Interview mit Greg LeMond:"Es ist fast wie bei der Mafia"

Greg LeMond, der dreimal die Tour de France gewann, über Doping im Radsport, das Machtsystem von Lance Armstrong und die Versäumnisse des Weltverbandes UCI.

Andreas Burkert

Powerscourt, County Wicklow, 20 Meilen südlich von Dublin gelegen. Greg LeMond macht Urlaub in Irland, er genießt die Ruhe hier und spielt Golf. Für ein Wohltätigkeitsturnier war er mit seiner Frau über den Atlantik gekommen, nun spannt er aus. "Ich war schon dreimal hier", sagt er, "aber diesmal kann ich es zum ersten Mal genießen." Viel Ärger habe er hinter sich, mit seiner Rad-Marke, die es vielleicht in ein, zwei Jahren wieder geben soll, und mit Lance Armstrong. Er wird von alledem erzählen. Das Thema Radsport im Großen und Ganzen lässt ihn nicht los, unruhig sitzt er an diesem Vormittag auf dem Terrassenstuhl seines Hotels. Seine blauen Augen sind sehr neugierig. Ganz am Ende wird er noch einen sehr schönen Satz sagen: Er liebe das Rennrad weiterhin, "es ist immer noch die schönste Art der Fortbewegung".

Greg LeMond, Floyd Landis,

Greg LeMond, hier bei einer Aussage im Jahr 2007, als es um den nachweislich gedopten Floyd Landis ging.

(Foto: ag.ap)

SZ: Mr. LeMond, wieso spielen Sie in Irland Golf, statt zur Tour zu kommen?

Greg LeMond: Ich wäre ja fast am ersten Ruhetag gekommen, zum Team Garmin, für ein Trainingsprogramm, das ich entwickelt habe. Aber wenn ich gekommen wäre, hätten mich alle nur über Armstrong und Doping ausgefragt. Und ich brauche dort nicht im Fokus zu stehen.

SZ: Wären Sie denn wohl willkommen gewesen bei der Tour?

LeMond: Jetzt sicher nicht. In den vergangenen beiden Jahren hat sich einfach sehr viel beim Management der Tour geändert. Sie wollten ja nach dem Puerto-Skandal 2006 tatsächlich einen Unterschied zur Vergangenheit herstellen.

Ich bin 2007 mit meinem Sohn zur Tour gereist und sah die Bemühungen. Aber die Realität ist inzwischen wieder eine andere. Als Patrice Clerc noch da war...

SZ: ...der frühere Präsident des Tour-Veranstalters A.S.O., ein Kritiker von Lance Armstrong...

LeMond: ... da habe ich mit der Tour zusammengearbeitet. Als Armstrong dann aber im Herbst 2008 seine Rückkehr ankündigte, musste zur gleichen Zeit Patrice Clerc gehen. Clerc wurde gefeuert - und Armstrong quasi wieder eingestellt. Und er war ja nicht wirklich weg. Er war nur 2005 unter Druck geraten, weil seine positiven Nachtests von 1999 auf Epo bekannt wurden. Also nahm er sich eine Pause. Alles Show.

SZ: Sie sind vermutlich auch deshalb nicht willkommen, weil Sie sich wie Clerc als einer der wenigen Gegenspieler von Armstrong positioniert haben.

LeMond: Ja, aber ich rede auch weiterhin über die Dinge, über die sie nicht reden wollen. Die Folge ist allerdings, dass seit neun Jahren mein Schädel brummt.

SZ: Wegen Armstrong?

LeMond: Ja, angefangen hat das ja alles 2001, als ich einen Kommentar machte zu seiner Zusammenarbeit mit Michele Ferrari (verurteilter italienischer Dopingarzt, mit dem Armstrong nur im Training gearbeitet haben will; d.Red.). In diesem Moment raste er in mein Leben.

SZ: Er rief an, berichteten Sie damals.

LeMond: Ja, und er sagte, er werde zehn Leute auftreiben, die bezeugen, dass auch ich Epo genommen hätte - wie alle halt, diese Episode ist ja seit damals bekannt. Aber seitdem nahm er plötzlich Einfluss auf mein Leben, auf meine Fitness-Firma in Montana, auf die Radfirma Trek, für die er wirbt, sie trennte sich von mir. Er versucht halt, andere zu dominieren. Wie früher im Rennen.

SZ: Er wird ja nun endgültig aufhören.

