Radsport und Doping:Das Gesicht des Radsports

Es braucht ein paar Winokurows mehr, um dem Publikum die Chance zu nehmen, sich die Realität in diesem Hochleistungsgebolze schön zu träumen.

Thomas Kistner

Ach Gottchen, nein! Winokurow, dieser Schlingel! Natürlich sind sie jetzt schwer entsetzt im Radweltverband UCI, in der Rennstallvereinigung ProTour und in sonstigen frommen Instanzen des reinen Sports: Alexander Winokurow setzt mit aller Brachialität sein Comeback im Astana-Team bei der Vuelta durch. Tja. Warum nicht? Schließlich ist seine Zweijahres-Sperre wegen Dopings abgelaufen.

Alexandre Winokurow

Alexander Winokurow

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Also mal alle die Luft anhalten. Das Branchengejaule ist nur Teil einer verlogenen Gesamt-Inszenierung. Denn wer darin könnte wirklich den Stab brechen über Winokurow? Betrachten wir seine Astana-Kollegen, drängt sich da sogleich eine kleine Ethikkommission aus überzeugten Antidopingkämpfern wie Klöden, Armstrong, Contador auf. Letzterem wird in den Fuentes-Akten das Kürzel A.C. zugeordnet. Klöden, gleichfalls schwer belastet, war deutschen Staatsanwälten bisher keine Hilfe. Und Superman Armstrong verbindet mit Winokurow sogar eine Reihe positiver Tests - nur hatte er das Glück, dass es nach den Epo-Befunden keine B-Proben mehr gab.

Und welche Glaubwürdigkeit besitzt die jammernde UCI? Wie sie es mit der Betrugsbekämpfung hält, demonstriert sie ja gerade wieder: Volltönend hat Verbandsboss McQuaid Nachkontrollen der Giro-Proben von 2008 auf das Blutdopingmittel Cera angekündigt. Na bitte. Die tun was - ist das nicht überzeugend?

Ist es nicht, sondern billiger Reflex auf die (aus Radsportsicht bedrohlichen) Ermittlungen der italienischen Polizei, die die Giro-Proben schon beschlagnahmt hat. Erst wurde die Polizei tätig, wird sie fündig, kann die UCI scheinheilig nachkarten: vielen Dank, aber macht euch keine Sorgen, das hätten wir auch rausgefunden - haben wir nicht Nachtests auf Cera angekündigt?

Es ist gut, dass Winokurow zurückkehrt und mit seinen humorfreien kasachischen Handlangern alles beiseite räumt, was sich ihm in die Piste stellt. Es ist gut, dass er auf unverbindliche Rückzahl-Klauseln pfeift und auf die ebenso unwirksame Vereinbarung der Rennställe, Dopingsünder nach Sperren-Ende zwei Jahre lang nicht aufzunehmen. All das ist ja nur Sand gewesen, der dem Publikum in die Augen gestreut werden sollte. Augen auf: Winokurow ist das Gesicht dieses Radprofigeschäfts. Von Armstrong, Contador, Klöden und anderen unterscheidet ihn nur, dass er künftig ohne Visier fährt.

Es braucht noch ein paar Winokurows mehr, um dem Publikum auf die Sprünge zu helfen - und ihm die Chance zu nehmen, sich die banale Realität in diesem Hochleistungsgebolze schön zu träumen. Frei entscheiden kann ja immer noch jeder: Ob er einer Mucki- und Blutmonstershow treu bleiben will oder doch auf eine Sparte umsattelt, die ihre Fans nicht ganz so dreist verschaukelt.

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