Radsport:"Was für ein wundervoller Mensch"

Kristina Vogel

Bekommt nach ihrer Querschnittslähmung viel Zuspruch und Aufmunterung: Kristina Vogel, hier im Halbfinale der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

Die Nachricht von der Querschnittslähmung von Bahnradfahrerin Kristina Vogel schockt die deutsche Sportszene. Doch das erste Interview nach ihrem Unfall weckt auch große Bewunderung für ihren Lebensmut.

Die schönsten von vielen beeindruckenden Sätzen sind wohl die, nach denen sie lacht. "Manchmal liege ich im Bett und trainiere heimlich mit dem Theraband", sagte die erfolgreichste Bahnradfahrerin der Geschichte - und lachte, so schreibt es der Spiegel. Nur dazuliegen, das könne sie nicht aushalten: "Ich sage immer zu allen: Ich muss los, ich habe Termine, ich muss los." Und Kristina Vogel lachte auch, nachdem sie sagte, dass sie die 120 000 Euro, die mit der Spendenaktion #staystrongkristina für sie gesammelt wurden, gut gebrauchen könne: "Um mir ein Spezialauto zu kaufen und einen geilen Rollstuhl mit Carbonfelgen."

Olympiasiegerin Vogel, 27, eine der herausragenden deutschen Sportlerinnen der Gegenwart, ist querschnittsgelähmt, das hat sie im Interview mit dem Spiegel publik gemacht. Es war das erste Mal, dass die Öffentlichkeit von den Folgen ihres schlimmen Trainingsunfalls vor rund zehn Wochen erfuhr. Die deutsche Sportszene hat auf die Nachricht und Vogels Worte mit Bestürzung reagiert. Aber auch mit viel Zuspruch und Hoffnung.

"Der Bund Deutscher Radfahrer wird sie uneingeschränkt und mit ganzer Kraft unterstützen", sagte Verbandspräsident Rudolf Scharping. Das Interview zeige, "was für ein wundervoller Mensch Kristina Vogel" ist. Sportdirektor Patrick Moser fügte hinzu: "Der Verband wird Kristina Vogel jede Hilfe zukommen lassen, die sie jetzt braucht."

Nach dem Unfall war zunächst eine Nachrichtensperre verhängt worden, nur ihr engster Kreis war bereits seit längerer Zeit eingeweiht. Dazu gehörte auch Miriam Welte, mit der Vogel 2012 Gold im Teamsprint in London gewonnen hatte: "Wir hatten schon einige Wochen Zeit, die Diagnose zu verarbeiten und uns an den Gedanken, Kristina im Rollstuhl zu sehen, zu gewöhnen. Das war extrem schwer", sagte Welte. Sie habe aber den Eindruck, dass Vogel die Situation gut angenommen habe. Gegenüber dem SWR ergänzte Welte: "Ich denke, es ist ein tiefer Einschnitt. Kristina hat sich immer gerne bewegt. Sie hat den Sport geliebt. Es tut mir für sie unendlich leid, dass sie den Sport nicht mehr ausüben kann. Ich glaube aber, dass sich für sie jetzt neue Ziele ergeben."

Zwei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen hat Vogel gewonnen, dazu elf Weltmeistertitel. Doch ihre außergewöhnliche Karriere fand ein jähes Ende, als sie am 26. Juni während einer Trainingseinheit in Cottbus mit einem niederländischen Nachwuchsfahrer kollidierte. Dem Spiegel schilderte sie, wie sie die den Zusammenstoß erlebt hat. Nach der Kollision mit Tempo 60 habe sie ihre Beine nicht mehr gespürt. "Da war mir sofort klar, das war's. Jetzt bin ich querschnittsgelähmt, das mit dem Laufen wird nichts mehr." Die Nachricht der Ärzte habe sie dadurch nicht völlig erschlagen, sagte sie, "aber natürlich: Es ist scheiße, das kann man nicht anders sagen. Es nervt. Egal, wie man es verpackt, ich kann nicht mehr laufen. Und das lässt sich nicht mehr ändern." Es geht nun um ihre Zukunft.

Michael Hübner, ihr Teamchef beim Chemnitzer Erdgas-Team, glaubt, dass Vogel auch im Rollstuhl sportliche Höchstleistungen vollbringen wird. "Sie wird zurückkommen - das Thema Paralympics ist noch nicht durch, da bin ich mir sicher", sagte er. Vogel wollte davon noch nicht sprechen. "Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder in den Leistungssport will und wenn ja, in welche Disziplin", sagte sie: "Wenn ich nicht weiß, was ich kann, wie kann ich da wissen, wofür ich brenne?" Sie könne sich aber auch ganz andere Dinge vorstellen. Mithelfen, dass die Sicherheit im Bahnradsport erhöht wird. "In Kolumbien ist René Enders mal mit 80 km/h aus der Kurve gefahren und da steht einer mit einem Besen. Bei einem Zusammenprall wäre der tot gewesen!", erinnert sich Vogel und fügt hinzu: "Solche Dinge passieren, dürfen aber nicht passieren. Vielleicht ist das meine Aufgabe im Leben. Sicherzustellen, dass so etwas wie mir nie wieder passiert. Insofern habe ich vielleicht doch schon einen kleinen Plan." Sie ist bei der Bundespolizei angestellt, mit ihrem Arbeitgeber sei sie bereits verschiedene Optionen durchgegangen. "Streife laufen mit Waffe geht jetzt ja nicht mehr."

Wie Vogel mit ihrer Lähmung umgeht, dass sie bereits wieder zu lockeren Sprüchen aufgelegt ist, das freut auch Welte. "Das hilft auch mir, mit dem Unfall umzugehen", sagte Welte. Und Bundestrainer Detlef Uibel sagte: "Die letzten Wochen war der Unfall schon nicht mehr so präsent, jetzt kommt natürlich alles wieder hoch und lässt mich schon zweifeln und grübeln. Auf der anderen Seite ist jetzt auch eine Last weg: Durch den Schritt von Kristina an die Öffentlichkeit können wir alle etwas freier mit dem Unfall umgehen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: