Radsport:Tour der Crashs

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Eines der Sturzopfer: Die deutsche Fahrerin Laura Süßemilch brach sich bei einem Crash auf der zweiten Etappe zwei Wirbel und musste die Tour abbrechen. (Foto: Jeff Pachoud/dpa)

Der Radsport erlebt gerade eine Zäsur - die erste Tour de France für Frauen. Doch die Premiere ist nicht nur geprägt von intensiver Vermarktung, sondern auch von vielen Stürzen.

Die beiden letzten Abschnitte haben es noch einmal in sich. Tief hinein in die Vogesen geht es für das Peloton, an diesem Samstag steht eine Etappe mit gleich drei schweren Bergen an, und am Sonntag wartet als finaler Anstieg die steile Rampe auf die Superplanche des Belles Filles. Und wenn diese Brocken erledigt sind, ist klar, welche Sportlerin die erste Tour de France der Frauen für sich entscheidet, nach sechs Etappen trägt die Niederländerin Marianne Vos das Gelbe Trikot. Aber es ist auch die Frage, wie viele der ursprünglich gestarteten 144 Fahrerinnen es eigentlich bis ins Ziel schaffen.

Seit dem vergangenen Wochenende läuft dieses Radrennen, das für die Entwicklung des Frauenradsports eine bedeutende Zäsur darstellt. Es ist - nach ein paar Vorläuferevents in der Vergangenheit - die erste offizielle Frauen-Tour, und noch nie ist ein Frauen-Wettkampf im Radsport so intensiv vermarktet worden. Viele bemerkenswerte Bilder schicken die Veranstalter in die Welt, aber dazu gesellen sich auch solche, die sie nicht so gerne sehen - und zwar die von vielen Stürzen. Kaum eine Etappe verging bisher ohne einen größeren Crash und Ausfälle.

Marianne Vos siegt auf der sechsten Etappe nach Rosheim und verteidigt das Gelbe Trikot. (Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Nun gehören Stürze im Radsport und bei einer Tour zwar zum Standardprogramm. Auch viele Männer-Ausgaben der Frankreich-Schleife sind davon geprägt, wenngleich die Zahl der Crashs in diesem Jahr etwas überschaubarer war als bei den vergangenen Auflagen. Der Wind und die Positionskämpfe, die vielen engen Straßen und die allgemeine Nervosität beim Jahreshöhepunkt, bei dem sich alle Beteiligten besonders in Szene setzen wollen, das alles führt dann immer zu den Stürzen.

Doch zugleich reichern bei der Frauen-Tour diverse Beteiligte die Gründe für die Sturzserie um ein weiteres Argument an - die mangelnde Erfahrung und die mangelnde Qualität des Feldes. "Es sind hier auch Fahrerinnen am Start, bei denen man sich schon die Frage stellt, warum sie dabei sind", sagte etwa die Schweizerin Marlen Reusser, Silbermedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen in Tokio im Vorjahr, der Agentur dpa: "Es reicht eigentlich, wenn man ein, zwei oder drei Fahrerinnen hat, die es nicht so ganz beherrschen oder zu viel Risiko nehmen, um vermeidbare Stürze zu verursachen."

Sportchefs und Begleitfahrzeuge tragen zur Nervosität bei

In der Tat ist im Frauenradsport das Feld deutlich heterogener zusammengesetzt als das bei den Männern. Die Leistungsunterschiede zwischen den 14 World-Tour-Teams und den kleineren Mannschaften sind teilweise immens. Und Ronny Lauke, Chef des deutschen Rennstalls Canyon SRAM, weist darauf hin, dass nicht nur die Fahrerinnen, sondern auch so mancher Sportchef ob der Umstände der Premieren-Tour nervös ist. "Man sieht schon die Unruhe im Konvoi der Begleitfahrzeuge. Manche verlassen immer wieder ihre Position und turnen dann vor einem herum", berichtet er: "Und diese Nervosität, die einige Teammanager und Sportlichen Leiter mitbringen und die auch wirklich sichtbar ist, überträgt sich dann auf die Fahrerinnen."

Aber zugleich dürfen er und seine Kollegen darauf hoffen, dass sich das Phänomen in den letzten Tagen verflüchtigt. Denn die Zeit der Massencrashs, das lehrt die Tour-Erfahrung, sind die Auftakttage im Flachen - und nicht die entscheidenden Schlachten in den steilen Bergen.

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