SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 1:In den Seilen

SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 1: Geschundene Seele: Robert De Niro als Boxer Jake LaMotta in dem Film "Raging Bull" ("Wie ein wilder Stier").

Geschundene Seele: Robert De Niro als Boxer Jake LaMotta in dem Film "Raging Bull" ("Wie ein wilder Stier").

(Foto: United Artists/Bearbeitung SZ)

Psychogramm eines Mannes, für den das Leben ein einziger Kampf ist: "Raging Bull" ist der beste Sportfilm der Filmgeschichte - dabei wäre das durchgängig finstere Drama über den Boxer Jake LaMotta um ein Haar gar nicht gedreht worden.

Von Benedikt Warmbrunn

Sportfilme haben es von Natur aus schwer: Der geneigte Sportfan erkennt sofort, dass selbst begnadete Schauspieler nicht zwingend Topathleten sind und Topathleten noch seltener begnadete Darsteller. Doch in den vergangenen Jahren ist die Auswahl gelungener Filme immer größer geworden: Die SZ-Sportredaktion stellt 22 von ihnen vor und kürt damit die - höchst subjektiven - 22 besten. Diesmal Platz 1: "Raging Bull".

Dies ist ein brutaler Film. Türen werden eingeschlagen, Köpfe mit Autotüren bearbeitet, einige Frauen werden eingeschüchtert, werden terrorisiert, und im Ring kassieren die Boxer Schläge und Schläge und Schläge, immer wieder schnalzt ein Boxerkopf nach hinten, nicht selten ist es der der Hauptfigur, von Jake LaMotta (Robert De Niro). Das allein könnte als plumpe Ansammlung von Gewaltszenen missverstanden werden, doch was diesen Film so brutal macht, ist die Schonungslosigkeit, mit der er die Frage beantwortet, warum ein Boxer ein Boxer wird.

Es ist diese Schonungslosigkeit, die "Raging Bull" zu einem Klassiker der Filmgeschichte gemacht hat, vielleicht sogar zu dem Klassiker der Sportfilmgeschichte. Dabei stand es um dieses Projekt lange wie um einen Boxer, der am Ringboden liegt, angezählt wird und auch bei "9" noch nicht aufgestanden ist.

SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 1: Sturheit zahlt sich aus: Es dauerte ein paar Jahre, bis Robert De Niro (rechts) den Weggefährten Martin Scorsese überzeugt hatte, die Regie bei "Raging Bull" zu übernehmen. De Niro bekam im Frühjahr 1981 einen Oscar - Scorsese musste noch ein Vierteljahrhundert warten.

Sturheit zahlt sich aus: Es dauerte ein paar Jahre, bis Robert De Niro (rechts) den Weggefährten Martin Scorsese überzeugt hatte, die Regie bei "Raging Bull" zu übernehmen. De Niro bekam im Frühjahr 1981 einen Oscar - Scorsese musste noch ein Vierteljahrhundert warten.

(Foto: Richard Grant/United Artists / imago)

Die Härte, die dann auch der Film transportieren sollte, bekamen alle Beteiligten schon vor den Dreharbeiten zu spüren. Mitte der Siebzigerjahre hatte De Niro die Biografie von LaMotta gelesen, ihn ließ das Leben dieses Boxers nicht mehr los. Also versuchte er, Martin Scorsese als Regisseur zu gewinnen, doch dieser lehnte lange ab, obwohl die beiden bei "Mean Streets" ("Hexenkessel"; 1973) und "Taxi Driver" (1976) zusammengearbeitet hatten. Gerade planten sie den Musikfilm "New York, New York", der ein riesiger Flop werden sollte. Was für "Raging Bull" zum Glück wurde. Scorsese betäubte sich mit Drogen, landete im Krankenhaus. Und erkannte den eigenen Misserfolg irgendwann wieder im tragischen Dasein von Jake LaMotta. Er übernahm die Regie.

