Radsport:Jan Ullrich kauft sich frei

Das sechsstellige Strafgeld an gemeinnützige Institutionen und die Staatskasse und die Herausgabe von Beweismitteln sind der Preis für die Einstellung des Verfahrens wegen "Täuschung und Betruges zum Nachteil seiner Arbeitgeber" Telekom/T-Mobile durch Doping.

Damit gilt der 34-jährige Toursieger von 1997 als nicht vorbestraft, doch die Kommentierung der Bonner Staatsanwaltschaft könnte kaum vernichtender sein. Der Vergleich kostet Ullrich Millionen, weil er auch auf eine "siebenstellige" Summe von seinem anderen Ex-Rennstall Coast verzichten musste. Die genaue Höhe der jüngsten Strafzahlung wurde nicht genannt, Presseberichte im Vorfeld schwankten zwischen 250.000 und einer Million Euro.

jan ullrich

Unschuldig im Sinne der Anklage: Jan Ullrich

(Foto: Foto: AP)

Ullrichs Behauptung, "er habe niemanden betrogen", könne zwar "den strafrechtlichen Vorwurf nicht entkräften", doch sei die "kriminelle Energie des Beschuldigten letztlich als eher gering zu bewerten", hieß es in der am Montag um 11.32 Uhr verbreiteten Erklärung durch Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel, in der die Einstellung der Ermittlungen gemäß Paragraf 153.1 der Strafprozessordnung mitgeteilt wurde.

Der in der Schweiz lebende gebürtige Rostocker wolle sich zum Abschluss des seit August 2006 laufenden Verfahrens vorerst nicht äußern, wie sein Manager Wolfgang Strohband sagte.

Die Einigung wurde von der Staatsanwaltschaft vor allem damit begründet, dass zu Ullrichs aktiver Zeit eine weithin verbreitete Doping-Mentalität vorherrschte: "Die Hemmschwelle zur Anwendung verbotener leistungssteigernder Mittel war herabgesetzt." Deshalb schien es fraglich, Ullrichs subjektive Meinung widerlegen zu können, nichts Unrechtes getan zu haben: "Dies konnte bei der Sachentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben."

Zudem hätten die "im Ermittlungsverfahren festgestellten Tatsachen" dazu geführt, dass der Beschuldigte "gravierende finanzielle Einbußen und seit 2006 einen hohen Ansehensverlust in der Bevölkerung" hinzunehmen hatte und "sein einstmals herausragender Ruf als Sportler weitgehend geschädigt ist".

Hinzu kam, dass Ullrich nach langer Verweigerung letztlich der Freigabe der Unterlagen zustimmen musste, die im Herbst 2006 bei einer Razzia der Schweizer Polizei in seinem Haus in Scherzingen sichergestellt worden waren. Der Zugriff auf wichtige Beweismittel wie PC-Daten dürfte für weitere Doping-Ermittlungen "von erheblicher Bedeutung sein", ließ Apostel verlauten.

Unter Würdigung aller Umstände sei dem öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung entsprochen. Dazu zählt auch, dass der Teamsponsor Telekom nach einem frühzeitigen Vergleich keine weiteren Ansprüche an Ullrich geltend mache und der Exprofi seinerseits auf Forderungen an sein früheres Team Coast "in siebenstelliger Höhe" verzichtet habe.

Ullrich war am Tag vor der Frankreich-Rundfahrt 2006 durch T-Mobile von der Startliste genommen worden, nachdem er durch Dokumente der "Operacion Puerto" unter Verdacht geraten war, in den spanischen Dopingskandal verwickelt gewesen zu sein. Im April 2007 konnten beim Madrider Dopingarzt Eufemiano Fuentes beschlagnahmte Blutkonserven per DNA-Abgleich zweifelsfrei dem Rostocker zugeordnet werden.

Jan Ullrich kauft sich frei

Dokumentiert sind auch Überweisungen Ullrichs auf ein Fuentes-Konto, Anfang 2004 hatte er 25.000 Euro an den Mediziner überwiesen. Ein deutlich höherer Betrag wurde Anfang 2006 vom Ullrich-Konto an dieselbe Bank in Madrid gezahlt, allerdings ohne Empfänger-Angabe.

Ende Februar 2007 hatte Deutschlands einziger Toursieger seine Karriere für beendet erklärt, weil ihn kein Rennstall mehr haben wollte. Dennoch droht ihm als Doping-Wiederholungstäter noch eine lebenslange sportliche Sperre durch den Schweizer Verband, der nun Einsicht in die Unterlagen aus der Hausdurchsuchung erhält.

2002 war das "Jahrhunderttalent" schon einmal wegen "Medikamentenmissbrauchs" für sechs Monate gesperrt worden. Auch damals beteuerte er seine Unschuld, man habe ihm in einer Disko eine Aufputschpille untergeschoben.

Strafanzeige gegen Ullrich hatte im Juli 2006 die Bielefelder Rechtsprofessorin Britta Bannenberg gestellt. Unklar ist, ob auch die vom HeidelbergerDopingexperten Werner Franke gegen den Exprofi in Hamburg eingeleitete Klage vor der Einstellung steht. Für Franke-Anwalt Michael Lehner wäre der Bonner Vergleich "mit einem Geschmack behaftet", wenn es dadurch zu keiner Fuentes-Aussage vor einem deutschen Gericht mehr kommen würde.

Möglicherweise droht Ullrich auch noch ein Spießrutenlauf vor Gericht in Freiburg. Dort ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Doping-Machenschaften in der Uniklinik, wo die Magenta-Teams "betreut" wurden. Die Untersuchungen gegen die ehemaligen Mannschaftsärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid laufen weiter.

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