LeMond: Obwohl er vor zwei Monaten noch sagte, er würde gerne noch ein paar Jahre fahren. Die Ermittlungen in den USA nach Floyd Landis' Aussage setzen ihn wohl unter Druck. Es wird Zeit, dass er geht. Er und seine Leute waren meiner Meinung nach mit das Schlimmste, was dem Radsport passiert ist. Aber es ist schon verrückt, wie groß das Bestreben ist, seine Story am Leben zu erhalten.

SZ: Sie meinen die A.S.O., die ihn wieder feiert, und den Weltverband UCI?

LeMond: Ja, gegen wenige Fahrer gab es doch so viele Belege und Hinweise wie gegen Armstrong. Jan Ullrich zum Beispiel oder andere waren wegen der Puerto-Affäre dran, klare Sache, sie mussten den Sport verlassen. Aber unter dem Strich war das alles weniger als das, was gegen ihn vorliegt. Wenn er ein normaler Fahrer wäre und kein Krebs-Überlebender mit einer Maschine um sich herum - dann wäre er schon lange draußen.

SZ: Was meinen Sie mit Maschine?

LeMond: Seine Leute. Ich erinnere mich noch, als ich zur Tour-Präsentation 2003 reiste. Ich war wirklich bereit, meine Differenzen mit ihm beiseite zu schieben, denn die Tour feierte ja ihren 100. Also ging ich hin, Armstrong sollte mit mir auf die Bühne gehen. Dann kam er - natürlich 30 Minuten zu spät. Er sprach mit seinem Manager, sie redeten mit Jean-Marie Leblanc, dem damaligen Tour-Chef, sie drehten sich um zu mir - und irgendwann fragte mich jemand, ob ich nicht allein die Bühne hochgehen könnte und nicht mit Armstrong.

SZ: Armstrong schrieb dem Radsport all die Jahre das Programm vor.

LeMond: Ja, er hat sie alle in der Hand, die Veranstalter, die Organisation dahinter. Immer noch. Er ist ja nicht nur seine Art, die kontrovers ist: Er hat positive Dopingproben abgeliefert wie 1999...

SZ: ...welche die UCI nicht nachträglich verfolgte nach seinem Comeback ...

LeMond: Ja, oder im Müll seines Teams haben sie seltsame Dinge gefunden, wie letztes Jahr nach der Tour oder wie 2000. Nun hat Floyd Landis zu seiner US-Postal-Zeit ausgesagt. Aber: Der Radsport schweigt. Das ist die Realität, deshalb glaube ich nicht mehr an Veränderungen in unserem Sport.

SZ: Sie haben gar keine Hoffnung?

LeMond: Nicht ohne eine Säuberung des ganzes Hauses, angefangen bei der UCI. Sie müssen gehen, ihre Spitze muss weg. Ich weiß nicht, ob ich den Vergleich benutzen sollte, aber es erinnert mich schon an die katholische Kirche und ihre Missbrauchsopfer. Auch dort müsste die Spitze ersetzt werden, denn sie hatten Kenntnisse von alledem - und haben nichts unternommen. Das Gleiche ist im Radsport passiert: Jeder war Teil des dreckigen Spiels, und niemand sagt: "Lasst uns das Haus durchkehren!" Natürlich überlebt der Radsport, aber seriös, mit Stolz? Nein, nur das Geschäft ist wichtig.

SZ: In Deutschland sagt man: Der Fisch stinkt vom Kopf.

LeMond: Sehr schön. Wie beim Finanzskandal, da ist einfach keine Transparenz vorhanden gewesen durch die Bankenaufsicht. Im Radsport ist es der Dachverband, er will doch gar keine Veränderung. Die UCI redet und redet. Von mir aus kann die UCI existieren, wie sie ist - wenn sie endlich die Verantwortung für die Doping-Tests abgeben würde. Warum machen sie das selbst?

SZ: Weil sie die Kontrolle über ihren Sport behalten möchten.

LeMond: Genau, Kontrolle, einen anderen Grund gibt es ja gar nicht. Überall im Sport wird darum gekämpft, bloß die Kontrolle zu behalten. Die UCI sollte einfach nur den Sport promoten und den Rest unabhängigen Instanzen überlassen. Und sie sollte endlich Ermittlungen unterstützen. Landis beschuldigt Armstrong - und was macht die UCI? Sie erklären ihn für verrückt, sie empfehlen ihm einen Psychiater. Das ist lächerlich.

SZ: Sie fühlen sich womöglich Armstrong verpflichtet - die UCI hat eingeräumt, von ihm Spenden in Höhe von 125.000 Dollar angenommen zu haben.