Steven Bach, Vizepräsident von United Artists, beschrieb in seinem Buch "Final Cut", dass nach der Lektüre des vorläufigen Drehbuchs mehrere Produktionsfirmen abgesagt hatten, und auch bei UA seien sie zunächst überzeugt gewesen, dass dieser Film kaum umzusetzen sei. "Es war brutal deprimierend und deprimierend brutal." Auch die Umsetzung war anspruchsvoll, so musste De Niro für den Übergang vom jungen zum alten LaMotta mitten in den Dreharbeiten 60 Pfund zunehmen, und auch wenn er sich noch so sehr beeilte: Vier Monate brauchte er, vier fette Monate, in denen die Produktion unterbrochen werden musste.

SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 1: Am Ziel seiner Träume? Nur kurz genießt Jake LaMotta sein Glück mit seiner zweiten Ehefrau (Cathy Moriarty), und wie zum Dank wechselt der Film kurz zu Farbe - dann übernehmen Wut und Ungeduld und Misstrauen.

Am Ziel seiner Träume? Nur kurz genießt Jake LaMotta sein Glück mit seiner zweiten Ehefrau (Cathy Moriarty), und wie zum Dank wechselt der Film kurz zu Farbe - dann übernehmen Wut und Ungeduld und Misstrauen.

(Foto: United Artists / The Legacy Collection/Imago)

Bei einem Treffen in Scorseses New Yorker Apartment wurden alle Einwände diskutiert, zu dunkel, zu gewalttätig. Am Ende wurde ein neues Drehbuch in Auftrag gegeben, das weiter durch das Leben eines düsteren LaMotta führte, das ihn aber, wie Bach schrieb, zeigte als einen "Mann, verloren in den Geheimnissen und dem Schmerz seiner eigenen gewalttätigen Natur". Scorsese drehte den Film in Schwarz-Weiß, um ihm etwas Zeitloses zu geben. Und so kam es ja auch: "Raging Bull" wurde ein zeitloser Klassiker der Filmgeschichte, bis zum Beweis des Gegenteils der beste Sportfilm, der bislang gedreht wurde. Weil all die Leidenschaft, die De Niro und Scorsese über Jahre nicht losgelassen hatte, auch den Zuschauer packt. Und damit auch die Frage, warum ein Boxer ein Boxer wird.

Ein Mann wie LaMotta wird nicht zum Boxer, weil er in diesem Sport eine gewisse Ästhetik sieht, auch nicht, weil ihn die Grenzerfahrung reizt. Er wird zum Boxer, weil er sich ohnehin im dauerhaften Kampfmodus befindet, mit der Welt, mit seinen Vertrauten. Vor allem aber befindet er sich im Duell mit den inneren Dämonen.

SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 1: Des Wahnsinns fette Beute: De Niro musste für den Übergang vom jungen zum alten LaMotta mitten in den Dreharbeiten 60 Pfund zunehmen, und auch wenn er sich noch so sehr beeilte: Vier Monate brauchte er, vier fette Monate, in denen die Produktion unterbrochen werden musste.

Des Wahnsinns fette Beute: De Niro musste für den Übergang vom jungen zum alten LaMotta mitten in den Dreharbeiten 60 Pfund zunehmen, und auch wenn er sich noch so sehr beeilte: Vier Monate brauchte er, vier fette Monate, in denen die Produktion unterbrochen werden musste.

(Foto: United Artists/Imago)

Ständig brodelt es in La Motta. Weil er sein Steak zu spät serviert bekommt. Weil er seine Frau des Betrugs verdächtigt. Weil er sich den Gesetzen der Boxszene (sprich: der Mafia) ausgesetzt sieht. Dann wächst die Wut, ganz langsam, Regisseur Martin Scorsese bleibt fast unerträglich nah dabei, er lässt nichts aus, und De Niro füllt jede Szene mit so viel Präsenz, dass klar wird, dass dieses Leben Leiden bedeutet.

LaMotta wird kleine Siege feiern, er wird sein Steak bekommen, seine Traumfrau, den Weltmeistertitel. Gegen die Wut gewinnt er nicht. Am Ende hat er alles verloren, den letzten Kampf gegen seinen ewigen Rivalen Sugar Ray Robinson, seine Ehe und seine Ehre. Schließlich, bereits als Nachtclubbesitzer, muss er ins Gefängnis. LaMotta ist ein fetter, gebrochener, kalter Mann geworden, kein Boxer mehr und auch kein Kämpfer. Im Duell mit den inneren Dämonen hat er alles gegeben.

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