Rafael van der Vaart ist ein vielbeschäftigter Mann, eigentlich besetzt er beim Hamburger SV sogar drei Planstellen: Er soll den Verein in dieser Saison sportlich vor dem Abstieg bewahren. Dazu soll er, als erfahrener Nationalspieler, den Lehrmeister geben für die unerfahrenen Kollegen. Und er soll für den nötigen Glanz sorgen, der dem Bundesliga-Urgestein in den vergangenen Jahren abhandengekommen ist.
Mahner beim HSV: Rafael van der Vaart.
(Foto: Bongarts/Getty Images)So lächeln Rafael van der Vaart und seine Frau Sylvie seit ihrer Ankunft auf dem Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel in jede Kamera, die sich ihnen in den Weg stellt (es sind wirklich viele). Sylvie plaudert fröhlich über die Warmherzigkeit der Leute in der Hansestadt, es wird auch über die Zukunft von Söhnchen Damian spekuliert: Beginnt der Neunjährige das Fußballspielen bei Viktoria Hamburg - oder doch beim Nachwuchs des HSV? Damian kickte bereits in der Jugend von Tottenham Hotspur. Sie haben viel zu tun, die van der Vaarts.
Rafael van der Vaart füllt noch eine weitere Aufgabe aus - und zwar eine, die eher unerwartet kommt: Er bremst. Man könnte sagen: zumindest er. Wo rings um ihn herum der Verein abdreht und man sich nach dem 3:2-Sieg gegen Borussia Dortmund vom Wochenende schon der gröbsten Abstiegssorgen entledigt sieht, warnt van der Vaart vor zu viel Euphorie. So nach dem Spiel gegen Dortmund. Da erging sich das HSV-Personal in Lob. Von einem "verdienten Sieg" sprach Trainer Thorsten Fink, ungeachtet dessen, dass der BVB bei den gebotenen Chancen an einem normalen Tag sieben, acht Tore geschossen hätte. Torhüter René Adler attestierte seiner Elf in der Euphorie eine "sensationelle Mannschaftsleistung". Klubboss Carl-Edgar Jarchow hatte schon viele Tage zuvor einen "Stimmungsumschwung" ausgemacht. Dank van der Vaart.
Der blieb etwas ruhiger. Sicher, auch van der Vaart zeigte sich vom Ausgang des Spiels gegen Dortmund erfreut. Der HSV sei endlich wieder als Mannschaft aufgetreten, lobte der Niederländer, das habe ihm gefallen. Doch von einer Wende in dieser schwierigen Saison wollte van der Vaart nichts wissen: "Das ist zu früh zu sagen."
Seine Rolle in Hamburg will van der Vaart ohnehin nicht überbewerten. Er füllt sie dennoch prächtig aus. Er verkauft den HSV positiv nach außen, wie es lange keiner mehr tat. Im Training ist er stets bestens gelaunt, scherzt mit den jungen Spielen, gibt ihnen fortlaufend Tipps. Jungen Kerlen wie Heung-Min Son, Ivo Ilicevic oder Michael Mancienne, die nach den ersten Misserfolgen der vorherigen Spiele arg verunsichert wirkten.
Van der Vaart zieht sie mit. Gegen den BVB bereitete er schon in der zweiten Spielminute den Führungstreffer von Son vor. Später legte er Ilicevic das 2:1 auf, mit einem Pass, der eine Nanosekunde später wirkungslos gewesen wäre - weil Ilicevic dann ziemlich deutlich im Abseits gestanden hätte. "Rafael ist eine Bombe", sagte der Koreaner Son begeistert. Der Niederländer sei genau jener Spieler, den sie beim HSV gebraucht hätten, befand auch Adler. Als van der Vaart nach 87 Minuten ausgewechselt wurde, erhob sich das Publikum vor lauter Glückseligkeit.