Rafael van der Vaart:Der Engel macht Schluss

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Ex-HSV-Profi Rafael van der Vaart. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Rafael van der Vaart beendet mit 35 Jahren seine Karriere.
  • Zuletzt kickte der Niederländer beim dänischen Erstligisten Esbjerg.
  • Zwei Mal spielte er beim Hamburger SV. Dort sorgte er für Tore, Glamour und Streit.

Von Carsten Scheele

Streng genommen hatte Rafael van der Vaart seine Karriere vor dreieinhalb Jahren schon beendet - damals, im Sommer 2015, als der Hamburger SV im Relegationsrückspiel beim Karlsruher SC in der Nachspielzeit einen Freistoß zugesprochen bekam und sich ein Chilene namens Marcelo Díaz den Ball schnappte. Qua Amt wäre es van der Vaarts Aufgabe gewesen, den Ball in die Maschen zu lupfen und den HSV in die Verlängerung zu retten. Ein Moment wie gemacht für den einstigen Regisseur von Real Madrid, den Schutzheiligen der Stadt Hamburg, den WM-Finalisten von 2010.

Doch Díaz übernahm den Ball, den van der Vaart schon geküsst hatte: "Tomorrow, my friend", soll Díaz seinem viel prominenteren Mitspieler zugeraunt haben. Morgen könne van der Vaart gerne wieder Freistöße schießen, aber nicht jetzt. Díaz nahm Anlauf, drei Tippelschritte, verwandelte, 1:1 - der HSV stieg doch nicht ab.

Und van der Vaart? Jubelte mit, aber das Gefühl war nicht mehr dasselbe.

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Am Montag hat van der Vaart nun seine Karriere ein zweites Mal beendet, diesmal offiziell. Er hat Schluss gemacht beim dänischen Erstligisten Esbjerg, seine Worte klingen endgültig: "Eigentlich wollte ich noch als Opa Fußball spielen", erklärte van der Vaart der Zeitung De Telegraaf, doch im Alter von 35 spiele sein Körper nicht mehr mit. All die Verletzungen! Er sei "hier nicht in der Rehabilitation, sondern um Fußball zu spielen", sagte van der Vaart, "das Vergnügen hört irgendwann mal auf". Diesem Punkt wolle er zuvorkommen.

Natürlich hat sich sofort auch der HSV gemeldet - inzwischen wirklich in die zweite Liga abgestiegen, drei Jahre nach Díaz' Rettungstat: "Danke für alles Rafa", twitterte der Klub, für den van der Vaart 199 Pflichtspiele mit 66 Toren absolviert hatte und für den er alles andere als ein normaler Angestellter war. Zweimal spielte er in Hamburg; erst von 2005 bis 2008, bevor er zu Real Madrid ging, später noch einmal von 2012 bis 2015. "Kleiner Engel" haben sie ihn in Hamburg genannt - in den guten Zeiten, als er in sieben Spielen nacheinander jeweils ein Tor schoss, was beim HSV zuvor nur Uwe Seeler gelungen war. In den schlechten hieß er "Van der Verrat".

Eine unrühmliche Extrarunde durch Europa

Das war 2007, als van der Vaart als eine der heißeren Optionen auf dem europäischen Transfermarkt galt, der HSV ihn aber trotz einer 15-Millionen-Offerte nicht ziehen lassen wollte. Also ließ sich der Niederländer damals im Trikot des FC Valencia fotografieren, um den Wechsel zu forcieren, der letztlich nie zustande kam. "Du kannst gehen, aber lass' Sylvie hier", hieß es damals auf einem Plakat, das Fans in die Luft reckten. Sylvie, seine berühmte damalige Ehefrau, die zusammen mit Rafael eine neue Glamour-Dimension nach Hamburg gebracht hatte, war ohnehin ein gutes Stück beliebter als ihr kickender Gatte.

Van der Vaart und der HSV haben sich später aber wieder versöhnt, er wechselte ein weiteres Mal in die Stadt an der Elbe, die Liaison endete nach Diaz' Zwirbelfreistoß - übrigens auch deshalb, weil sich der HSV van der Vaarts horrendes Gehalt nicht mehr leisten konnte und wollte.

Was folgte, war eine etwas unrühmliche Extrarunde für den 109-fachen Nationalspieler durch Europa, mit vielen Verletzungen und sehr wenigen Einsätzen. Ganze sieben Spiele absolvierte er für Betis Sevilla, dann ging er nach Dänemark zum FC Midtjylland, wo er teilweise bei der Reserve trainieren musste und in der Saison 2017/18 gerade acht Minuten mitwirken durfte, verteilt auf zwei Einwechslungen.

Die Wehmut, nicht rechtzeitig aufgehört zu haben, verspürte er trotzdem nicht. "Ich habe in Top-Wettbewerben bei herrlichen Vereinen gespielt, in den schönsten Stadien", sagte van der Vaart. Zum Abschied hege er "ein warmes Gefühl".

Vielleicht hat van der Vaart damals in Karlsruhe auch alles richtig gemacht. Er hätte den Freistoß ja in die Mauer setzen können. So bleibt van der Vaart ein Spieler, der dem Klub zwar manches abverlangt hat, der aber niemals mit dem HSV abgestiegen ist.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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