LeMond: Er selbst sprach mal vor Jahren von 20.000 Dollar - der Typ, der sich an jeden Dollar erinnern kann? Und es sind wohl nicht nur 125.000 Dollar - es sollen angeblich rund 500.000 Dollar gewesen sein, wie ich gehört habe, offenbar schon im Jahr 2000. (Anm.d.Red.: Die UCI antwortete auf eine Anfrage zur Behauptung von Greg LeMond, es habe nur Spenden über 25.000 Dollar im Mai 2002 sowie 100.000 Dollar - avisiert nach dem Rücktritt 2005, überwiesen im Januar 2007 - gegeben: "Wir haben niemals eine Spende von 500.000 Dollar erhalten."). Und allein der Fakt, dass es journalistischer Recherchen bedurfte, damit sie wenigstens die 125.000 einräumen mussten, spricht doch für sich. Wenn das keine Korruption ist, was sonst? Schweigen, zahlen - es ist fast wie bei der Mafia.

Spenden von Armstrong?

SZ: Oh, da werden Sie bald sicher Post von der UCI bekommen.

Lance Armstrong und Floyd Landis

Lance Armstrong und Floyd Landis bei der Tour de France 2004.

(Foto: dpa)

LeMond: Ach, von Pat McQuaid (UCI-Präsident) habe ich schon drei Briefe bekommen mit Klage-Drohungen, weil ich die UCI korrupt nannte. Und ich habe seine Briefe gesehen an Landis, auch die von (McQuaids Vorgänger) Hein Verbruggen, und ich kann beiden nur sagen: Kommt rüber in die Staaten und klagt! Die UCI denkt ja bisher wirklich: Wir sitzen in der Schweiz, wir sind unantastbar. Die UCI ist für mich wirklich das größte Problem unseres Sports. Die Wahrheit über jemanden wie McQuaid ist ja: 2006 habe ich versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen und über Lösungen gegen Doping zu reden. Und ich hatte, sagen wir es mal so: herausgefunden, dass Floyd dopte, bevor er positiv aufflog. Er hat nicht geantwortet.

SZ: Landis berichtete nun auch von einem angeblichen Deal seines früheren US-Postal-Teamkollegen Armstrong mit der UCI zu einer Positivprobe.

LeMond: Armstrong hatte doch auf jeden Fall einen Deal 1999 bei seinem ersten Toursieg! Er war zu Beginn positiv auf Kortison - und durfte ein Attest nachreichen. Wenn du einmal einen Deal mit der UCI hattest, warum soll es nicht weitere geben? Ich habe schon 1999 von einem Mechaniker seines Teams von einer angeblichen Zahlung Armstrongs an die UCI gehört - warum soll es so etwas nicht wieder gegeben haben?

SZ: Wussten Sie von Landis' bevorstehendem Doping-Geständnis im Mai?

LeMond: Nein, aber er hat mich am Tag nach seinem Geständnis angerufen. Er hat sich bei mir entschuldigt.

SZ: Dafür, dass öffentlich wurde, was Sie ihm 2006 anvertraut hatten: Dass sie als Teenager missbraucht wurden?

LeMond: Ja, er rief mich 2006 an, nachdem er positiv getestet war und seinen Tour-Sieg wieder verlor. Ich glaube, er wollte damals Hilfe, er war eigentlich auf dem richtigen Weg. Aber es gab ja diese unausgesprochene Bedrohung: Wenn du redest, bist du isoliert. - "Erleichtere dein Gewissen!", sagte ich ihm. "Du kannst damit ein paar Jahre klarkommen - aber in zehn, 15 Jahren bist du depressiv, du trinkst." Floyd hat es nicht hinbekommen. Er hat nie gesagt: "Ich habe Testosteron genommen." Aber die Sache war klar, denn er sagte immer wieder: "Ich kann's nicht tun, ich kann es nicht erzählen. Ich würde Freunde zerstören."

SZ: Nun redet er ausführlich.

LeMond: Ja, und ich fand es sehr nett, dass er sich entschuldigt hat. Das ist ja das Elend am Radsport, dass er unschuldige Kerle in ein kriminelles Verhalten treibt, obwohl sie das gar nicht wollen. Sie sind doch nur Ausführende, Versuchsschweine aus dem Labor. Und in den späten 90er Jahren starben plötzlich junge Kerle, jetzt ist Kim Kirchen bei der Tour de Suisse vom Rad gefallen, aber niemand redet darüber. Wenn das mein Sohne wäre, würde ich Amok laufen. Ich mag mich irren, aber wenn diese Fälle zu meiner Zeit passiert wären, wären wir auf die Barrikaden gegangen. Als Tom Simpson 1967 bei der Tour starb, wurden Dopingtests eingeführt. Wen interessieren Tote heute? Ich sehe auch hier nicht, dass sich die UCI auseinandersetzt. Auch die Toten kommen unter den Teppich.

