Radsport:Urteil am Tag des Blutspenders

Spanish doctor Eufemiano Fuentes enters the courthouse on the first day of the Operacion Puerto trial in Madrid, Spain

Prominente Patienten: Der spanische Mediziner und frühere Radsport-Teamarzt Eufemiano Fuentes soll Dutzende von internationalen Athleten betreut haben.

(Foto: Sergio Perez/Reuters)

Spaniens Justiz erteilt zehn Jahre nach Aufdeckung der Doping-Affäre "Operación Puerto" einen Freispruch. 211 Blutbeutel aber werden freigegeben - und könnten jetzt Dopingsünder überführen.

Von Javier Cáceres, Bordeaux/Madrid

Eines muss man den spanischen Richtern lassen: Sinn für Humor haben sie. Manchmal jedenfalls. Am Dienstag wurde weltweit der Tag des Blutspendertags begangen, ausgerufen von der Weltgesundheitsorganisation WHO, da kamen sie mit einem letztinstanzlichen Urteil ums Eck, das man in Spanien eigentlich schon vor Monaten erwartet hatte - und das sehr viel mit Blut zu tun hat. Es ging darin um die Dopingaffäre, die unter dem Kennwort "Operación Puerto" in die Geschichte einging.

Auf 89 Seiten schreiben die Richter im Kern zweierlei. Erstens: Die 211 Blut- und Plasmabeutel von Spitzensportlern, die im Jahr 2006 bei einer Razzia in Madrid sichergestellt worden waren und angeblich vor allem von Radsportlern und Leichtathleten stammen sollen, dürfen nicht vernichtet werden. Sie müssen vielmehr der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, dem spanischen (RFEC) und dem internationalen Radsportverband UCI sowie dem italienischen Olympischen Komitee Coni ausgehändigt werden; diese waren im Prozess als Nebenkläger aufgetreten. Zweitens wurden diverse Angeklagte, darunter die schillerndste Figur der Puerto-Affäre, der Gynäkologe und Doping-Arzt Eufemiano Fuentes, freigesprochen. Er war noch 2013 in erster Instanz zu einem Jahr Gefängnis und vier Jahren Berufsverbot verurteilt worden und hatte nun mit seiner Berufung Erfolg. Zwar sah auch das Berufungsgericht, das nun das Urteil fällte, es als erwiesen an, dass Fuentes mit Komplizen Sportler gedopt hatte. Aber im spanischen Strafrecht fand sich damals kein Gesetz gegen Doping. Das Behelfskonstrukt, Fuentes wegen eines Delikts gegen die öffentliche Gesundheit zu verurteilen, sah das Gericht als nicht statthaft an.

Sperren hätten Betroffene nicht zu befürchten, die Verjährungsfrist lief jüngst am 23. Mai ab

Blut sei kein Medikament, schrieb nun der Richter. Auch das Berufsverbot für Fuentes wurde aufgehoben. Und der frühere Radrennstall-Manager Manolo Saiz, der damals bei der Razzia ebenfalls festgenommen worden war, erhält endgültig das Geld zurück, das er damals bei dem Treffen mit Fuentes in einer Madrider Cafetería dabei hatte: 42 224,10 Euro, 38 500 Schweizer Franken sowie 310 australische Dollar. Cash. Da der Zugriff der Polizei vor der vermuteten Begleichung ausstehender Rechnungen von Fuentes erfolgte, darf nun davon ausgegangen werden, dass die Milchkaffees auf seinen Deckel gehen sollten.

Interessant wird jetzt vor allem, ob die Übergabe der Blutbeutel an Wada, UCI und den Coni zur Enthüllung von Dopingsündern führen wird. Einst wurde eine Liste mit reichlich dreißig Namen erstellt, weil aber die spanische Justiz zunächst ein Verbot aussprach, die Blutbeutel und die im Zuge der Razzia sichergestellten Dokumente für sportrechtliche Zwecke zu nutzen, gleichzeitig aber auf Rechtshilfeersuchen aus Deutschland und Italien einging, wurde wegen der Erkenntnisse aus der Puerto-Affäre nur im nichtspanischen Ausland Sportler belangt - unter ihnen die früheren deutschen Radprofis Jan Ullrich und Jörg Jaksche. Ullrich wurde nur wenige Wochen nach der Puerto-Razzia von seinem damaligen Team T-Mobile unmittelbar vor Beginn der Tour de France 2006 ausgeschlossen. Der einzige spanische Profi, der eine Sperre hinnehmen musste, war Alejandro Valverde, er wurde von den Italienern verurteilt. Unter den Fuentes-Kunden, die eine Strafe aufgebrummt bekamen, waren berühmte Radprofis wie die italienischen Radprofis Mario Cippolini und Ivan Basso sowie US-Fahrer Tyler Hamilton.

Ob wirklich alle Blutbeutel im Dopinglabor in Barcelona landeten und ob die von der Polizei erstellte Liste vollständig oder insbesondere um die Namen von Sportlern aus anderen Disziplinen gesäubert wurde - darum ranken sich seit Beginn der Affäre Mythen, Legenden, wahrscheinlich aber vor allem gut gehütete Geheimnisse. Dazu trug vor allem ein abenteuerlicher Tanz um die wahre Zahl an Beuteln bei, die beschlagnahmt wurden. Anfangs war von 224 Beuteln die Rede, dann waren es nur noch 216, von denen fünf von Fuentes als "Gegengewicht" bei der Zentrifugierung von Plasma benutzt worden sein sollen. Nun also liegen 112 Blut- und 99 Plasmabeutel vor, die 35 Sportlern zuzuordnen seien. Fuentes selbst behauptete, 40 weitere Beutel seien auf mysteriöse Weise verschwunden. Wie und durch wen, ist offen.

Sobald sie Zugriff auf die 211 Beutel haben, könnten die Verbände deren Inhalt mit den DNA-Informationen abgleichen, die sie bei Dopingtests gewinnen. Doch das wäre eine Suche im Heuhaufen, es sei denn, man sucht zielgerichtet. Sperren hätten etwaige Betroffene nicht zu befürchten, die zehnjährige Verjährungsfrist aus dem Welt-Anti-Doping-Code lief jüngst am 23. Mai ab - so ein Zufall aber auch. Etwaigen Dopingsündern droht damit lediglich eine Stigmatisierung.

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