Radsport:"Wie im Traum": Sprint-Königin Hinze wie einst Vogel

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Goldmädchen: Emma Hinze feiert ihre zweite Goldmedaille bei der Bahnrad-WM in Berlin. Foto: Sebastian Gollnow/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Der Ratschlag kam von Weltmeisterin zu Weltmeisterin. "Genieß es. Bleib auf der Wolke, auf der man gerade schwebt", sagte Kristina Vogel und nahm den neuen deutschen Bahnrad-Star Emma Hinze in den Arm.

Zwei Jahre nach dem unfreiwilligen Karriereende der zweimaligen Olympiasiegerin und Rekord-Weltmeisterin hat die erst 22-Jährige das schwere Erbe mit zwei Goldmedaillen bei der Heim-WM in Berlin angetreten.

Erst der Sieg mit der Mannschaft, dann der souveräne Erfolg in der Königsdisziplin Sprint. "Das ist alles wie im Traum. Ich bin so im Tunnel. Wenn man hier rumrollt und alle schreien 'Emma, Emma', das beflügelt einen", sagte die gebürtige Hildesheimerin und kann am Sonntag im Keirin sogar das Triple perfekt machen. Das war zuletzt 2014 Vogel gelungen, die seit ihrem schlimmen Trainingsunfall 2018 im Rollstuhl sitzt.

Vogel fühlt sich an ihre eigene Karriere erinnert, hat im Sprint "eine Art Kristina-Läufe" von Hinze gesehen. Denn die neue Weltmeisterin brauchte für ihre Erfolge - egal ob gegen Titelverteidigerin Wai-Sze Lee aus Hongkong oder die erfahrene Russin Anastassija Woinowa - gar keine Taktik. Hinze fuhr mit einer verblüffenden Dominanz die Siege einfach von vorne ins Ziel. "Ich glaube, so deutlich hat noch nie eine Sprinterin im Finale gewonnen. Jetzt ist alles möglich, auch im Keirin hat sie alle Möglichkeiten", lobte Bundestrainer Detlef Uibel.

Es ist ein erstaunlicher Leistungssprung, den Hinze vollzogen hat. Schließlich war sie ohne Weltcup-Sieg im Sprint nach Berlin angereist. Einen großen Anteil am Erfolg schreibt sie Heimtrainer Alexander Harisanow zu. "Ende 2017 habe ich mit ihm angefangen zu trainieren. Damals hätte ich echt nicht erwartet, dass ich heute hier stehe. Ohne ihn würde ich auf der Tribüne sitzen. Ich bin so dankbar", sagt Hinze.

Vielleicht hat auch das Training mit Vogel ein wenig zum Erfolg beigetragen. "Jetzt können Miriam (Welte) und ich nur hoffen, dass wir ihnen viel beigebracht haben. Die sind bei mir durch eine sehr harte Schule gegangen. Ich habe mir damals alles alleine ausarbeiten müssen. Mir hat niemand geholfen, das wollte ich niemand anderem geben", sagte Vogel auch mit Blick auf die weiteren Teamsprint- Weltmeisterinnen Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch und fügte mit einem Schmunzeln hinzu: "Ossi-Schule halt."

Davon weiß Hinze zu berichten, vor allem die angespannte Stimmung bei Olympia ist ihr in Erinnerung geblieben. "Ich habe 2016 gemerkt, dass Olympia etwas anderes ist. Auch das Personal war viel, viel nervöser. Da hatte ich als Ersatzfahrerin schon Angst, dass - wenn ich etwas Falsches sage - die Bombe explodiert."

Die Erfahrungen sollen helfen, um mit der Rolle als Topfavoritin für Tokio umzugehen. "Bisher verspüre ich Rückenwind. Ich versuche, das positiv zu sehen. Ich trage jetzt sogar eineinhalb Jahre das Weltmeister-Trikot, weil die nächste WM erst im Oktober ist", betonte Hinze, deren Freund Maximilian Dörnbach auch zum Nationalteam gehört.

Die Sprinterin hat durch ihre Erfolge aber auch Erwartungen geweckt. "Willkommen in meinem Schuh. Wenn es normal ist zu gewinnen und dir keiner mehr zu einer Goldmedaille gratuliert. Das ist meine Story. Natürlich wird der Druck viel höher", meinte Vogel. "Weil jeder denkt: Weltmeister, na ganz klar, jetzt auch Olympiasieger. Aber das ist ein komplett neues Turnier", weiß Vogel zu berichten. "Ich hoffe, dass es der Beginn einer wunderschönen Karriere ist."

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