Radsport: Sturz von Jens Voigt:Lebensretter auf dem Kopf

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Heroische Sportlerkreise verpönten den Helm lange als Ehrabschneidung. Doch der Sturz von Jens Voigt beweist: Helme retten Leben, also sollten auch alle einen tragen.

Wolfgang Gärner

Damals in Le Havre: Der Helm von Olaf Ludwig sei gesprungen, wurde gemeldet und dies erst mal als ein Materialdefekt empfunden. Die Logik des Gegenteils hat dann aber schnell überzeugt: Genau so sollte der Kopfschutz ja Energie vernichten beim Aufprall am Randstein, ohne Helm hätte der Sturz des deutschen Radprofis in einem Kreisel vor dem Ziel der vierten Tour-Etappe 1995 schlimme Folgen gehabt. Olaf Ludwig stieg am nächsten Tag wieder aufs Rennrad.

Es klang wie eine Entwarnung: Jochbeinbruch und Gehirnerschütterung nach Jens Voigts fürchterlichem Sturz. (Foto: Foto: Reuters)

Dienstag kurz unterm Kleinen St.Bernhard: Der Atem beruhigt sich nach dem Aufstieg, von nun an geht's bergab ins Tal der jungen Isère, und wenn Zeit zum Schauen wäre, könnte der Blick weit raus in die Tarentaise gehen. Es ist aber keine Zeit zum Schauen bei dem Höllentempo, mit dem die Matadore Richtung Etappenziel in Bourg St.Maurice rauschen.

Dann ist es, als ob das Bild stehen bliebe, als das Rennrad von Jens Voigt nach rechts abkippt, und der Rennfahrer auf den Boden prallt - erst auf die Brust, dann aufs Gesicht -, dann liegen bleibt, regungslos und blutüberströmt. Erst Stunden später kommt aus der Klinik in Grenoble wie eine Entwarnung die Diagnose: Gehirnerschütterung und Jochbeinbruch, dazu die Ergänzung: Ohne Helm wäre er tot.

So wie am 18. Juli 1995 Fabio Casartelli aus Como, der zwölf Tage nach dem Unfall von Olaf Ludwig auf der Abfahrt vom Col d'Aspet in einen Massensturz geriet und mit dem Kopf an eine Steinbegrenzung prallte - wie Ludwig, aber Casartelli war ohne Helm.

Längst sind die Zeiten überwunden, in denen die Profis das Tragen des Kopfschutzes ablehnen, weil es drunter zu heiß oder dem männlichen Ego abträglich sei. Längst vergessen ist die große Geste des Eishockeyspielers Phil Esposito, wie er zum Abschied von der WM 1977 in Wien seinen Helm auf die Tribüne der Weltverbands-Granden schleudert:

Zwar durften die kanadischen Profis erstmals mitspielen, wurden aber zum Helmtragen gezwungen, was Haudegen wie Esposito als schlimme Ehrabschneidung empfanden. Irgendwann setzte sich aber auch in diesen Kreisen die Einsicht durch, dass es zwar heroisch und männlich sein mag, barhäuptig Eishockey zu spielen, aber auch ganz schön dumm. 1968 war Bill Masterson von den Minnesota North Stars an Kopfverletzungen nach einem schweren Check gestorben, elf Jahre später führte auch die National Hockey League die Helmpflicht ein.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Helme Leben retten - nicht nur das von Profis wie Jens Voigt, sondern auch die von Amateuren, Laien, jedermann. Also sollten auch alle einen tragen.

© SZ vom 23.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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