Süddeutsche Zeitung

Radsport:Der nächste Brite

Bei der Spanien-Rundfahrt erweist sich Simon Yates, 26, als stärkster Profi. Der Brite fiel aber schon mal unangenehm auf: Er war 2016 wegen Dopings für vier Monate gesperrt worden und hatte deshalb die Tour de France verpasst.

Von Johannes Aumüller, Madrid/Frankfurt

Sehr oft ist Simon Yates, 26, in den vergangenen Tagen an diese ungewöhnlichen Geschehnisse im Frühjahr erinnert worden. Beim Giro d'Italia war das, der Brite fuhr ein starkes Rundrennen und trug fast zwei Wochen lang das Trikot des Gesamtführenden. Alles deutete auf seinen ersten Sieg bei einer der drei großen Rundfahrten des Radgewerbes hin, doch dann kam diese vorletzte Bergetappe. Yates erlebte einen richtig üblen Tag, 39 Minuten betrug im Ziel der Rückstand auf den Sieger. Einen solchen Einbruch eines Spitzenreiters hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Und der Triumph beim Giro war natürlich futsch.

Es hat eine ähnliche Ausgangslage gegeben in den vergangenen Tagen, in denen die Radprofis auf Spaniens Straßen ihre letzte bedeutsame Rundfahrt des Jahres absolvierten. Wieder dominierte Yates früh, aber diesmal glückten ihm die finalen Bergprüfungen besser. Er brach nicht ein, im Gegenteil, und als er am Samstagabend als Tagesdritter in Collada de la Gallina ankam, war sichergestellt, dass er das rote Spitzenreiter-Trikot auch am Sonntag bis ins Ziel in Madrid tragen durfte. Er habe aus den Fehlern im Frühjahr gelernt und sich seine Kräfte besser eingeteilt, tat Yates kund, als er die Vuelta vor dem Spanier Enric Mas und dem Kolumbianer Miguel Angel Lopez gewann.

2016 wurde Yates wegen Dopings vier Monate gesperrt

Die Rad-Szene bejubelt nun mal wieder einen neuen Helden. Aus Bury stammt Yates, einem Ort nahe Manchester, und wie so viele andere der hochdekorierten britischen Straßenprofis begann er erst einmal als Bahnfahrer. Als es ihn dann auf die Straße zog, buhlte früh auch die Sky-Equipe um ihn, die seit einem halben Jahrzehnt die Tour de France dominiert. Doch es heißt, er habe lieber direkt Chef sein wollen statt erst mal die Rolle des Edel-Assistenten anzunehmen. So zog es ihn mitsamt seinem Zwillingsbruder Adam zur australischen Equipe Mitchelton-Scott. Und dort entwickelte er sich so rasch zu einem Spitzenfahrer, dass er nun ein ungewöhnlich erfolgreiches britisches Radsport-Jahr vollenden konnte. Den Giro im Frühjahr gewann ja Christopher Froome, die Tour de France im Sommer dessen Sky-Kollege Geraint Thomas, und nun erwies sich bei der Vuelta Yates als bester Mann. Dass es bei den drei großen Rundfahrten in einer Saison drei verschiedene Sieger aus einem Land gibt, hatte es auch nicht gegeben. Jetzt sehen sich die Verantwortlichen in England bestätigt für ihre großen Investments in den Nachwuchs-Radsport.

Es war bei der Vuelta auch bemerkenswert, wie Yates seine Konkurrenz in Schach hielt. Er hatte keine bedrückende Team-Armada an seiner Seite, wie das bei den Sky-Erfolgen so oft der Fall ist, sondern in den kritischen Momenten oft nur die eigene Explosivität und die Dienste seines Zwillingsbruders Adam (noch so ein britischer Kandidat für vordere Platzierungen bei großen Landesrundfahrten). Es waren dabei etwas überraschend der Spanier Enric Mas und der Kolumbianer Miguel Angel Lopez, die sich als ärgste Herausforderer erwiesen, während das Movistar-Team mit seiner ewigen Doppelspitzen-Strategie aus Alejandro Valverde und Nairo Quintana zum wiederholten Mal unzufrieden eine große Rundfahrt beendete. Auch der Deutsche Emanuel Buchmann (Ravensburg, Team Bora) hatte sich mehr erhofft als Rang zwölf, aber gegen Ende fiel er immer stärker zurück im Kampf mit den besten Kletterern.

Es wird nun für die nächsten Jahre eine Menge erwartet von Yates, doch das Problem ist, dass auch dieser neue Held das Schmuddelthema des Radsports schon intensiv berührt hat. 2016 musste Yates eine Doping-Sperre von vier Monaten absetzen und verpasste deshalb die Tour de France. Kontrolleure hatten in seinem Körper Rückstände der Substanz Terbutalin gefunden - einem Asthmamittel. Der Rad-Weltverband (UCI) mochte ihm aber keine Absicht unterstellen, und die Teamleitung hatte auch schnell einen Schuldigen an der Hand: Leider habe der Teamarzt vergessen, sich bei der UCI eine Erlaubnis für das Mittel einzuholen, teilte sie damals mit.

Apropos Teamleitung: Sie ist das zweite Argument, das Yates' Erfolge trübt. Die Steuerung der Mannschaft obliegt nämlich dem Australier Matthew White, der einst für drei Saisons zur US-Postal-Truppe von Tour-Dominator und Super-Doper Lance Armstrong gehörte - und Teil von dessen ausgeklügeltem Manipulationssystem war. Im Oktober 2012 gestand White den Dopingkonsum, eine kurze Sperre von sechs Monaten später war er wieder als Funktionär im Peloton aktiv. Und es gibt noch eine andere problematische Geschichte. Als White im Jahr 2011 noch beim Team Garmin als Sportlicher Leiter tätig war, schickte er einen Athleten zur Behandlung zum berüchtigten spanischen Doktor Luis Garcia Del Moral, ein Kernprotagonist von Armstrongs Dopingsystem und später lebenslang gesperrt. Seinen Job bei Garmin verlor White damals, die Entsendung des Fahrers sei ein Fehler gewesen, meinte er später.

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SZ vom 17.09.2018
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