind natürlich wichtig, es war aber auch keine hohle Phrase, dass Rangnick (Vertrag bis 2015) am Montag "die tolle Nachwuchsakademie von Red Bull" hervorhob. Die Kader zu verjüngen, ist ein Kernpunkt der Umbau-Konzepte.

In Salzburg geht's los; die größten Möglichkeiten, etwas zu designen, könnten jedoch mittelfristig in Leipzig liegen. Im ostdeutschen Fußballloch einen Bundesligisten hochzuziehen, gilt schon als das übergeordnete Ziel von Mateschitz. "Die Leute in Leipzig lechzen nach Profifußball, wir wollen sofort aufsteigen", betonte Rangnick. Trotz hohen Etats verpasste RB Leipzig zuletzt zwei Mal den Sprung von der Regional- in die dritte Liga. Trainer Peter Pacult droht die Ablösung - wie 2011 seinem Vorgänger Tomas Oral.

Solche Personalien gehören jetzt zur Richtlinienkompetenz von Rangnick. Der Schwabe, bisher Fußballlehrer mit Leib und Seele, muss nun in neuer Rolle zurechtkommen. Früher neigte er zum Allesmacher, als Trainer nahm er bei vielen Klubs auch Manageraufgaben wahr, in Hoffenheim und Ulm sah er sich "als Projektleiter". Ganz bewusst aber wollte Rangnick bei Red Bull nicht Sportchef und Trainer in einem werden. Er zog Lehren aus seinem Erschöpfungssyndrom: gesündere Ernährung, weniger Hektik, handyfreie Stunden, solche Dinge.

Seit er sich im Februar gesundgemeldet hatte, erhielt er diverse Trainerangebote. Er sagte Hertha BSC und Köln ab, Anderlecht, Besiktas Istanbul und West Bromwich. Red Bull hält er für das Passende, Mateschitz persönlich überzeugte ihn am Wochenende in langen Gesprächen. Zusätzlich wurde der französische Ex-Trainer Gerard Houllier, 64, als neuer "Global Sports Director" verpflichtet, für alle RB-Fußballprojekte weltweit.

Bei Rangnicks Entscheidung war auch ein kleiner Wohlfühl-Aspekt, dass er sich gerne im Salzburger Raum aufhält. Er hat hier Freunde und sogar einen Zahnarzt, während seiner Erholungsmonate im vergangenen Winter wurde er auch in der Mozartstadt gesichtet. Die erste Dienstreise mit dem Salzburger Team führt nun - auf kurzer Strecke - ins Trainingslager nach Leogang. Dort hatte Rangnick stets auch Hoffenheim auf die Saison vorbereitet.

© SZ vom 26.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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