Süddeutsche Zeitung

Alexander Winokurow:Freigesprochen - trotz Mails und Überweisungen

  • Hat der ehemalige Radfahrer Alexander Winokurow im Jahr 2010 beim Lüttich-Sieg Korruption begangen?
  • Ein Gericht sieht keine Beweise.

Von Johannes Aumüller

Der Kasache Alexander Winokurow zählt noch immer zur großen Rad-Familie, und das sogar an prominenter Stelle. Seit seinem Rücktritt als Profi 2012 ist Winokurow Generalmanager bei der Astana-Mannschaft - einem vom kasachischen Staat alimentierten und aus vielerlei Gründen umstrittenen Gebilde. Das Team hat kein schlechtes Rennjahr hinter sich, jetzt geht es an die Planung für die Saison 2020. Doch besonders maßgeblich für Winokurows nähere Zukunftspläne ist nun ein Urteil zu einem Vorfall, der noch seine Zeit als Profi betrifft.

Am Dienstagmittag sprach ein Gericht in Lüttich den Kasachen in einer lange schwelenden Angelegenheit frei: einem angeblichen Betrug beim Radklassiker Lüttich - Bastogne - Lüttich im Jahr 2010. Die Staatsanwaltschaft warf Winokurow vor, seinem russischen Kontrahenten Alexander Kolobnjew den Sieg in diesem Rennen für 150 000 Euro abgekauft zu haben. Eine Geld- und eine sechsmonatige Gefängnisstrafe hätten den beiden gedroht. Doch das Gericht befand nun, dass die Ermittlungsergebnisse, darunter ein Email-Austausch und zwei Überweisungen Winokurows an Kolobnjew, nicht als Beweise ausreichten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb eines Monats kann dagegen nach Auskunft der belgischen Justiz Einspruch erhoben werden. Das Astana-Team gab nach dem Richterspruch zunächst keine Stellungnahme ab. Winokurow selbst schrieb bei Instagram: "Ich bin sehr froh, dass nach neun Jahren diese Sache endlich beendet ist und das Gericht die einzige gerechte Entscheidung getroffen hat."

150 000 Euro überwies Winokurow an seinen Kontrahenten

Winokurow, heute 46 Jahre alt, ist ein vertrautes Gesicht der chronisch verseuchten Nullerjahre. Lance Armstrong und Jan Ullrich waren die ganz großen Nummern, aber dahinter kam dann schon bald der Mann aus Petropawlowsk. Mit seiner Fahrweise verschaffte er sich damals viel Respekt im Peloton, hohe Beliebtheitswerte am Straßenrand und große Erfolge wie den Sieg bei der Vuelta 2006. Aber er zählte auch zu den auffälligen Figuren des Geschäfts: positiv getestet auf Fremdblutdoping 2007. Und das Bild eines Manipulators ergänzte dann diese Geschichte rund um den Lüttich-Klassiker 2010, kurz nach Ablauf seiner Dopingsperre.

Winokurow und Kolobnjew bildeten in diesem Rennen ein Ausreißerduo, 500 Meter vor dem Ziel attackierte der Kasache und gewann mit sechs Sekunden Vorsprung. Doch im Jahr darauf veröffentlichte das Schweizer Magazin L'Illustre pikante Begleitumstände zu diesem Triumph. So zitierte es aus einer Mail, die Kolobnjew kurz nach dem Rennen an Winokurow schrieb. Darin räsonierte der Russe über die große Chance, die er gehabt habe, und dass er nicht wisse, ob es korrekt gewesen sei, was er getan habe - und teilte seine Bankdaten mit.

Winokurow wiederum antwortete später mit dem Hinweis, dass er alles richtig gemacht habe. Und tatsächlich kam es im Lauf des Jahres zu zwei Überweisungen, wie das Magazin anhand von Kontoauszügen belegt. Demnach flossen am 12. Juli 2010 von Winokurows monegassischem Konto an Kolobnjew 100 000 Euro. Ein knappes halbes Jahr später gab es die nächste Gutschrift, diesmal 50 000 Euro.

Zu diesen Vorwürfen kamen später auch noch Äußerungen von der Witwe des Radprofis Andrej Kiwilew, der mit Winokurow gut befreundet war und der 2003 während des Rennens Paris - Nizza an den Folgen eines Sturzes verstarb. Nach dem Tod des Freundes gewann Winokurow diese einwöchige Rundfahrt - und Kiwilews Witwe hielt ihm vor, er habe anderen Fahrern 3000 Euro gezahlt, "damit sie ihn gewinnen lassen, weil er Andrej diesen Sieg widmen wollte".

Dass es beim Zieleinlauf von Radrennen schon mal zu Absprachen kommen kann, ist ein durchaus häufiger diskutiertes Phänomen. Winokurow aber bestritt Fehlverhalten vehement. "Ich habe so etwas nie in meiner Karriere gemacht, ich habe immer gekämpft, um zu gewinnen", sagte er zur Publikation. Dies sei nur ein weiterer Versuch der "Schmutz-Presse", seinen Namen zu verunglimpfen. Die Zahlung der 150 000 Euro an Kolobnjew sei eine private Angelegenheit und ein Leihgeschäft. Er verleihe nun mal öfter Geld. Auch Kolobnjew wies alle Vorwürfe zurück.

Staatsanwaltschaften in Padua und in Lüttich beschäftigten sich daraufhin mit dem Fall; die in Lüttich legte schon vor vier Jahren eine Anklageschrift vor. Doch der Prozess und die Verkündung des Urteils verzögerten sich bis Dienstag.

Kolobnjew, 38, verabschiedete sich vor drei Jahren aus der Radszene. Winokurow wiederum beendete schon 2012 seine Karriere als Profi, kurz nach seinem Olympia-sieg in London. Bis heute nimmt er parallel zu seinem Astana-Job aber noch an Rennen teil - im Triathlon. Erst kürzlich erwies er sich beim Ironman auf Hawaii als Schnellster seiner Altersklasse. Es ist aber eher nicht davon auszugehen, dass dieser Sieg in neun Jahren noch Gerichte beschäftigt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4668971
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.11.2019/sonn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.