SZ: Wieso haben Sie Landis 2006 Ihr persönliches Geheimnis des sexuellen Missbrauchs erzählt?

LeMond: Weil ich diese Scham nachvollziehen kann, die dich denken lässt, dass du sie nicht überlebst. Wie sollte er seinen Eltern das nur erzählen, dass er gelogen hat? Ich habe Tyler Hamilton (früherer Armstrong-Kollege, später positiv getestet) erlebt, ich hatte ihn mal gesponsert. Ein netter Typ, aber jetzt hat er das Zehnfache von dem, was er vom Radsport erhalten hat, verloren. Deshalb habe ich mit Floyd über meine Vergangenheit gesprochen, obwohl ich lange mit niemandem darüber sprach. Nicht mal mit meiner Frau.

SZ: Sie sind so lange verheiratet, wann erzählten Sie ihr davon?

LeMond: Erst 2003, und dieses Schweigen hat mich fast zerstört, ich war depressiv. Als ich Rennen fuhr, bin ich dieser Sache irgendwie auch davongefahren. Aber irgendwann ist diese Schutzschicht weg. Und dann merkst du: Du lebst mit einer Lüge. Es ist unmöglich, so glücklich zu werden. Das alles habe ich Floyd versucht zu erklären.

SZ: Stehen Sie mit ihm in Kontakt?

LeMond: Im Moment nicht. Aber ich habe ihm einen Anwalt besorgt, denn als er mich im Mai anrief, sagte er mir, dass er ohne Rechtsbeistand sei. Und das geht nicht, wenn du Armstrong als Gegner hast. Er braucht einfach Schutz. Ich habe ihm den Anwalt verschafft, der mich vertrat, als mich Armstrong mit meinen Rädern bei Trek rausdrängte. Das ist eine der größten Kanzleien an der Westküste, und sie machen es für Floyd nun fast umsonst. Um mir einen Gefallen zu tun.

Landis, der Lügner?

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Die Doping-Vorwürfe gegen Lance Armstrong (vorne) reißen nicht ab.

(Foto: afp)

SZ: Armstrong und die UCI bezeichnen Landis als Lügner, der vier Jahre gelogen hat und nun wieder lüge.

LeMond: Ich kenne diese Masche nun seit neun Jahren, seitdem ich ihn wegen Doktor Ferrari kritisierte. Er nannte mich mental instabil, nun macht er das bei Floyd. Alle anderen sind labil und nur eifersüchtig und liegen falsch. Als sich Floyd offenbarte, war das ja eine Bestätigung von dem, was ich schon wusste. Warum soll er jetzt lügen? Nur um zu schauen, ob er Armstrong zerstören kann, der ihm keinen Job gab? Ja, da ist sicher was dran. Aber das ist nicht seine stärkste Motivation. Ich weiß von Floyd, dass er einfach sein Leben ändern wollte.

SZ: Floyd Landis sagte im Mai, er habe keine Beweise für seine Vorwürfe.

LeMond: Ich glaube zu wissen, dass er durchaus Beweise hat. Die bekannten Namen von anderen Fahrern nannte er sehr ungern, sagte er mir. Denn das sind ja Kerle wie er selbst. Aber um glaubwürdig zu sein, muss er das tun. Im US-Recht gibt es aber so etwas wie den Anscheinsbeweis, und hey, wie viele Indizien braucht man denn noch für Armstrong? Die positiven Dopingproben von 1999 zum Beispiel werden nun sicher benutzt, denn das ist eine kriminalistische Untersuchung. Aber es geht den Ermittlern gar nicht darum, Doping zu sanktionieren. Sondern um: Banktransfers, Geldverschiebung, das Deckung von Verbrechen.

SZ: Armstrong verklagte stets alles und jeden, der ihn angriff. Nun nicht.

LeMond: Weil Floyd die Wahrheit sagt! Und sie wissen es, er selbst, die anderen Beschuldigten, ihre Anwälte wissen es. Solche Verhandlungen zu Klagen entwickeln ja ihr Eigenleben, und darauf verzichten sie wohl lieber.

