Radsport: Jan Ullrich:Wie einst beim Kanzler Kohl

Dem ehemaligen Radfahrer Jan Ullrich droht in Hamburg eine Verurteilung wegen Falschaussage - sofern die Justiz die Sache diesmal hinterfragt.

Andreas Burkert

Nach den Veröffentlichungen der umfassenden Recherchen des Bundeskriminalamtes (BKA) zum Dopingfall Jan Ullrich setzt die Hamburger Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen zum Zivilverfahren des früheren Radprofis gegen den Heidelberger Dopingexperte Werner Franke fort. "Der Abschluss unserer Ermittlungen steht noch aus", sagte Behördensprecher Bernd Mauruschat am Montag auf SZ-Anfrage. In der Sache geht es um den Vorwurf "einer falschen Versicherung an Eides statt" durch Ullrich. Dieser hatte gegen Franke auf Unterlassung geklagt, nachdem der Heidelberger Molekularbiologe von einer Zahlung Ullrichs an den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes gesprochen hatte. In einem BKA-Bericht sind nun Überweisungen an Fuentes in Höhe von 80.000 Euro dokumentiert (SZ 19.10).

Jan Ullrich

Jan Ullrich: Die Hamburger Staatsanwaltschaft setzt ihre Ermittlungen fort.

(Foto: Foto: dpa)

Wie Behördensprecher Mauruschat weiter mitteilte, warte die Staatsanwaltschaft nun "auf eine Stellungnahme des Verteidigers von Herrn Ullrich, sie sollte innerhalb der nächsten zwei Wochen erfolgen". Im Falle eines Schuldspruches drohe Ullrich ein Strafmaß "von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe". Einer Klage Frankes gegen Ullrich wegen Prozessbetruges räumte der Sprecher der Staatsanwaltschaft nach aktuellem Stand geringe Chancen ein. Denn Voraussetzung sei, "dass sich jemand durch eine Falschaussage einen unmittelbaren Vermögensvorteil beschafft".

Nachdem die Bonner Ermittler ihr Verfahren gegen Ullrich "wegen Verdachts des Betruges im Zusammenhang mit der Anwendung von Doping-Mitteln" im April 2008 gegen Zahlung von 250.000 Euro - aber ohne eine Art Geständnis - eingestellt hatten, fordert Franke nun von der Justiz auch eine Klarstellung in der Sache. "Die Dinge, die jetzt auch noch herausgekommen sind, waren doch in Bonn schon 2006 bekannt", argumentiert er und spricht gewohnt angriffslustig von einer "Rechtsprechung wie im Balkan". Zumal die Bonner Behörde im Rahmen ihres Handels mit Ullrich sein Verfahren gegen den gefallenen Sportstar kurzerhand mit eingestellt hatte.

Von Ullrichs Seite gibt es bislang keine Stellungnahme zu den BKA-Recherchen, nach denen er Stammkunde von Fuentes war. Ullrich bestritt nach dem Aufkommen des Skandals um den Madrider Arzt gegenüber seinem Arbeitgeber sogar schriftlich die nun erneut nachgewiesenen Kontakte. Bis heute steht seine Behauptung, er habe niemals gedopt. Im BKA-Report widerspricht ihm nun auch für seine Zeit bei Telekom der frühere Betreuer Jef D'hont: "Jan Ullrich wurde durch die Teamärzte der Uni Freiburg mit Epo versorgt", sagte er aus.

Ob Ullrich doch einmal etwas zur Sache beiträgt, ist offen. In dem Bonner Verfahren zeigte sich, auf welcher Stufe zumindest sein Anwalt den Mandanten sieht: "Es besteht keinen Anlass, den Beschuldigten (Ullrich) wegen des Interesses der Medien an seinem Fall anders zu behandeln als den Beschuldigten des Verfahrens 50 Js 1/00", hieß es dort. Und weiter: "Auch in jener Sache hat die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens nicht von der Bereitschaft abhängig gemacht, Vorfragen seiner möglichen Strafbarkeit zu beantworten." Der Beschuldigte ist damals wegen Untreue im Parteispendenskandal angeklagt gewesen: Helmut Kohl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: