Radsport-WM:Gold in der Gluthitze

Road Cycling World Championships 2016

Tony Martin im Ziel - fix und fertig.

(Foto: dpa)

Strampeln bei 40 Grad: Tony Martin gewinnt seinen vierten WM-Titel im Zeitfahren, aber der Ärger über die teilweise gesundheitsgefährdenden Bedingungen in Doha ist groß.

Von Johannes Aumüller

Tony Martin blickte noch einmal konzentriert auf den kleinen Monitor vor sich. So gehört es sich eben für einen Radsportler, der nach einem Zeitfahren mit Bestzeit im Zielbereich wartet und die Einfahrt der Konkurrenten abwarten muss. Aber richtig angespannt musste er nicht sein. Aufgrund der Zwischenzeiten des 40 Kilometer langen WM-Kurses von Doha durfte ihm beim Blick auf den Monitor schon klar gewesen sein, dass niemand seine Zeit würde unterbieten können.

So konnte Martin, 31, nach ein paar Minuten Monitorgucken dann sichtlich gerührt die Goldmedaille bejubeln. Es war zwar nach 2011, 2012 und 2013 bereits sein vierter WM-Titel im Zeitfahren. Aber es war keineswegs ein routinierter Jubel, sondern durchaus ein besonderer. Denn zuletzt war er in seiner Paradedisziplin nicht mehr zurechtgekommen wie gewohnt. Bei der WM 2015 in Richmond kam er nur auf Rang sieben, das lange Prestige-Zeitfahren bei der Tour de France im Sommer schloss er als Neunter ab, und bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro, seinem lang verfolgten Traum, kam er mit 3:12 Minuten Rückstand auf Position zwölf ins Ziel.

Also hat er noch einmal ein paar Dinge verändert, er hat die Experimente mit einer neuen Sitzposition aufgegeben und wieder die Variante aus den Erfolgsjahren gewählt. So schaffte er es tatsächlich, in Sachen WM-Siege mit dem Schweizer Fabian Cancellara gleichzuziehen, der nach seinem Olympiasieg in Doha nicht am Start war und seine Karriere nun beendet.

Mit dem Heizlüfter zum Sieg

"Dass ich jetzt Weltmeister bin, macht alles vergessen. Ich hatte keinen Druck, es lief alles perfekt", sagte Tony Martin. Allein die Hitze auf der Strecke habe ihm ein paar Probleme bereitet, aber auch darauf war er vorbereitet gewesen - mit einem ungewöhnlichen Rollentraining vor einem Heizlüfter in der Heimat.

Die Hitze, das ist das große Thema in diesen Tagen von Doha. Der Radsport erlebt eine der merkwürdigsten Weltmeisterschaften seiner jüngeren Geschichte. Sie ist ein Erbe aus der Zeit, als der umstrittene Ire Pat McQuaid den Rad-Weltverband (UCI) leitete. Der brachte seinen Vorstand 2012 dazu, dem sportpolitischen Trend der Zeit sowie dem Geld zu folgen und wie Fußballer, Handballer, Leichtathleten und andere ebenfalls eine WM nach Katar zu vergeben. Und so kämpfen Martin & Co. in diesen Tagen unter unwirtlichen und teilweise gesundheitsgefährdenden Bedingungen um die Medaillen.

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