SZ: Haben Sie Jeff Novitzky schon kennengelernt, den Chefermittler, der schon den Balco-Fall um US-Sprinterin Marion Jones und Baseballer auflöste?

LeMond: Noch nicht. Aber ich habe gehört, dass er sich nicht beeinflussen lässt. Und das wäre sicher das Einzige, worauf Armstrong noch bauen könne: Auf seine erstaunlichen Kontakte in die Politik. Aber es wird nichts helfen. Und im Gegensatz zu seiner Sache war Balco ein kleiner Fall. Da ging es doch um die Beschaffung von ein paar Dopingmitteln. Hier geht es um Organisationen im Sport, um organisierten Vertrieb, um schwarze Kassen. Wurde vielleicht sogar Geld seiner Krebsstiftung zweckentfremdet? Armstrong wird es erwischen, da bin ich mir sicher, er ist Geschichte. Aber wenn es auch den Verband betrifft, die UCI - und ich glaube, das ist möglich -, dann wird es noch interessanter.

SZ: Werden frühere Fahrer wie Hamilton Landis vor Gericht stützen?

LeMond: Ja, das habe ich gehört. Ich denke auch Armstrongs Ex-Frau. Ich höre, dass viele aussagen werden, obwohl sie sicher Angst haben werden, dass er sie aus dem Geschäft drängt. Aber lügen ist jetzt nicht mehr möglich. Denn es ist die Bundespolizei.

SZ: Es sieht aus, als könnte ein nationaler Held fallen. Wie reagiert man in den USA auf diese Entwicklung?

LeMond: Die Leute verfolgen es nicht richtig. Wenn es Tiger Woods wäre, würden sie es tun. Die Doping-Sache ist fast unerheblich, aber wenn etwa seine Krebsstiftung betroffen wäre, würde es die Leute mehr berühren als nun sein Abschied.

SZ: Sie selbst haben aufgehört, weil Sie angeblich keine Chance mehr sahen angesichts der Epo-Doping-Welle, die Anfang der Neunziger einsetzte.

LeMond: Ja, ich selbst war chronisch übertrainiert, und die anderen gingen plötzlich zum Doktor Ferrari, oder zu seinem Kollegen Conconi. Ich selbst bin damals mal zu Ivan Van Mol gegangen ...

SZ: ... ein Belgier, er ist heute noch Teamarzt beim Tour-Team Quick Step.

LeMond: Ja, und er sagte: "Du musst dich nur mit Ferrari treffen." Ich habe ihn dann Ende 1993 getroffen, in San Diego. Und mir war gleich klar, dass Ferrari nichts über Training weiß - sondern nur über etwas anderes. Es wurde ja immer eine Magie um sein Training kreiert.

SZ: Andy Schlecks Bruder Frank zahlte sogar Geld an den spanischen Doping-Arzt Fuentes, ohne dessen angebliche Trainingspläne zu nutzen.

LeMond: Zumindest Ferraris Pläne hatten nichts mit Magie zu tun. Sondern nur mit Drogen. Damals war mir klar, dass ich dem Sport den Rücken kehren musste.

SZ: Armstrong sagte also 2001 am Telefon, er werde zehn Leute auftreiben, die bestätigen, dass auch Sie Epo genommen haben. Ist er nicht fündig geworden?

LeMond: Er hat es mit allen Mitteln versucht. Ich weiß, dass er jemanden bezahlen wollte, das zu erzählen. Ich kann nicht sagen, wer es ist, weil derjenige heute noch im Feld arbeitet. Aber er bekam letztes Jahr 300 000 Dollar dafür geboten, um zu behaupten, dass ich Epo nahm. Er hat abgelehnt. Weil es nicht stimmt. (Armstrongs Teamsprecher äußerte auf eine Anfrage zu dieser Behauptung: "Das ist das erste Mal, dass wir von dieser Sache hören, und sie ist absolut nicht wahr. Eine sonderbare Story.")

SZ: Kein Doping?

LeMond: Nein, aber wäre ich Mitte der 90er Profi geworden - ich kann nicht ausschließen, dass ich nicht auch gedopt hätte. Und meine Einstellung zu gewissen Dingen hat mich ja auch nicht davor bewahrt, Marihuana zu versuchen.

SZ: Sie haben?

LeMond: Ja, aber es war nichts für mich. Ich habe eine Menge Fehler in meinem Leben gemacht, mal abgesehen vom Marihuana, auf das ich nicht stolz bin.

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