Rafael Nadal:Wie ein milder Stier

USA Tennis US Open Grand Slam 2016

Rafael Nadal.

(Foto: Andrew Gombert/dpa)

Der Spanier scheidet bei den US Open in einem hart umkämpften Match gegen den acht Jahre jüngeren Franzosen Pouille aus - und grübelt über seine Zukunft.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gab einmal eine Zeit, da hatten nicht wenige Tennisspieler immer auch ein bisschen Angst vor Rafael Nadal, weil der sie gewöhnlich nicht ausspielte, sondern niederrang. Gerade in packenden Partien zelebrierte er nach prägenden Punkten dieses Ritual, bei dem er ein paar Schritte nach vorne tippelte und danach den Aufwärtshaken eines Kirmesboxers präsentierte. Wie ein wilder Stier wirkte er da. Wenige Spieler hatten Lust darauf, gegen Nadal anzutreten - auch Roger Federer und Novak Djokovic nicht.

Am Sonntagabend in New York zeigte der mittlerweile 30 Jahre alte Nadal seinem Gegner Lucas Pouille immer wieder mal die noch immer prächtig definierten Oberarme. Der Franzose aber registrierte das eher gelangweilt, so wie ein junger Mensch eben mit den Eigenheiten eines Vertreters der älteren Generation umgeht. Es war ein dramatisches Match, bei dem beide Spieler jeweils 156 Ballwechsel gewannen und sich mehr als vier Stunden lang nicht nur bespielten, sondern niederzuringen versuchten. Es siegte am Ende nicht der mit diesen Partien vertraute Nadal, sondern sein acht Jahre jüngerer Gegner, 6:1, 2:6, 6:4, 3:6, 7:6 (6).

Nadal hat immer auch seinen eigenen Körper extrem gequält

"Wenn Du im fünften Satz 4:3 führst und bei eigenem Aufschlag mit 30:0, dann ist das keine Frage der Erfahrung", sagte Nadal danach. Gäbe es ein exaktes Gegenstück zu dem martialisch an der Grundlinie jubelnden Typen, wäre es dieser nachdenkliche Mensch in den Katakomben der Arena. "Die Einstellung hat heute gepasst", sagte Nadal, "aber wenn jemand alles gibt und dennoch nicht gewinnt, dann fehlt etwas anderes, oder? Danach muss ich suchen. Ich muss selbstkritisch genug sein, dass ich etwas ändern muss."

Nadal hat in seiner Karriere bislang 14 Grand-Slam-Titel gewonnen, er gilt als der beste Sandplatz-Spieler der Geschichte. In den vergangenen Jahren war er häufig verletzt, womöglich hatte er zuvor nicht nur seine Gegner, sondern auch seinen eigenen Körper extrem gequält. Daran hat sich nichts geändert: Bei den Olympischen Spielen trat er mit einer Blessur am Handgelenk an und gewann dennoch Gold im Doppel. Im Einzel verpasste er nur knapp eine Medaille. "Mein Körper verlangt, dass ich jetzt spiele", sagte er nun. "Nach einer Niederlage gratuliert man dem Gegner, und dann trainiert man und bereitet sich auf das nächste Turnier vor."

Das Match gegen Pouille, der zuvor bereits zwei Fünf-Satz-Partien absolviert hatte, wirft die Frage auf, ob Nadal noch in der Lage ist, innerhalb von zwei Wochen sieben Spiele mit drei Gewinnsätzen für sich zu entscheiden. "Es ist keine Frage der Qualität", sagte Nadal. "Ich weiß, was ich tun muss." Er ist noch immer ein gefährlicher Gegner mit einem außerordentlichen Repertoire an Mitteln, auch umkämpfte Partien für sich zu entscheiden. Andere Spieler müssen diesen wilden Stier auch weiterhin respektieren - nur fürchten muss ihn wohl keiner mehr.

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