Radsport: Doping-Vorwürfe gegen Lance Armstrong:"Ich sah, wie er es sich gespritzt hat"

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Der nächste Ex-Teamkollege belastet Lance Armstrong schwer: Tyler Hamilton behauptet, dass der siebenmalige Tour-Gewinner Epo genommen hat. Den Ermittlern kann die öffentliche Aussage Hamiltons indes nicht gefallen.

Die Helden-Demontage schreitet voran. Nun hat wieder ein ehemaliger Teamkollege von Lance Armstrong schwere Doping-Vorwürfe gegen den siebenmaligen Tour-de-France-Sieger erhoben. Tyler Hamilton sagte in einem Interview mit dem amerikanischen TV-Sender CBS, Armstrong habe bei der Tour 1999 sowie vor der Frankreich-Rundfahrt 2000 und 2001 das Blutdopingmittel Epo verwendet.

Einst Teamkollegen: Tyler Hamilton (r.) und Lance Armstrong bei der Dauphine-Rundfahrt im Jahr 2000. (Foto: DPA)

"Ich sah Epo in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", erklärte Hamilton. Er fuhr von 1998 bis 2001 an der Seite Armstrongs und war in dieser Zeit an drei Toursiegen des Texaners beteiligt. Gegen Armstrong wird derzeit in den USA wegen der seit langem anhaltenden Doping-Vermutungen ermittelt. Der Amerikaner bestreitet die hartnäckigen Vorwürfe vehement.

Sein Anwalt Mark Fabiani sagte nach Hamiltons Enthüllungen, der frühere Rennstallkollege habe mit den Aussagen nur den Verkauf seines geplanten Buches befördern wollen. "Er hat seine Story, die er bislang immer erzählt hat, komplett geändert", behauptete Fabiani.

Die US-Ermittler um Sonderagent Jeff Novitzky sollen bei ihren Untersuchungen im Fall Armstrong auch Hamilton bereits als Zeugen verhört haben. Hamilton war als Doping-Wiederholungstäter 2009 für acht Jahre gesperrt worden und hat seine Karriere beendet. Schon kurz nach dem Gewinn von Olympia-Gold im Zeitfahren 2004 war er des Dopings überführt worden. Seine Medaille durfte er allerdings behalten, weil nach einer positiven A-Probe die B-Probe nach falscher Lagerung nicht mehr analysiert werden konnte.

Armstrong selbst antwortete auf die neuerlichen Vorwürfe via Twitter-Acount: "Mehr als 20 Jahre Radfahr-Karriere. 500 Dopingtests weltweit, während und außerhalb der Rennen. Nie einen Test verpasst. Ich bin entspannt."

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Hamilton schreibt in einer Email an das Internetportal cyclingnews.com, dass er während seiner Karriere wissentlich die Regeln gebrochen habe. Als er im vergangenen Sommer vor der Grand Jury aussagen musste, sei bei ihm ein Damm gebrochen. Während der sechsstündigen Befragung habe er "die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit erzählt". All das Gewicht, das er jahrelang mit sich herumgetragen habe, "fiel plötzlich ab".

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Der Amerikaner arbeitet nun als Trainer und "ich sehe viele junge Leute, die es gerne nach ganz oben schaffen würden". Aber er glaube, dass niemand, der in den Sport eintritt, "diese schwierigen Entscheidungen treffen sollte, die ich treffen musste". Deshalb müsse sich der Radsport der Wahrheit stellen und sich drastisch ändern.

Floyd Landis, dem einst ein Tour-Sieg wegen Dopings aberkannt wurde und der Armstrong vor einem Jahr ebenfalls heftig beschuldigte, gedopt zu haben, kommentierte bei cyclingnews.com: "Der Brief sagt alles." Wie er Hamilton kenne, sei dieser ein "ehrlicher Junge, der sich in dem gleichen Dilemma wiederfand", wie einst Landis.

Armstrong könnten solche Aussagen von ehemaligen Teamkollegen in eine prekäre Lage bringen. Sonderermittler Novitzky, der bereits 100-Meter-Olympiasiegerin Marion Jones überführte, spürt dem Fall des siebenmaligen Tour-de-France-Gewinners nach. Sollte er ihm den Gebrauch von Dopingmitteln nachweisen, wäre das aber in den USA allein nicht strafbar. Die Ermittler gehen stattdessen dem Verdacht nach, Armstrong habe Sponsorengelder des früheren Hauptgeldgebers des Team Postal, der staatlich finanzierten US-Post, für den Kauf von Dopingsubstanzen missbraucht. Dabei geht es um mögliche Untreue, Betrug, Drogenhandel, sogar Geldwäsche.

Den Ermittlern hat Hamilton mit seinen öffentlichen Aussagen aber vermutlich keinen Gefallen getan. Bradley Simon, ein früherer Bundesanwalt, sagte der New York Times, die Kollegen würden nicht glücklich sein, dass ein Zeuge Fernsehinterviews gebe. "Es sieht nicht gut aus, wenn einer die Situation für persönliche Ziele nutzt", sagte Simon, "es untergräbt seine Glaubwürdigkeit als Zeuge und ich bin überzeugt, dass die Ermittler wütend sind."

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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